Wenn Mails in Zukunft von Googelmail kommen
Exklusiv-Interview mit Siemens-CIO: "Radikaler denken"
Die IT steht erneut vor fundamentalen Veränderungen - Stichworte Cloud Computing und Software as-a-Service (SaaS). Wie begegnen Sie dem anstehenden Wandel?
Der wesentliche Punkt ist, dass sich der Markt ständig entwickelt und es auch immer wieder neues Potenzial gibt. Es geht hier aber nicht darum, etwas schlechtzureden, was andere vorher geleistet haben, weil sich die technischen Möglichkeiten vor Jahren einfach nicht geboten haben. Man muss lediglich erkennen, dass sich die Gewichte auf der Waage stets neu verteilen, und das ist grundsätzlich eine Chance. Der amerikanische Autor Nicholas Carr predigt seit Jahren, die IT werde zur Commodity.
Welche Konsequenzen hat das für Ihre IT-Organisation?
Die Büro-IT ist zweifellos auf dem Weg zur Commodity. In vielen Bereichen ist sie dort schon angekommen, etwa bei der Nutzung von Web-Mailern wie Googlemail oder Hotmail im Privaten oder Office-Suiten aus dem Netz. Es gibt nur noch geringfügige Evolutionsstufen in den Produkten. Doch es ist eine gravierende Verhaltensevolution in Unternehmen, sich vor Augen zu führen, dass vielleicht Siemens in einigen Jahren seine E-Mails über einen Dienstleister beziehen könnte. Der Trend setzt sich derzeit in der IT-Infrastruktur fort, etwa beim Speicher-on-Demand. Zwar ist das alles momentan im Enterprise-Bereich hauptsächlich Fiktion, doch ich bin fest davon überzeugt, dass sich die Branche in diese Richtung bewegen wird.
Ihre neue CRM-Software beziehen Sie konzernweit ‚as-a-Service‘. Worin liegt der Charme des Bereitstellungsmodells für Siemens?
In Handlungsfeldern ohne Differenzierungspotenzial im Wettbewerb setzen wir verstärkt auf standardisierte Lösungen. Es geht hier nicht mehr um die Frage, sich selber eine konzernweit einheitliche Vorgehensweise zu erarbeiten, weil das viel zu aufwendig und zu teuer ist. Ziel ist es, zwischen künstlichen und geschäftlichen Anforderungen an eine Lösung zu unterscheiden. Viele "künstliche" Anforderungen ergeben sich aus einer Divergenz des Gesamtverständnisses von Business und IT. Bei jeder Anforderung muss letztlich der Zusammenhang herstellbar sein, ob wir dadurch mehr verkaufen oder geringere Kosten haben. Das extensive Customizing der vergangenen Jahre muss man sich abgewöhnen. Hier gilt es, radikaler zu denken. Dabei helfen derartige SaaS-Lösungen ungemein.
Was bedeutet der Sprung auf On-Demand-Software für den Konzern?
Wenn ich den gesamten Aufwand des Application-Managements stärker reduziere, verbessert sich die Kostenseite, und ich helfe dem Unternehmen enorm. Die freien Mittel lassen sich sinnvoller in Themenfeldern allokieren, in denen ich noch etwas bewirken kann. Bei Büro-IT zum Beispiel sind die Effekte sicher gering, aber man muss den Status halten und Kosten durch intelligentere Ansätze begrenzen. Wenn einer meint, dass er da noch einen großen Hebel nutzen und durch Software Aufwände halbieren kann, ist das Unsinn. Das Potenzial ist nicht mehr vorhanden, weshalb die Bereiche ja auch Commodity geworden sind.