Factory 56
Wie Daimler Industrie 4.0 realisiert
Parallel zur Präsentation der neuen Mercedes-Benz S-Klasse (W223), die in Sachen autonomes Fahren nach Level 3 und 4 neue Maßstäbe setzt, eröffnete DaimlerDaimler am Produktionsstandort Sindelfingen mit der Factory 56 eine Fabrik der Superlative, in der modernste IT zum Einsatz kommt. Die Realisierung der Vision einer smarten, volldigitalisierten Produktion ließ sich der Konzern rund 730 Millionen Euro kosten. Klimaneutral sollen in der Factory 56 neben der neuen S-Klasse später auch das Elektromodell EQS sowie der Maybach produziert werden. Top-500-Firmenprofil für Daimler
Daimlers Smart-Factory-Blaupause
Dabei zeichnet sich die Smart Factory laut Daimler vor allem durch Effizienz und Flexibilität aus. So sollen die Kunden bis in den Produktionsprozess hinein noch die Ausstattung ihrer Fahrzeuge ändern können. Und die Fertigung der S-Klasse soll um 25 Prozent effizienter sein als auf den alten Anlagen. Zudem will der Konzern mit der Paperless Factory zehn Tonnen Papier pro Jahr einsparen, da alle Prozesse digital etwa per PDA dokumentiert werden, anstatt auf Papier.
Gleichzeitig dient die Factory 56 als Blaupause für die anderen 30 Mercedes-Werke, die nach und nach ebenfalls zu Smart Factories umgebaut werden sollen. "Die Factory 56 steht für modernste Standards - in der Produktion wie bei den Produkten. DigitalisierungDigitalisierung und Dekarbonisierung werden großgeschrieben. Wohl kein anderes Produkt steht dafür so sehr wie der vollelektrische EQS, der hier entstehen wird", erklärte Winfried Kretschmann, Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg, zur Eröffnung der neuen Fabrik. Alles zu Digitalisierung auf CIO.de
Factory 56 - das digitale Ökosystem
All dies erreicht der Konzern natürlich nicht ohne einen massiven IT-Einsatz. Verwendet wird dabei alles, was in der Informationstechnologie derzeit als state of the art gilt: 5G, KI, IoT, Big-Data-Algorithmen, Smart Devices, Augmented und Virtual RealityVirtual Reality etc. Und im Hintergrund kommt das hauseigene digitale Produktions-Ökosystem "Mercedes-Benz Cars Operations 360" (MO360) erstmals vollumfänglich zum Einsatz. Alles zu Virtual Reality auf CIO.de
Bei der Entwicklung von MO360 setzte der Konzern laut Jan Brecht, CIO der Daimler AG und Mercedes-Benz AG , so viel wie möglich auf Open-Source-Komponenten. Und für die Entwicklung der Benutzeroberfläche von MO360 holte man sich Schützenhilfe von Facebook, denn die Libaries des User Interfaces werden von dem US-Unternehmen gepflegt. Für die Zukunft kann sich Jan Brecht auch vorstellen, Teile des MO360-Code in der Open-Source-Community zu veröffentlichen, so dass jeder Entwickler sich in die Produktion einer S-Klasse einbringen kann.
Mit seiner Hilfe soll die Fahrzeugproduktion vollkommen transparent erfolgen und die auf Kennzahlen basierende Produktionssteuerung optimiert werden. Zudem erhält jeder Mitarbeiter über MO360 in Echtzeit individuelle Informationen und Arbeitsanweisungen. Mit Hilfe von MO360 sind zudem Produktionsdaten - wie es heißt - vom Shopfloor bis in die Cloud nutzbar. Das Gesamtsystem umfasst dabei Anwendungen wie die Qualitätsüberwachung QUALITY LIVE oder SFMdigital, ein Tool für das digitale Shopfloor Management.
Die Applikationen des Ökosystems MO360 greifen dabei laut Mercedes nahtlos ineinander: So laufen etwa Produktionsdaten vollautomatisch in das digitale Shopfloor Management (SFMdigital), so dass die Verantwortlichen jederzeit transparent den Status der Produktion kennen. Sie haben beispielsweise Zugriff auf produktions- und steuerungsrelevante Kennzahlen (KPIs), um auf das aktuelle Produktionsgeschehen reagieren zu können.
Mit dem Qualitäts-Management-System QUALITY LIVE, ebenfalls ein Bestandteil des Ökosystems MO360, haben die Mitarbeiter jederzeit auf Knopfdruck Zugriff auf den Live-Zustand jedes einzelnen Fahrzeugs in der Produktion. So können sie eventuelle Abweichungen von der Norm sofort in der Produktionslinie reagieren. Hierzu greift QUALITY LIVE auf sämtliche Daten zurück, die während der Fertigung erfasst werden. Das System informiert dabei die Qualitätsbeauftragten wie auch die Werker proaktiv per Smartphone oder Handheld über den aktuellen Qualitätsstatus in ihrem Bereich.
Zudem unterstützt das System einen strukturierten Problemlöseprozess sowie eine nachhaltige Prozessoptimierung, indem es - wenn notwendig - mit KI-Methoden Vorschläge für eine effiziente Nacharbeit macht. Auf diese Weise will Mercedes sicherstellen, dass die Fahrzeuge ohne jegliche Nacharbeiten vom Band laufen. Zudem wird das so gewonnene Wissen allen Werken des weltweiten Produktionsnetzwerks zur Verfügung gestellt.
5G-Datendusche für die neue S-Klasse
Diese digitalisierte Produktionsteuerung kann allerdings nur mit Hilfe einer umfassenden Vernetzung funktionieren. Neben einem WLAN-Netz hat Mercedes hierzu in der Factory 56 das weltweit erste 5G-Mobilfunknetz für die Automobilproduktion aufgebaut. Geplant und errichtet wurde das 5G-Campusnetz für Mercedes von Telefónica/O2 und Ericsson als Netzausrüster. In einem über 20.000 Quadratmeter großen Bereich wird in Sindelfingen 5G erstmals in der laufenden Produktion eingesetzt.
Der Aufbau einer eigenen 5G-Infrastruktur ist laut Mercedes ein wesentlicher Baustein bei der Umsetzung einer smarten Produktion. So ermögliche es die moderne Mobilfunktechnologie, bestehende Produktionsprozesse durch neue Features zu optimieren. Dazu gehören beispielsweise die Verknüpfung von Daten oder die Ortung von Produkten auf der Montagelinie. Zudem werden per 5G Maschinen und Anlagen intelligent miteinander vernetzt, um die Effizienz und Genauigkeit im Produktionsprozess zu verbessern.
Ein weiterer Vorteil in der Nutzung eines lokalen 5G-Netzes5G-Netzes bestehe darin, dass sensible Produktionsdaten nicht Dritten zur Verfügung gestellt werden müssen. Für diverse Testszenarien am AutomobilAutomobil der Zukunft lassen sich - wie es bei Mercedes heißt - über das 5G-Netz binnen kürzester Zeit enorme Datenmengen (Stichwort: "Data Shower") verarbeiten. Hierfür liefere 5G schnelle Transferraten im Gigabitbereich bei extrem kurzen Latenzzeiten, verknüpft mit einer hohen Zuverlässigkeit. Um dies in der Praxis auch wirklich zu realisieren, wurde die Factory 56 mit mehreren 5G-Small-Cell-Indoor-Antennen sowie einem zentralen 5G-Hub ausgestattet. Alles zu 5G auf CIO.de Top-Firmen der Branche Automobil
Volldigitales Arbeiten in der Factory 56
PDAs statt Papier
Komplett digital arbeiten in dem neuen Werk die Beschäftigten: Entweder mit Monitoren oder mit PDAs. Auf diesen Devices erhält jeder Mitarbeiter die Informationen für seine Arbeiten am Fahrzeug direkt vor ihm. Möglich wird dies durch ein digitales Ortungssystem, das die Informationen zum jeweiligen Fahrzeug an die Devices an der Station übermittelt.
Dazu zählen etwa Informationen zu den Werkzeugen, die ein Beschäftigter für die Montage benötigt. Geändert hat sich auch die Dokumentation der Fertigung - Laufzettel und Ähnliches aus Papier findet man in der Factory 56 nicht mehr. Stattdessen dokumentiert der Mitarbeiter seine Arbeiten digital per Knopfdruck mit seinem PDA.
IoT für vorausschauende Wartung
Des Weiteren ist der größte Teil der Produktionsanlagen IoT-fähig. Die dabei gewonnenen Daten werden strukturiert in Data Lakes gespeichert. Zudem werden sie auf verschiedenen Dashboards visualisiert und mit Hilfe von Big-Data-Technologien analysiert. So lassen sich unter anderem per Predictive Maintenance Anlagenstörungen vermeiden und unvorhergesehene Produktionsstillstandzeiten minimieren.
Virtual und Augmented Reality
Auch digitale Technologien wie Virtual oder Augmented Reality kommen in der Factory 56 zum Einsatz und geben dem Mitarbeiter Hilfe bei der Montage von Bauteilen. Die 360-Grad-Vernetzung erstreckt sich jedoch nicht nur auf die Factory 56 selbst, sondern auch über die Fabrikhallen hinaus auf die gesamte Wertschöpfungskette. In Sachen Logistik dienen im Austausch mit Zulieferern und Transporteuren Tracking- und Tracing-Tools dazu, die Materialströme weltweit digital zu verfolgen. Im Wareneingang werden Lieferungen per RFID erfasst und dokumentiert.
Zudem lassen sich so Materialbewegungen transparent und in Echtzeit nachverfolgen. Per RFID wird zudem der Materialbestand in den Montagehallen überwacht und automatisch Nachschub angefordert. Sogenannte Ladungsträger lesen per RFID-Tag den aktuellen Materialbestand aus und steuern bei Bedarf die Nachlieferung. Gleichzeitig sind die Warenkörbe mit einem RFID-Chip ausgestattet, um die Ablaufprozesse der Warenkörbe automatisiert zu prüfen - so sollen Verwechslungen ausgeschlossen werden. Beim Kommissionieren in den Logistikzonen helfen anzeige- und sprachgestützte Picksysteme wie etwa Pick-by-Light. Den Transport zur Montagelinie übernehmen dann rund 400 Fahrerlose Transportsysteme (FTS).