Software-Entwicklung
7 Faktoren für garantiertes Scheitern
Matthias Rauber hat sich mit seinem Unternehmen resc-IT GmbH auf die Rettung von IT-Projekten spezialisiert. Er verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung als Projektmanager in traditionellen (Wasserfall) und agilen Projekten.
Faktor 6: Bloß keine ausgewogene Projektorganisation
Ein Team von 20 Entwicklern und 1 fachlicher Ansprechpartner? Es bedarf keines Expertenwissens, um zu erkennen, dass dieses Konstrukt früher oder später scheitern wird. Zu Beginn eines Projektes, egal ob Wasserfall oder agil, mag es noch funktionieren, weil die Entwickler mit Frameworks oder der Einrichtung der Umgebungen beschäftigt sind. Doch sehr bald werden die Mitarbeiter Fragen stellen - intensive fachliche Betreuung benötigen.
Ein einzelner Fachexperte kann diesem zeitlichen und emotionalen Druck niemals standhalten und benötigt Unterstützung, sowohl personell als auch durch den Realisierungsprozess. Allerdings ist es eine sehr schlechte Idee, dem Personalengpass mit der Beschränkung der Kommunikation zu begegnen.
Ebenfalls eine beliebte Idee und ganz weit vorne auf der Skala der typischen Managementfehler: Ein Mitarbeiter sammelt die Fragen der Entwickler, erörtert diese mit dem fachlichen Ansprechpartner und trägt die Antworten wieder zurück. Auf diese Weise erzeugt man einen Flaschenhals par excellence, löst eine extrem hohe Fehlerquote aus und verzögert die Entwicklung maßgeblich. Mein Platz 6 für sicheres Scheitern.
Faktor 7: Den Frosch unbedingt langsam erhitzen
Kennen Sie diese Geschichte? Setzt man einen Frosch in einen Topf mit Wasser und erhitzt dieses kontinuierlich bis zum Kochen, unternimmt der Frosch keinerlei Fluchtversuche. Wirft man ihn direkt in heißes Wasser, springt er sofort heraus.
Eine der für mich wichtigsten Erkenntnisse der letzten Jahre ist, dass Mitarbeiter von IT-Projekten mit fortschreitender Dauer einer zunehmenden Betriebsblindheit verfallen. Einmal etablierte Prozesse werden vielleicht in Retrospektiven hinterfragt, aber selten wirklich einschneidend angepasst. Die Fähigkeit der Menschen auf Veränderungen zu reagieren, schwindet umgekehrt proportional zur Dauer eines Projektes.
Daher ist die sporadische Beleuchtung (Health Checks) von (insbesondere großen) Projekten durch einen externen, bisher nicht involvierten Berater zu empfehlen, um ausgetretene, potenziell nicht zielführende Pfade zu entdecken. Spätestens nach Erkennen einer ausgewachsenen Krise, ist es nahezu unmöglich, alleine mit dem bestehenden Personal den Turnaround zu schaffen. Platz 7.
So kann es sicher gelingen
Die beschriebenen typischen Managementfehler stellen lediglich eine kleine Auswahl meiner persönlichen Hitliste von Verhaltensmustern dar, welche den erfolgreichen Abschluss von SW-Entwicklungsprojekten be- oder gar verhindern. Aus der Distanz betrachtet, könnte der Eindruck entstehen, es sei ein Leichtes, die Probleme zu erkennen und bereits in frühen Stadien der Projekte zu korrigieren. Doch vermeintlich unverrückbare Rahmenbedingungen und die angesprochene Betriebsblindheit erschweren es oftmals, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Die eingangs erwähnten Statistiken der Standish Group beweisen dies Jahr für Jahr.
Ist ein Projekt tatsächlich in Schieflage geraten, empfiehlt sich dringend das Hinzuziehen eines externen Krisenmanagers, der objektiv, frei von Befindlichkeiten und ohne den Ballast einer Projekthistorie analysieren und agieren kann. Allein die Beteiligung eines Sachverständigen, der den Menschen im Projekt zuhört, kann bereits positive Effekte hervorrufen. Durch die Auswahl geeigneter Maßnahmen gelingen auch die Transformation und schließlich der Turnaround.
- 1. Unklare Arbeitslast
Bryan Fagman vom Anbieter Micro Focus sagt, dass viele Projekte an einem nicht klar umrissenen Arbeitsaufwand scheitern. Schleichen sich hier Unschärfen ein, leidet das ganze Projekt. Im schlimmsten Fall bleibt undefiniert, wann es überhaupt abgeschlossen ist. Fagman mahnt deshalb an, Ziele im Dialog mit den Kunden klar zu benennen. - 2. Undefinierte Erwartungen
Alle Beteiligten müssen von Beginn an wissen, welche Anforderungen ein Projekt stellt und welche Erwartungen zu erfüllen sind – sonst droht ein Fiasko. Tim Garcia, CEO des Providers Apptricity, nennt zwei entscheidende Dinge, die alle Team-Mitglieder vorab wissen sollten: was getan wird und wie man weiß, wann das Projekt abgeschlossen ist. „Ohne eine dokumentierte Vereinbarung, die Antworten auf diese beiden Fragen liefert, ist ein Projekt von Anfang an in Gefahr“, sagt Garcia. - 3. Fehlende Management-Unterstützung
Die Unterstützung aus der Firmenspitze sollte unbedingt gesichert sein. Befindet man sich dahingehend mit der Chef-Etage nicht in Einklang, mindert das die Erfolgsaussichten beträchtlich, meint Brad Clark vom Provider Daptiv. - 4. Methodik nach Schema F
Im Projekt-Management wird gemeinhin mit standardisierten Schlüsselaufgaben und Leistungen gearbeitet. Darin lauert nach Einschätzung von Robert Longley, Consultant beim Beratungshaus Intuaction, aber auch eine Gefahr. Die Standard-Ansätze seien meist auf Projekte einer bestimmten Größe ausgerichtet. Sie passen möglicherweise nicht mehr, wenn man sich an größere Projekte als in der Vergangenheit wagt. - 5. Überlastete Mitarbeiter
„Team-Mitglieder sind keine Maschinen“, sagt Dan Schoenbaum, CEO der Projekt-Management-Firma Teambox. Projekte können auch daran scheitern, dass Mitarbeiter mit Arbeit überfrachtet werden. Vermeiden lässt sich das, indem man sich vorab ein klares Bild über die Stärken der Team-Mitglieder macht und auf eine sinnvolle Verteilung der Aufgaben achtet. - 6. Ungeteiltes Herrschaftswissen
Projekte leben davon, dass Informationen nicht monopolisiert, sondern miteinander geteilt werden. Das geschieht oft dann nicht, wenn Ergebnisse erst nach langer Anlaufzeit geliefert werden müssen. Tim Garcia von Apptricity rät deshalb dazu, Projekt in kurze Phasen einzuteilen. An deren Ende sollte es jeweils Resultate geben, mit denen das ganze Team weiterarbeiten kann. - 7. Unklare Entscheidungsfindung
Im Verlauf eines Projektes sind Änderungen der ursprünglichen Roadmap oft unvermeidbar. Es sollte beim Change Management aber klar dokumentiert werden, wer wann was geändert hat und wie die neue Marschrichtung aussieht. - 8. Fehlende Software
Exel-Spreadsheets nötigen Projekt-Manager zu manuellen Korrekturen und führen oft zu Problemen bei der Status-Aktualisierung. Insofern ist es befreiend, mit Project Management Software zu arbeiten, die für automatische Updates sorgt und von lästigen manuellen Berichten entlastet. Dazu rät Brian Ahearne, CEO des Anbieters Evolphin Software. - 9. Gefahr des Ausuferns
Change Requests sind alltäglich im Projekt-Leben, aber sie haben leider oft einen unerfreulichen Nebeneffekt: den Hang, Fristen und Budget-Rahmen immer weiter auszudehnen und auf Dauer zu Demotivation und Frust auf allen Seiten zu führen. Um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten, sind neben klaren Zielvorgaben auch tägliches Monitoring und ein definierter Prozess für gewünschte Veränderungen sinnvoll. Das empfiehlt in jedem Fall Sandeep Anand, der beim Software-Entwicklungshaus Nagarro für Project Governance verantwortlich ist. - 10. Nicht "Nein" sagen können
Im Sinne des Unternehmens sei es manchmal nötig, Anfragen abzulehnen, sagt Markus Remark vom Provider TOA Technologies. Gut sei es deshalb zu wissen, wie man "nein" sagt. Am besten habe man für solche Fälle auch gleich eine konstruktive alternative Lösung parat. - 11. Mangelnder Zusammenhalt
Projektarbeit ist Team-Arbeit. In der Praxis gerieren sich manche Projekt-Teams aber wie in Eifersüchteleien gefangene Sportmannschaften ohne Erfolg, beobachtet Berater Gordon Veniard. Der Fokus auf das eigentliche Ziel gehe verloren. Stattdessen beschuldigen sich Grüppchen gegenseitig, für Probleme und schlechte Leistungen verantwortlich zu sein. Um das zu verhindern, ist Führung durch den Projekt-Manager gefragt. Und der sollte es verstehen, sein Team mitzunehmen und in Entscheidungen einzubinden. Ohne Kommunikation sei das Desaster programmiert, so Hilary Atkinson vom Provider Force 3. - 12. Vergessener Arbeitsalltag
Hilary Atkinson hat nach noch einen weiteren Kommunikationstipp parat: Projekt-Manager sollten nicht vergessen, ihre alltäglichen Aufgaben zu erledigen. Wer als Verantwortlicher keine Meeting-Termine verkündet, Status-Berichte vergisst und E-Mails unbeantwortet lässt, riskiert unnötige Verzögerungen. - 13. Zu häufige Meetings
Meetings, in denen der Status Quo besprochen wird, können nerven – vor allem dann, wenn sie zu oft stattfinden oder zu lange dauern. Wichtige Informationen lassen sich durch Collaboration Tools häufig besser an die Team-Mitglieder bringen, meint Liz Pearce, CEO des Providers LiquidPlanner. Ihr Tipps: Meeting auf die Entscheidungsfindung beschränken. In ihrem Unternehmen gebe es lediglich zweimal in der Woche ein Treffen, um neue Aufgaben zu verteilen und Prioritäten zu definieren. - 14. Gut genug ist nicht immer gut
Sergio Loewenberg vom IT-Beratungshaus Neoris macht Nachlässigkeiten in der Qualitätssicherung als Problem aus. Es sei günstiger, Fehler zu vermeiden anstatt Geld und Zeit ins Ausmerzen ihrer negativen Folgen stecken zu müssen. Wer auf hohe Qualitäts-Standards achte, vermeide späteres Nacharbeiten und die Gefahr eines schlechten Rufes. - 15. Nicht aus Fehlern lernen
Liz Pearce mahnt außerdem an, mit Hilfe entsprechender Tools eine mehrstündige Analyse nach Ende des Projektes durchzuführen. Nur Teams, die sich des ständigen Lernens verschreiben, seien dazu in der Lage, die Fehler der Vergangenheit in der Zukunft zu vermeiden. - 15 Fehler beim Projektmanagement
Es gibt unzählige Wege, ein IT-Projekt an die Wand zu fahren. Unsere amerikanische Schwesterpublikation CIO.com hat 15 davon gesammelt – und verrät dankenswerterweise auch, wie man die Probleme beheben kann. Diese Tipps sind in der Bilderstrecke zu finden.