Windows 11 im Test
Florian Maier beschäftigt sich mit diversen Themen rund um Technologie und Management.
Seit dem 5. Oktober können sich Windows-10-Benutzer dafür entscheiden, auf Windows 11 zu aktualisieren. Diese Entscheidung sollten Sie allerdings sorgfältig abwägen. Um Sie dabei zu unterstützen, haben unsere IDG-Kollegen in den USA Microsofts neues Betriebssystem auf drei PCs getestet:
Microsoft Surface Laptop 3 (Ice Lake) - Windows 11 Pro
Microsoft Surface Pro 7+ - Windows 11 Pro
Microsoft Surface Laptop 4 - Windows 11 Home
Der Testprozess startete mit Windows 11 Insider Build 22000.184 (21H2). Das Ziel: Diese Version bis zum offiziellen Release-Termin zu beobachten.
Windows 11 Update: Pro vs. Home
Windows 11 wird - für die private Nutzung - in zwei verschiedenen Editionen angeboten:
Windows 11 Pro und
Windows 11 Home
Beide Editionen werden jeweils nur einmal pro Jahr - statt wie bisher zweimal - wichtige Funktionsupdates erhalten. Die funktionalen Unterschiede zwischen Home- und Pro-Version scheint Microsoft von Windows 10 übernommen zu haben: Funktionen wie BitLocker-Verschlüsselung, Hyper-V-Virtualisierung, Remote-Desktop-Verbindungen oder Windows Sandbox bleiben auch bei Windows 11 der Pro-Edition vorbehalten.
Zwar haben wir im Test die Remote-Desktop-Verbindung von Windows 11 nicht ausprobiert, können aber bestätigen, dass Hyper-V im Allgemeinen funktioniert. Windows 11 war nicht in der Lage, eine Ubuntu-ISO zu finden, die Hyper-V heruntergeladen hatte, öffnete und installierte ein gespeichertes Windows-10-Build aber problemlos. Windows Sandbox bietet ein raffiniertes - wenn auch vermutlich wenig genutztes - virtualisiertes Betriebssystem, das Sie beispielsweise nutzen können, um die dunklen Ecken des World Wide Web zu durchforsten. Die Gründe, Windows 11 Pro der Home-Version vorzuziehen, sind also die gleichen wie bei Windows 10 (Pro).
Der einzige "neue" Grund, Windows 11 Pro in Betracht zu ziehen: Nur diese Edition erlaubt vom Start weg lokale Konten, die Microsoft jetzt Offline-Konten nennt. Im Fall von Windows 11 Home müssen Sie sich zunächst mit einem Microsoft-Konto anmelden - dazu später mehr. Windows-10-Home-Benutzern, die bereits lokale Konten verwenden und nichts mit einem Microsoft-Konto zu tun haben möchten, bleibt scheinbar kein anderer Weg, als zunächst ein kostenpflichtiges Update auf Windows 10 Pro und anschließend auf Windows 11 Pro zu absolvieren.
Windows 11 installieren: Der Einrichtungsprozess
Unsere Test-PCs nutzten ein In-Place-Upgrade, um Windows 11 zu testen. Wir haben also den Windows-11-Installationsprozess oder die "Out of the Box Experience" wie Microsoft es nennt, nicht vollständig erlebt. Stattdessen haben wir die ISO-Datei von Windows 11 über eine virtuelle Maschine installiert, um zu sehen, wie dieser Prozess abläuft.
Im Allgemeinen ist die Installation von Windows 11 der von Windows 10 sehr ähnlich, allerdings mit einem optimierten Installationsprozess. So hat Microsoft zum Beispiel die Optionen zur Installation von Microsoft 365, Cortana und Your Phone während des Setup-Prozesses entfernt - zumindest in unserem. Da Microsoft schon seit längerem mit personalisierten Einrichtungsprozessen experimentiert, könnte Ihrer möglicherweise auch anders aussehen.
Die wichtigste Änderung ist die Abschaffung lokaler oder Offline-Konten aus Windows 10 Home. Rechner mit Windows 11 Home müssen mit einem Microsoft-Konto eingerichtet und verwaltet werden. Dennoch können lokale Konten für zusätzliche Benutzer später hinzugefügt werden. Um lokale Konten als Teil der Ersteinrichtung zu aktivieren, müssen Sie jedoch Windows 11 Pro installieren - entweder über ein In-Place-Upgrade von Windows 10 oder eine Neuinstallation. Während des Setup-Prozesses werden Sie aufgefordert, Ihre Microsoft-Kontoinformationen einzugeben. Klicken Sie stattdessen einfach auf den Link "Anmeldeoptionen". Auf der nächsten Seite haben Sie die Möglichkeit, sich mit einem Offline-Konto anzumelden.
Der von Windows 10 bekannte Router-Trick ist verschwunden. Windows 11 Home erlaubt Ihnen nicht, ohne Netzwerkverbindung fortzufahren und auch nicht, den Anmeldebildschirm für das Konto zu überspringen. Windows 11 Pro hingegen schon. Zwar "toleriert" Windows 11 lokale Offline-Konten, Sie dürfen aber mit zahlreichen kleinen Aufforderungen rechnen, zu einem Microsoft- beziehungsweise Online-Konto zu wechseln. Es steht Ihnen frei, mit einem Offline-Konto online zu gehen - einzige Einschränkung: Verknüpfte Microsoft-Dienste wie OneDrive sind dann nicht verfügbar.
Wie lange es dauert, Windows 11 zu installieren, hängt von einigen Faktoren ab - unter anderem von:
Upgrade- oder Neuinstallationsprozess,
der Geschwindigkeit des Rechners,
ob dieser über eine SSD oder Festplatte verfügt und
wie schnell die Internetverbindung ist.
Die Installation von Windows 11 auf einer neuen virtuellen Maschine dauerte im Test in etwa 25 Minuten - einschließlich Neustart und Updates. Den Installationsprozess selbst nutzt Microsoft geschickt als Gelegenheit, um Anwender mit einigen der wichtigsten neuen Funktionen von Windows 11 vertraut zu machen. Darüber hinaus steht auch eine Einführungs-App zur Verfügung, die überraschend gut ist. Hilfestellungen gibt es in Windows 11 en masse.
Schließlich gibt es noch eine interessante Option, die Sie in Windows 11 nutzen können: Die Gerätenutzung, die über die Einstellungen-App gesteuert wird. Sie können einen oder mehrere Anwendungsfälle für Ihren PC auswählen, zum Beispiel Gaming. Je nach Wahl schlägt Microsoft Apps und Tipps vor. In bestimmten Fällen, werden Anwendern dann möglicherweise auch spezielle Angebote präsentiert, zum Beispiel der zeitlich begrenzte Zugang zu Inhalten oder Spielen.
Windows 11 im Test: Neuerungen auf dem Prüfstand
Taskleiste & Startmenü
Eine der wichtigsten Änderungen an der Benutzeroberfläche von Windows 11 springt direkt nach der Installation ins Auge: Das neue Startmenü und die Taskleiste. Beide fühlen sich leider wie ein Rückschritt an, sie berauben die Nutzer um einige Funktionen und sind aus Sicht der Tester nicht besonders ansprechend gestaltet.
Nehmen wir zum Beispiel die Taskleiste: Der erste Blick in Windows 11 fällt auf eine Reihe attraktiver, minimalistischer Symbole, die am unteren Rand des Bildschirms zentriert sind. User können die Taskleiste zwar ausblenden, aber weder ihre Größe ändern noch sie an eine andere Stelle des Bildschirms verschieben. Das kann bei Bildschirmen mit niedrigem DPI-Wert, wie sie vor allem in günstigeren Laptops zu finden sind, zu einem Ärgernis werden.
Mit Windows 11 entfällt auch die Möglichkeit, Labels anstelle von Taskleistensymbolen zu verwenden. Das Sytem zwingt den Nutzer also, sich auf die neuen Symbole einzulassen und sich zu merken, was sie bedeuten. Ein weiteres kleines Ärgernis: Die Uhr wird nur auf dem primären Bildschirm in der Taskleiste angezeigt, ebenso Benachrichtigs- und Aktionscenter. In Sachen Taskleiste müssen User künftig zudem auf die Drag-and-Drop-Funktionalität von Windows 10 verzichten.
Neu ist auch die Platzierung des Startmenüs. Die Symbole der Windows-11-Taskleiste sind standardmäßig mittig ausgerichtet und dehnen nach links und rechts aus, wenn User neue Anwendungen hinzufügen. Das Symbol für das Startmenü erscheint jetzt links von den Symbolen und überfordert damit manches Windows-Hirn, das den Cursor automatisch in die linke untere Ecke bewegt, um das Startmenü aufzurufen. Bei Windows 11 muss man nun danach suchen. Fairerweise muss erwähnt werden, dass Anwender Windows 11 so konfigurieren können, dass die zentrierten Anwendungen in der Taskleiste nach links verschoben werden, so dass das Startsymbol wieder an seiner gewohnten Position erscheint. Das ist jedoch nicht die Standardeinstellung.
Über Bord geworfen hat Microsoft seine vielen User-Interface-Anpassungen für den Tablet-Modus. Auf einem Windows 11 Tablet werden die Taskleistensymbole einfach automatisch etwas weiter auseinandergezogen, um die Touch-Interaktion zu erleichtern. Windows 11 zeigt außerdem ein kleines Tastatursymbol in der Taskleiste an.
Was das Design des Startmenüs angeht, sind die Zeiten des aus Windows 10 bekannten, lebendigen und konfigurierbaren Kachel-Looks vorbei. Stattdessen übernimmt Windows 11 den eher schlichten Look von Windows 10X, dem vermeintlichen Chromebook-Killer (im Mai eingestellt).
Das Startmenü von Windows 11 wirkt wie eine Sammlung ziemlich simpler Symbole, die scheinbar zufällig angeordnet sind - mit einer Liste der neuesten Dokumente am unteren Rand. Innerhalb des Startmenüs öffnen zwei kleine Schaltflächen eine alphabetisch geordnete Liste von Apps und eine längere Liste von Dokumenten in einem separaten Fenster. Microsoft hat auch ein Suchfeld oben im Startmenü platziert. Das alles wirkt ein bisschen uninspiriert - wie Architektur aus den 1970er Jahren.
Auch funktional fühlt sich das Startmenü von Windows 11 im Test schlechter an als das des Vorgängers. Während die angehefteten Apps am oberen Rand des Startmenüs zumindest manuell verschoben werden können, ist es in Windows 11 nicht möglich, sie alphabetisch zu ordnen, zu gruppieren oder in Ordnern abzulegen wie unter Windows 10. Umständlich ist auch, dass installierte Anwendungen nur über das Überlaufmenü "Alle Apps" und nicht direkt per Rechtsklick zur Taskleiste hinzugefügt werden können.
Aktions- und Benachrichtigungscenter
In Windows 10 ist die untere rechte Ecke des Bildschirms als Aktionscenter bekannt, und jedes kleine Symbol ist klickbar. Nicht so in Windows 11: Hier werden die Symbole in zwei klickbare Schaltflächen gruppiert, die sichtbar werden, wenn Sie mit der Maus darüberfahren. Links von diesen Symbolen befindet sich das Überlaufmenü der Taskleiste, das Symbole wie OneDrive, Windows-Sicherheit und andere hinter einem Caret-Menü verbirgt. Wie Sie vielleicht schon aus dem Kapitel Taskleiste wissen, sind Benachrichtigungs- und Aktionscenter nur über die primäre oder aktive Anzeige zugänglich.
In Windows 10 verbirgt das Aktionscenter alle möglichen nützlichen kleinen Funktionen. Bei Windows 11 wurden diese auf Wi-Fi und Bluetooth, Flugmodus, Stromsparmodus, Fokussierungshilfe und Barrierefreiheit reduziert. Weitere Funktionen wie Nearby Sharing oder ein Nachtlicht können manuell hinzugefügt werden.
Das Benachrichtigungscenter bietet eine Übersicht über neue E-Mails, anstehende Besprechungen und so weiter. Das ist deutlich sinnvoller organisiert als bei Windows 10. Das kann aber auch daran liegen, dass ein Kalender ohne Funktion (abgesehen von der Datumsanzeige) den Platz für die Benachrichtigungen reduziert und Microsoft so zum Sparen zwingt.
Einstellungen
Wie Microsoft die Schaltflächen in der Windows-Oberfläche verteilt, um die Benutzer auf Überlaufmenüs im Startmenü zu verweisen, ist gewöhnungsbedürftig. Im neu gestalteten Einstellungsmenü bringt Microsoft die Schaltflächen, Dropdown-Menüs und die Breadcrumb-Navigation besser zur Geltung, so dass User einfach vor- und zurück navigieren können. Das ist auch nötig, denn die Einstellungen sind bei Windows 11 besonders umfangreich. An manchen Stellen kann es zu viel werden, wenn man sich durch die verschiedenen Menüebenen kämpft. Ein Suchfeld oben links, das bei der Eingabe dynamische Ergebnisse generiert, hilft hier weiter.
Die übergreifende Einstellungs-Indexseite von Windows 10 fehlt im neuen System, wodurch ein zusätzlicher Klick entfällt. Das Einstellungsmenü von Windows 11 verbirgt kleine Leckerbissen wie den Spielmodus, eine Funktion, mit der Windows störende Aufgaben während des Zockens aufschiebt (einschließlich Windows-Updates und Neustarts) und die Bildwiederholrate standardmäßig glättet. Letztere Funktion haben wir in Windows 11 noch nicht getestet, aber in Windows 10 war sie manchmal von unschätzbarem Wert. Lob verdient die visuelle Darstellung des Akkuverbrauchs in Windows 11, die den Kommandozeilenbefehl powercfg /batteryreport als grafisches Reporting reproduziert. Hier versteckt sich übrigens auch der Leistungsschieberegler.
Suche & Cortana
Zur Einführung von Windows 10 fanden Nutzer den Sprachassistenten Cortana neben einem speziellen Suchfeld, mit dem sie sowohl Ihren PC als auch das Internet durchsuchen konnten. In den letzten sechs Jahren hat Cortana an Bedeutung verloren und wurde zu einer halbfunktionalen App degradiert, die eigentlich nicht mehr viel kann. Unter Windows 11 ist Cortana nicht einmal mehr eine angeheftete App.
Stattdessen hat Microsoft scheinbar wahllos Suchleisten auf der Oberfläche von Windows 11 verstreut: Es gibt ein Suchsymbol in der Taskleiste, ein Suchfeld oben im Startmenü und ein weiteres oben im neuen Widgets-Fenster, auf das wir noch zu sprechen kommen. Nur die ersten beiden durchsuchen Ihren PC - die zweite durchsucht nur das Web und verwendet dazu standardmäßig Bing. Dabei spielt es keine Rolle, ob Sie die Such-App oder das Startmenü verwenden oder sogar das Suchfeld, das erscheint, wenn Sie mit der Maus über das Suchsymbol in der Taskleiste fahren. Sie landen auf jeden Fall in der Such-App.
Die Suche an sich leistet gute Arbeit und listet relevante Anwendungen, Dokumente, Web-Ergebnisse und mehr auf. Sie läuft dynamisch, beginnt also während der Anwender etwas eintippt, was den gesamten Prozess beschleunigt. Dennoch wirkt der Suchprozess nicht wie aus einem Guss.
Neben dem Suchsymbol befindet sich die Aufgabenansicht, die sich im Vergleich zu Windows 10 nicht wesentlich verändert hat. Was in der Task-Ansicht nicht enthalten ist, ist die Timeline-Funktion, mit der Sie verwendete Dokumente und aufgerufene Webseiten nachvollziehen können, um bei der Arbeit mit mehreren PCs dort fortzufahren, wo Sie aufgehört hatten. Die Zeitleiste bleibt im gemeinsamen Browserverlauf von Microsoft Edge einigermaßen erhalten - aber die wenigsten Internetsurfer verwenden Edge.
Teams Chat
Nach der Einstellung von My People ist Microsofts neuester Versuch, User über ihren PC mit Gesprächspartnern zu verbinden, der Teams Chat. Er befindet sich in der Taskleiste direkt neben dem Ordner-Symbol im Datei-Explorer. Vorneweg: Dieses Feature ist langsam und unnötig. Sie sollten sich zweimal überlegen, ob Sie diese Funktion nutzen wollen.
Teams Chat setzt voraus, dass Sie Ihr Privatleben über die persönliche Microsoft Teams Experience verwalten - dazu brauchen Nutzer eine separate mobile App. Während der Einrichtung fordert diese App den User auf sich anzumelden und das eigene Microsoft-Konto mit allen Outlook.com- und Skype.com-Kontakten zu verbinden. Anschließend steht Anwendern eine Teams-ähnliche Oberfläche zur Verfügung, um Chats oder Videoanrufe zu starten. Wenn Sie ein zweites Mal auf das Chat-Symbol klicken, wird eine Liste mit häufig genutzten Kontakten angezeigt, inklusive Verknüpfungen für Chats und Videoanrufe.
Der Übergang vom Chat-Symbol zum vollwertigen Teams-Erlebnis dauerte mehrere Sekunden und weckt in mehrfacher Hinsicht Bedenken. So kann Ihnen nun jeder, der die mit Ihnen verknüpfte E-Mail und/oder Telefonnummer hat, Nachrichten schicken - es gibt keine globale "Bitte-nicht-stören"-Funktion und Sie können Ihr Profil in Teams auch nicht einfach löschen, um nicht mehr gefunden zu werden. Sie können lediglich Ihre E-Mail-Adresse oder Telefonnummer aus Ihrem Microsoft-Konto entfernen.
Warum muss man die mobile App herunterladen, um seine Teams-Präsenz zu verwalten? Es erscheint seitens Microsoft auch etwas arrogant zu erwarten, die Nutzer würden ihre etablierten Messaging-Apps zugunsten von Teams aufgeben. Das könnte Teams Chat letztendlich auch zum Verhängnis werden.
Widgets
Widgets gehören zu den wichtigsten Neuerungen in Windows 11. Es handelt sich dabei um ein großflächiges Overlay mit Nachrichten und Informationen, das sich mit einem Klick auf das Taskleistensymbol von der linken Bildschirmseite aus entfaltet. Wie viele andere Dinge bei Windows 11 lässt sich auch die Größe der Widget-Fenster nicht verändern.
Was das Konzept der Widgets angeht, sind wir hin- und hergerissen. Einerseits kann die Übersicht über tagesaktuelle Nachrichten, Kalender, Windows-Tipps, Fotos und vieles mehr unterhalten und informieren. Andererseits mutet es seltsam an, dass Microsoft diesen Bereich, der dem alten Windows-10-Kachelmenü noch am nächsten kommt, in dieser Ecke von Windows 11 versteckt. Der Grund dürfte darin liegen, dass Widgets aus Sicht der Benutzer auch eine unliebsame Ablenkung sein können. Widgets in Windows 11 lassen sich sowohl hinzufügen als auch entfernen.
Explorer & SnapView
Die Navigation mit dem Datei-Explorer in Windows 11 fühlt sich im Test so an, als hätte Microsoft die User-Wünsche eher ignoriert und stattdessen lieber hineingepackt, was eben möglich war. Erinnern Sie sich an Windows Sets, die Registerkarten-Oberfläche aus dem Jahr 2017, die den Datei-Explorer, Mail, Edge und mehr umfasste? Die Benutzer wollten die Sets-Oberfläche zwar nicht, rufen aber seit Jahren nach einem Datei-Explorer mit Registerkarten. Daraus ist auch mit Windows 11 nichts geworden. Die Fensterorganisation des Datei-Explorers bleibt weitgehend gleich.
Microsofts Datei-Explorer und andere Shell-Apps weisen nun abgerundete Ecken und die Fluent-Design-Prinzipien auf. Der Hersteller hat auch einige der Systemsymbole überarbeitet, so dass Windows 11 optisch frisch und modern anmutet. An dieser Stelle ist es mit den Designverbesserungen von Windows 11 aber leider auch schon wieder vorbei.
Windows 11 fügt dem Datei-Explorer eine Reihe von Shortcut-Symbolen hinzu, die selbst nach wochenlanger Nutzung des Betriebssystems nicht intuitiv von der Hand gehen. Ein Rechtsklick auf eine Datei blendet die UI-Verknüpfungen ganz oben im Menü ein, wo sie per Mouseover überflogen werden können. Aber die Option zum Umbenennen einer Datei erscheint nur noch als Symbol. Oder User scrollen weiter nach unten, um weitere Optionen anzuzeigen und eine zweite, erweiterte, Windows-10-ähnliche Spalte mit Menüoptionen aufzurufen. Im Test entsteht so der Eindruck, als wäre Windows 11 einfach irgendwie über Windows 10 gestülpt worden.
Lob verdient Microsoft hingegen für die erweiterten Snap-Ansichtssymbole, die angezeigt werden, wenn Sie mit dem Mauszeiger über die Verknüpfungen zum Maximieren von Fenstern in den oberen rechten Ecken der Fensterbereiche fahren. Mit Windows Snap können Sie ein Fenster an den Rand oder in die Ecke des Bildschirms ziehen; es wird dann automatisch so erweitert, dass es in diesen Quadranten passt, so dass Sie bis zu vier Fenster auf Ihrem Bildschirm übersichtlich organisieren können. In Windows 11 haben Sie mehr Möglichkeiten: dünne Spalten, breite Spalten und vieles mehr. Snap ist im Wesentlichen eine vereinfachte Version der App "Fancy Zones" aus Microsofts Power Tools, aber nichtsdestotrotz eine nützliche Ergänzung für die Windows-11-Benutzeroberfläche.
Das Verhalten von Windows 11, wenn ein Laptop oder Tablet abgedockt oder ein zweiter Monitor angeschlossen wird, hat sich im Vergleich zum Vorgänger ebenfalls drastisch verbessert. Das Fensterchaos nach dem erneuten Andocken ist Geschichte, Windows 11 merkt sich die Platzierung der Fenster und ordnet sie automatisch wieder richtig an.
Edge und das Browser-Problem
Wäre Microsoft Edge der dominierende Browser im PC-Ökosystem, wäre Microsofts Vorgehen in Sachen Windows 11 als monopolistisch zu bezeichnen. Unter den aktuellen Voraussetzungen hinterlässt die Konzernpolitik in Sachen Browser einmal mehr einen mindestens schalen Beigeschmack.
Microsoft Edge ist jetzt vom Betriebssystem entkoppelt, es gibt daher keine großen Verbesserungen des Browsers im Rahmen von Windows Updates. Der Internet Explorer ist ebenfalls verschwunden, es sei denn, er wird innerhalb von Edge in Form des "Internet Explorer Mode" ausgeführt. Edge ist ohnehin der Standardbrowser von Windows 11, und das ist auch gut so. Der Microsoft Browser läuft auf Chromium-Basis, akzeptiert Chrome-Plug-ins, funktioniert reibungslos und effizient.
Aber es gibt viele hervorragende Browser auf dem Markt und absolut keinen Grund, diese nicht zu verwenden. Das gestaltet Microsoft jetzt weitaus schwieriger als nötig. Im Einstellungsmenü von Windows 11 müssen Sie für jeden Dateityp eine Standardanwendung angeben: HTML, WebP, XHT, HTTPS und so weiter. Es gibt einfach keine Option oder ein Kontrollkästchen, um alles auszuwählen. Überraschenderweise neigt man beinahe dazu, sich diesen Klickaufwand sparen zu wollen und gleich beim Edge-Browser zu bleiben...
Microsoft Store
Der Microsoft Store hat sich jahrelang unvollständig angefühlt, und auch die optisch gelungene Überarbeitung ändert nicht viel daran. Der Microsoft Store dient als Update-Center für alle integrierten Windows-Apps sowie für Anwendungen, die Sie im Store gekauft haben. Immerhin ist der Store nun besser organisiert, mit attraktiven, dynamisch aktualisierten Texten am Anfang jedes Bereichs: Home, Apps, Spiele und Filme und TV. Dennoch wirkt er ein wenig leblos. Im Bereich Apps zeigt sich, wie gering die Anzahl der Apps im Microsoft Store immer noch ist. Es gibt viele Aspekte, die Microsoft - abseits der Benutzeroberfläche - an seiner Store-App verbessern müsste.
Bordmittel-Update
Stolz ist Microsoft auf seine neue Windows-Uhr, die nun Focus Sessions nutzt und dazu die sogenannte Pomodoro-Technik nutzt. Anwender sollen in der hybriden Arbeitswelt dabei unterstützt werden, konzentrierte Arbeitsphasen mit Entspannungsphasen zu kombinieren. Je mehr Microsoft darüber weiß, desto besser wird der User unterstützt, zum Beispiel mit Task-Manager-Hinweisen oder zugeschalteter Spotify-Musik, die inhaltlich passt. Schön wäre es, wenn Focus Sessions automatisch den Focus Assist von Windows auslösen würden, der Benachrichtigungen automatisch blockiert. Insgesamt tastet sich Microsoft hier aber in die richtige Richtung vor.
Die aktualisierte Windows-Fotos-App bleibt Teil des Windows 11 Insider Dev Channel und ist in der von uns getesteten Release-Version von Windows 11 nicht enthalten. Es scheint, als sei die wichtigste Änderung eine Reihe von Miniaturbildern am unteren Rand der App, um die Bildauswahl zu erleichtern. Auch Paint lebt in Windows 11 weiter - mit einer neu gestalteten, intuitiven Oberfläche. Im Laufe der Zeit dürften weitere Updates und Überarbeitungen der internen Windows-Apps folgen.
Windows 11 bietet auch eine etwas verbesserte Art der Interaktion mit Apps: die Möglichkeit Sprache zu diktieren, die es in Windows schon seit Jahren gibt, wurde erneut verbessert. Die Tastenkombination Win+H öffnet das Diktiermikrofon, das in Windows 11 eine zusätzliche Option für KI-gesteuerte Interpunktion enthält. Die Transkriptionsgenauigkeit von Windows 11 liegt auf Augenhöhe mit der Konkurrenz.
Für die App "Your Phone" verdient Microsoft ebenfalls Lob. Wenn Ihnen nicht gefällt, was Microsoft mit seiner Teams-Chat-App auf dem Windows-11-Desktop veranstaltet, können Sie einfach Ihr Android-Telefon mit Ihrem PC verbinden und über diese App Anrufe tätigen und Texte senden. Samsung-Telefone (und das Surface Duo) profitieren dabei von einer verbesserten Funktionalität. Mit der Your-Phone-App können Sie auch Android-Apps vom Telefon an die Taskleiste und das Startmenü Ihres Windows-11-PCs anheften. Eine nette Überbrückung, bis das vielgepriesene Feature der Android-Apps unter Windows 11 kommt.
Terminal statt PowerShell
Windows verfügt über drei (!) Kommandozeilen-Dienstprogramme: CommandPrompt, PowerShell und Terminal. Die Programme basieren aufeinander, wobei Terminal (eingeführt 2019) das leistungsstärkste ist. Alle drei Utilities sind in Windows 11 vorhanden - im Grunde brauchen Nutzer aber nur Terminal. Damit können sie zusätzliche Registerkarten erstellen, in denen sich CommandPrompt, PowerShell oder andere Programme öffnen lassen. An dieser Stelle drängt sich die Frage auf, warum der Datei-Explorer das eigentlich nicht kann.
Vielleicht fragen Sie sich auch, warum Sie überhaupt ein Kommandozeilen-Tool nutzen sollten. Zum einen gibt es dort immer noch viele Befehle, die Ihnen das Leben leichter machen. Zum anderen ist eine Möglichkeit, eine (vereinfachte) Version des Linux-Betriebssystems über das Windows-Subsystem für Linux zu erkunden. Microsoft ist nun zum Windows Subsystem for Linux 2 (WSL2) übergegangen. Es gibt sogar einen vereinfachten Befehl, den Microsoft zu WSL2 hinzugefügt hat:
wsl.exe --install
WSL2 ist vor allem eine Kuriosität, da die meisten Linux-Apps ein Windows-Pendant haben. Wenn Sie jedoch schon immer einmal mit Linux spielen wollten, bietet WSL2 in Windows 11 eine gute Möglichkeit dazu.
DirectStorage & AutoHDR
Auch unter Haube des Microsoft-Betriebssystems hat sich mit Windows 11 einiges getan. Laut Microsoft soll Windows 11 deutlich besser performen als sein Vorgänger. Unsere ersten Leistungs-Benchmarks von Windows 11 zeigen aber, dass die Unterschiede zu Windows 10 minimal sind. In der Praxis fühlt sich Windows 11 sogar weniger reaktionsschnell und schwerfälliger an als Windows 10. Im Test gab es gewisse Verzögerungen beim Start von Anwendungen und Fälle, in denen Edge-Seiten beim Vor- und Zurückblättern ein oder zwei Sekunden zum Laden brauchten. Das widerspricht Microsoft Versprechen von der "Vordergrundpriorisierung". Ein schicker Name dafür, dass man den Apps, mit denen man arbeiten möchte, einen fairen Anteil an CPU- und Speicherressourcen zuweist.
Microsofts Aussagen über die schnellere Wiederaufnahme des Betriebs von Windows-11-Laptops aus dem Ruhezustand sind hingegen zutreffend. Im Test zeigte sich ein deutlicher Unterschied von ein bis zwei Sekunden. Auch "schlafende" Edge-Registerkarten machen einen Unterschied. Wie Sie wahrscheinlich wissen, behalten viele Browser eine Reihe von Registerkarten bei, wenn sie geschlossen werden, so auch Microsoft Edge. Im Test schlossen wir ein Fenster mit 35 Registerkarten und starteten Edge neu. Die meisten Registerkarten wurden im Ruhezustand geöffnet und verbrauchten keine Ressourcen. Für diese 34 Registerkarten wurden 1,47 GB Arbeitsspeicher benötigt. Nachdem alle Registerkarten in einen aktiven Zustand versetzt waren, benötigten sie 4,07 GB.
Windows 11 enthält auch einige Verbesserungen, die nicht in einer bestimmten Anwendung erscheinen. Dazu gehören sowohl allgemeine Leistungsverbesserungen als auch neue Funktionen wie DirectStorage, Dynamic Refresh Rate und AutoHDR.
DirectStorage (und Nvidias RTX IO) ermöglicht, dass NVMe-SSDs Daten direkt an den dedizierten VRAM der Grafikkarte senden und den üblichen Weg über die CPU und den allgemeinen Systemspeicher umgehen. Microsoft hat DirectStorage bereits auf seiner Spielkonsole Xbox Series X implementiert. Laut Microsoft soll Windows 11 am Release-Tag DirectStorage unterstützen. Allerdings müssen auch die Spieleentwickler das DirectStorage SDK unterstützen - bislang sind keine entsprechenden Games für Windows 11 angekündigt. Darüber hinaus gibt es auch auf Nutzerseite eine weitere Hürde: DirectStorage erfordert eine NVMe-SSD mit mindestens einem Terabyte Speicherplatz.
Die Dynamische Bildwiederholfrequenz ist eine weitere neue Funktion von Windows 11, die speziell für den Einsatz eines Stiftes konzipiert ist. Dieses Feature ermöglicht bei Bedarf ein flüssigeres Ink-Erlebnis, indem es die Bildwiederholfrequenz variabel steuert, was auch Energie spart. Eine ganz ähnliche Technologie mit variabler Bildwiederholfrequenz ist Nvidias G-Sync - seit Jahren fester Bestandteil von Gaming-PCs.
AutoHDR wird auf PCs dasselbe tun, wie auf Xbox Series X und S: Per KI bekommen Spiele High-Dynamic-Range-Fähigkeiten, die nicht speziell für HDR kodiert wurden. Dabei handelt es sich um eine visuelle Verbesserung, die etwa den Weißabgleich des Bildschirms anhebt, wenn eine Figur aus der Dunkelheit ins helle Sonnenlicht tritt. Zusätzlich zu Windows 11 benötigt Ihr PC einen HDR-fähigen Grafikprozessor und auch einen Bildschirm, der HDR unterstützt. Um die Vorteile von AutoHDR bei älteren Spielen zu erkennen, müssen Sie schon sehr genau hinsehen - aber die Funktion ist ein netter visueller Bonus, den Spieler mit Windows 11 kostenlos erhalten.
Windows 11 im Review: Das Testurteil
Microsoft hat mit Windows 11 tief im Inneren des Systems vieles verbessert, doch für den Nutzer sichtbar sind eher die weniger gelungenen Aspekte. Zwar sind die Bemühungen um eine optische Auffrischung anerkennenswert, funktional liegt aber einiges im Argen. Man stellt sich unwillkürlich die Frage, warum Microsoft in Startmenü und Taskleiste unter Windows 11 Funktionen abbaut, gleichzeitig aber vergleichsweise nutzlose Anwendungen wie Widgets und Teams Chat hinzufügt.
Die Funktionen, die Windows 11 unserer Meinung nach lohnenswert machen - Android-Apps, DirectStorage oder AutoHDR - sind entweder mit spezifischen Hardwareanforderungen verbunden oder schlichtweg noch nicht verfügbar. Die Kontroversen um die Systemanforderungen und die Probleme mit lokalen Konten bei Windows 11 Home machen die Sache auch nicht besser.
Windows 11 ist in seinem jetzigen Zustand immerhin brauchbar und wird sich, wie Windows 10, mit der Zeit verbessern. Es gibt bereits Anzeichen dafür, dass Microsoft bei bestimmten Aspekten wie der Drag-and-Drop-Funktion der Taskleiste einen Rückzieher machen könnte. Mit Windows 10 hatte Microsoft die problematische Kacheloberfläche von Windows 8 über Bord geworfen und ist kühn in eine optimistische Zukunft mit biometrischen Logins und virtuellen Assistenten vorgestoßen. Windows 11 fühlt sich zwar praktisch und produktiv an, in vielerlei Hinsicht aber weniger gut als sein Vorgänger.
In jedem Fall ist Windows 11 ein polarisierendes Upgrade, auf das viele Benutzer wahrscheinlich erst einmal verzichten werden. Vor allem, weil Windows 11 auf eine wichtige Frage, die sich jeder Benutzer stellen sollte, keine überzeugende Antwort geben kann: Wozu brauche ich das?
Pro:
frischer neuer Look
Erstinstallation flüssig und zweckmäßig
nutzwertiges Einstellungsmenü
schön überarbeiteter Store
mehr Organisationsoptionen mit Snap View
informative Widgets
Contra:
überarbeitete Taskleiste und Startmenü bringen keine Vorteile
Teams Chat unnötig und potenziell aufdringlich
lokale Offline-Konten erfordern Windows 11 Pro
einen Nicht-Microsoft-Browser zu installieren, ist fast schon unverschämt umständlich
mehrere wichtige Funktionen noch nicht vorhanden
das TPM-Problem
Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation PC World.