Delegieren für Chefs
Machen Sie sich überflüssig!
Halten Sie es wie Kaiser Franz Joseph I. von Österreich und stehen Sie um halb vier auf, um die ganze Arbeit zu erledigen? Regen Sie sich häufig über Ihre Mitarbeiter auf, die einfach nicht tun, was Sie sagen? Vielleicht liegt die Überarbeitung daran, dass Sie einfach nicht loslassen können.
Vor allem perfektionistische Chefs wollen alles selbst machen und kein Quäntchen Verantwortung abgeben. Auf Dauer führt das zu Gesundheits-gefährdendem StressStress, demotivierten Mitarbeitern und vor allem zu einer ineffizienten IT-Organisation. Aufträge zu erteilen ist eben nicht einfach. Vor allem bedeutet die Kunst des Delegierens: Stellen Sie Ihr Ego zurück - und machen Sie sich am besten überflüssig. Alles zu Stress auf CIO.de
Perfektionisten tun sich schwer
In Chefetagen findet sich so mancher Perfektionist: "Einige scheuen sich davor, Aufgaben abzugeben, weil sie alles kontrollieren wollen", sagt Führungskräfte-Coach Martina Stauch. Perfektionisten tun sich schwer damit, anderen Aufgaben zu überlassen. "Verantwortung abzugeben ist immer mit Unsicherheit verbunden", bestätigt CIO Carsten Bernhard der TUI Deutschland GmbH. Wer delegiert, muss offen dafür sein, dass es auch andere Lösungen als die eigene gibt. Das fällt nicht jedem leicht - zeichnet aber einen guten Chef aus.
Auf lange Sicht hält kein Entscheider die Vollverantwortung aus. "Delegieren ist essenziell", sagt Dirk Bingler, Sprecher der Geschäftsführung der GUS Deutschland GmbH, einem Anbieter von ERP-Anwendungen. Gerade in der IT muss ein Führungsverantwortlicher so viele Einzelaufgaben wie möglich abgeben: "Führungskräfte sind aus meiner Sicht eher Coach und nicht mehr der größte fachliche Entscheider", sagt CIO Bernhard. Für einen CIO ist es schlicht unmöglich, über jedes Spezialgebiet gleich gut Bescheid zu wissen. "Die Entscheidung muss nach unten delegiert werden, zu den Fachabteilungen, die das Wissen haben", sagt der TUI-CIO.
Ein guter IT-Leiter sollte sich von dem Gedanken verabschieden, in jedem Thema perfekt eingearbeitet zu sein: "Das trennt den Leader vom Manager. Ein Leader kann delegieren, ein Manager bleibt eher im Klein-Klein des Tagesgeschäfts hängen", sagt Coach Stauch. Gerade wenn es um Strategiethemen geht, muss ein Entscheider aber den Kopf frei haben. Denn das, rät Stauch Neulingen, dürfen Chefs auf keinen Fall abgeben: "Alles, was mit Strategie zu tun hat, sollte man nicht abgeben", so die Expertin.
Ohne Wasser durch die Wüste
Mitarbeiter brauchen richtige Unterstützung, ohne die notwendigen Ressourcen geht sowieso nichts: "Ich kann meinen Leuten nicht sagen, geht durch die Wüste und gebe ihnen gleichzeitig zu wenig Wasser mit", sagt Bingler. "Meine Mitarbeiter brauchen die notwendigen Werkzeuge und Kompetenzen, um das Ziel auch erreichen zu können", sagt Bingler. Und das Ziel sollten sie kennen.
Zielklarheit
Um gut zu delegieren, müssen Entscheider vor allem eines: Klartext reden. Entscheider sollten genau darstellen, was mit der delegierten Aufgabe erreicht werden soll. So hält es auch GUS-Chef Bingler: "Ich gebe keine reinen Anweisungen, sondern versuche darzustellen, was das Ziel der Aufgabe ist", sagt Bingler. "Und ich formuliere klar meine Erwartungshaltung." Dazu gehört, dem Mitarbeiter zu vermitteln, für welches Unternehmensziel die Aufgabe oder das Projekt relevant ist. Wer das Gefühl hat, etwas Sinnvolles zu leisten, ist motivierter.
Mindestens genauso wichtig ist ein detaillierter Zeitplan, meint Coach Stauch. Vor zu viel Planung und Kritteligkeit warnt Chef Bingler jedoch: "Man kann und soll nicht jeden Schritt haarklein vorschreiben. So nimmt man den Leuten die Luft zum Atmen." Ein entspannter Vorgesetzter lässt beim Delegieren Freiräume. Um sicherzugehen, dass der Kollege auf demselben Stand ist, gebe es ein einfaches Rezept, meint Bingler: "Der Mitarbeiter soll in eigenen Worten wiedergeben, wie genau er seine Aufgabe verstanden hat", rät er. "Unklarheiten lassen sich somit direkt ausräumen." Einem Kollegen volle Handlungsfreiheit zu geben, muss nicht immer der richtige Schritt sein: "Nicht alle Mitarbeiter kommen mit zu viel Freiraum klar", sagt Geschäftsführer Bingler. Wie viel man einem Kollegen zutrauen kann, merkt man aber recht schnell.
Regelmäßiges Feedback wichtig
Ein häufiger Fehler im Delegieren sei es, sagt Führungskräftecoach Stauch, dass die Arbeitsschritte zu wenig kontrolliert würden. Ist Delegieren doch nur was für Kontrollfreaks? Nicht doch. "Der Manager muss sich regelmäßig ein Feedback vom Mitarbeiter einholen. Falls der Mitarbeiter die Aufgabe noch nicht ganz richtig umsetzt, kann er ihn rechtzeitig wieder auf die richtige Schiene setzen", sagt Stauch. Zwischen Tür und Angel darf dieser Austausch aber nicht stattfinden. Die Abstimmung braucht Zeit, die sich ein verantwortungsbewusster Chef nehmen sollte.
Immer bleibt das Maß der Kontrolle vom jeweiligen Mitarbeiter abhängig. Erfahrene Kollegen sollte man nicht zu häufig mit solchen Kontrollterminen belasten - sonst verärgert und frustriert ein Chef nur den Kollegen. "Ich habe für längere ProjekteProjekte und große Themen je einen wöchentlichen Jour Fixe eingerichtet", sagt Geschäftsführer Bingler. Das nimmt die Mitarbeiter allerdings nicht aus der Eigenverantwortung. "Ich erwarte, dass sie sich aktiv melden, wenn sie an einem Problem festhängen", sagt Bingler Alles zu Projekte auf CIO.de
Wer delegiert, motiviert
Entscheider sollten das Übertragen von Aufgaben als eine Art Coaching betrachten, meint Beraterin Stauch. "Erst am Übernehmen von Verantwortung kann ein Mitarbeiter wachsen", sagt Stauch. Umgekehrt drückt man seinem Team die Luft ab, wenn man ihm kein Vertrauen schenkt. "In der IT sitzen absolute Experten, die mitgestalten wollen. Je besser ich Aufgaben delegiere, desto zufriedener sind die IT-Mitarbeiter", sagt CIO Bernhard.
Der IT-Leiter der TUI weiß, dass Delegieren ab und an recht mühsam sein kann. "Weil es mehr Zeit braucht, die Mitarbeiter zur Selbstständigkeit zu bringen, gerät man leicht in dieses Hamsterrad der IT, alles kurzfristig selbst zu entscheiden", sagt CIO Bernhard. Schon ist eine Führungskraft der Überlastung nahe. "Mittelfristig kommt man mit gutem Delegieren aus dem Hamsterrad aber wieder raus", sagt Bernhard. Das ist auch absolut notwendig: "Das Ziel einer jeden IT-Führungskraft muss es sein, dass die Organisation quasi Entscheidungen trifft, und zwar dort, wo das Fachwissen sitzt", sagt CIO Bernhard. "Eigentlich muss man sich als IT-Leiter ein wenig überflüssig machen." Schafft es eine IT-Führungskraft nicht, Aufgaben erfolgreich weiterzugeben, landet zu viel auf dem eigenen Schreibtisch. "Das muss ein Alarmsignal sein", sagt CIO Bernhard.
Wenn es schief läuft
Es gibt wohl kaum jemandem, dem nicht schon einmal die Zeit oder das Budget bei einem Projekt außer Kontrolle geraten sind. Das passiert auch, wenn Aufgaben delegiert werden. "Wenn ich sehe, dass etwas aus dem Ruder zu laufen droht, spreche ich die Verantwortlichen direkt darauf an", sagt GUS-Chef Bingler. "Aber man muss auch die Balance finden zwischen Eingreifen und Luft lassen", fügt er hinzu. "Delegieren ist eine stetige Gratwanderung."
Entscheider müssen damit rechnen, dass nicht alles immer glatt geht: "Ich als IT-Leiter muss mir überlegen, wie ich meine Mitarbeiter dahin bringe, selbst zu entscheiden. Ein Kind lernt auch nicht Laufen, wenn ich es nur auf dem Arm trage", sagt CIO Bernhard. "Lernen heißt selber laufen.Auch wenn man dabei manchmal hinfällt." Nach Fehlern zeigen sich die Qualitäten eines guten Chefs, der die Verantwortung übernimmt. Das Team für das Scheitern verantwortlich zu machen? "Das ist falsch. Ich darf mich als Vorgesetzter niemals aus der Verantwortung ziehen", sagt GUS-Chef Bingler.
Delegate and disappear
Einen besorgniserregenden Trend macht Bingler in den letzten Jahren aus: "Immer mehr Führungskräfte delegieren Aufgaben nur noch per Email und koppeln sich dabei von ihrem Team ab", sagt Bingler. "Ich empfinde das als sehr grenzwertig, per E-Mail-Weiterleitung bei seinen Mitarbeitern abzuladen und sich dann nicht mehr weiter darum zu kümmern." Daher kommt auch der englische Ausdruck "Delegate and Disappear", der zu zweifelhaftem Ruhm gekommen ist. Einfachere Aufgaben können ohne Weiteres per E-Mail delegiert werden. Ein paar kurze Sätze an langjährige und eingespielte Mitarbeiter sind kein Problem. "Aber sich nicht ausreichend um sein Team zu kümmern, das ist absolut unprofessionell", sagt Bingler.
Der GUS-Chef setzt lieber auf Gespräche, persönlich oder per Videokonferenz: "Wenn ich im Gespräch sehe, dass der Mitarbeiter zuckt, kann ich darauf sofort reagieren", erläutert Bingler, und setzt hinzu: "Was geschrieben ist, ist geschrieben. Das kann man nicht mehr so einfach abmildern", sagt Bingler. Gerade im Delegieren kann eine unbedachte E-Mail risikoreich sein. Per E-Mail kann ein Chef nicht sicher sein, dass sein Mitarbeiter auch genau weiß, was er tun soll, oder spontane Fragen klären. Selbst bei langjährigen Kollegen besteht Bingler darauf: "Ab und zu muss man sich persönlich sehen", sagt er.
Projekt vorbei - und jetzt?
Das Verteilen von Aufgaben ist nie vorbei, nur ein Projekt endet. Das ist einer der kritischsten Momente für eine Führungskraft, die jetzt guten Stil beweisen kann. "War das Projekt erfolgreich, stellt ein guter Leader das Team in den Vordergrund", sagt Beraterin Stauch. Auch das gehört zum Delegieren. "Läuft es schief, muss er dazu bereit sein, die volle Verantwortung zu übernehmen", sagt Stauch. Nur so kann ein Chef sein Team weiterhin motivieren, gute Leistungen zu erbringen.
Wer partout nicht delegieren kann, sollte sich überlegen, ob er noch weiter an seiner KarriereKarriere basteln sollte. Coach Stauch rät dringend dazu, denn: "Wer nicht delegiert, der zieht sich keinen Nachfolger heran. Wer keinen Nachfolger hat, wird nicht befördert." Nur wer sich überflüssig macht, kann aufsteigen. Alles zu Karriere auf CIO.de