Rote Karte für Digitalpolitik
Wie lange ist Internet noch Neuland?
Ist es unfair, sich über schlechte Digitalangebote von BehördenBehörden und Bildungseinrichtungen zu beklagen? 70 Prozent haben jedenfalls die Nase voll, denn dass es besser gehen könnte, erleben sie tagtäglich im Homeoffice. In einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag von eco - Verband der Internetwirtschaft e.V. zeigen sich die Befragten unzufrieden mit den digitalen Angeboten in den Bereichen Bildung, Verwaltung und Gesundheitsdienstleistungen. Alles zu Public IT auf CIO.de
Digitale Askese in der Krise
Mehr als Dreiviertel der Befragten (78,6 Prozent) erwarten von der Bundesregierung, einen stärkeren Fokus auf digitalpolitische Themen zu setzen - gerade jetzt in der Coronakrise mit den einhergehenden Kontaktbeschränkungen und Distanzgeboten. Der Anteil der Menschen, die sich vom Bund mehr Engagement in Sachen DigitalisierungDigitalisierung wünscht, ist gegenüber dem Sommer nochmal um rund 13 Prozent gewachsen. Anfang August 2020 hatten bereits 65,4 Prozent der Bürger eine bessere Digitalpolitik angemahnt. Alles zu Digitalisierung auf CIO.de
"Corona hat in vielen Bereichen zu einem Digitalisierungsschub geführt. Gleichzeitig bekommen wir alle aber auch tagtäglich zu spüren, wo es eben noch nicht läuft, wo digitale Technologien zwar helfen könnten, aber aufgrund politischer Versäumnisse nicht zum Einsatz kommen oder nicht zufriedenstellend funktionieren. Besonders schmerzlich sehen wir dies aktuell beim Thema digitale Schule", sagt Verbandssprecher Oliver Süme. Er fragt sich etwa, warum trotz verfügbarer Gelder und Technologien neun Monate nach dem ersten Lockdown immer noch keine brauchbaren digitalen Lernplattformen bereitstehen. Dass dies möglich wäre, zeige beispielsweise die Schulcloud des Hasso Plattner Instituts (HPI).
Nicht nur im Bildungssektor gibt es dem eco zufolge Probleme. Auch in den Bereichen E-Government und im digitalen Gesundheitswesen gehe es zu langsam voran. Es bestehe Anlass zur Sorge, dass die notwendige Implementierung funktionierender digitaler Lösungen nicht mit dem sich täglich zuspitzenden Verlauf der Krise mithalten könne.
"Ein Hauptproblem sind die Plattformen der Bundesländer"
Süme schlägt einen Digitalisierungsgipfel vor, auf dem sich Bund und Länder auf eine unbürokratische und länderübergreifende Strategie zur Verbesserung der digitalen Situation in Deutschland verständigen sollten. Angesichts "der immer ernsteren Pandemie-Situation und der bevorstehenden Verschärfung des Lockdowns" müsse ein digitales Maßnahmenpaket her, das den Menschen im Umgang mit ihren Einschränkungen im täglichen Leben helfe.
Erst vor wenigen Tagen hatte auch der ITK-Branchenverband Bitkom gefordert, dass sich die Bundesländer bei der Digitalisierung zusammenschließen und gemeinsam mit Unterstützung des Bundes die bereits beschlossene nationale Bildungsplattform zügig aufbauen sollten. "Fast ein Jahr nach Beginn der Pandemie sind unsere Schulen noch immer nicht in der Lage, flächendeckend digitalen Fernunterricht anzubieten. Ein Hauptproblem sind die Plattformen der Bundesländer, die den großen Nutzerzahlen vielfach nicht gewachsen sind und unter der Belastung zusammenbrechen", sagte Bitkom-Präsident Achim Berg.
Er kritisierte, dass viele Bundesländer an ihren eigenen Lösungen bastelten, anstatt sich auszutauschen. Es gelte, die Ressourcen und das Know-how der Länder zu bündeln, um ein bundeseinheitliches Angebot zu entwickeln. Darin könnten die bisherige Länderplattformen und die Lösungen privater Anbieter integriert werden. So könne ein deutschlandweit nutzbares digitales Lernsystem entstehen, das individuelles Lernen orts- und zeitunabhängig in allen Altersstufen ermögliche. Länderübergreifende Lernkooperationen würden erleichtert, dennoch könnten länder- und schulspezifische Lehrinhalte und Konzepte ihren Platz finden. Zur Finanzierung der digitalen Bildungsinhalte und Lernsysteme müssten zusätzliche Haushaltsmittel eingeplant werden.
Home-Office: Behörden geben kein gutes Beispiel
Auch in Sachen Home-Office könnten die Behörden laut Bitkom ein besseres Beispiel geben. Die meisten der fünf Millionen Beschäftigten der Öffentlichen Hand könnten auch zu Hause arbeiten, den wenigsten werde es bislang ermöglicht. Dem Verband zufolge verwehrt jede zweite Kommune ihren Angestellten das Arbeiten im Home-Office. Wenn Bund und Länder die Unternehmen verpflichteten, dürften sie die Verwaltung nicht auslassen.
"Hier muss sich die Politik in Bund, Ländern, Städten und Gemeinden an die eigene Nase fassen", schreibt der Verband. Einige Behörden hätten bewiesen, dass es geht. Sie hätten frühzeitig die Digitalisierung ihrer internen Prozesse in Angriff genommen haben und deshalb relativ schnell und weitreichend auf Home-OfficeHome-Office umstellen können. Alles zu Home Office auf CIO.de