Abrupter Abschied von R/2
Anlagenbau unter Druck
Für ACE hätte die Schleife über Release 4.6c unnötigen Mehraufwand bedeutet. "In 4.7 sind Funktionalitäten, die wir benötigen", erklärt Menter seine Vorliebe für den Release-Stand Enterprise (4.7). "Mit einer Version 4.6c hätten wir wieder anfangen können, das System um weitere Add-ons zu ergänzen." Vor allem das für die Integration der Unternehmensprozesse wichtige Modul Projektsteuerung (PS) hätte nicht in vollem Umfang in der Version 4.6c zur Verfügung gestanden.
Der Zeitrahmen für das Projekt wurde mit 15 Monaten eng gesteckt. "Wir haben bis Ende des Jahres Zeit, wollen aber Anfang Oktober fertig sein", sagt Menter. Geplant ist eine Big-Bang-Migration, also die R/2-Installation zu einem festen Stichtag auf R/3 umzustellen. Mit sportlichem Ehrgeiz hat dies allerdings wenig zu tun, für ACE ist dies vielmehr die einzig durchführbare Möglichkeit. "Ein Parallelbetrieb ist von unserer Datenstruktur her illusorisch", erklärt IT-Leiter Werner Thelen. "Wenn sämtliche Anwendungen doppelt laufen, besteht die Gefahr, dass wir uns verzetteln." Er denkt dabei an die letzte Migration auf R/2 5.0j vor sechs Jahren und an die Fehler, die damals gemacht wurden. Um die Umstellung nicht zu mächtig werden zu lassen, entschloss man sich seinerzeit, viele Daten zu löschen. "Wir mussten kappen", erinnert sich Thelen. "Und alles, was älter als sieben oder acht Jahre war, verschwand."
Für den Produzenten, dessen Maschinen über Jahrzehnte im Einsatz sind, stellte sich diese Entscheidung letztlich als fatal heraus. "So vor die Wand fahren wollen wir nicht noch einmal." Denn die Kunden von ACE beginnen im Schnitt erst fünf Jahre nach dem Kauf, Ersatzteile anzufordern. Da jede Maschine eine Sonderanfertigung ist, müssen sämtliche Daten - vom Auftragseingang über die Dokumentation und die Zeichnungen bis hin zur Bauweise einzelner Komponenten - rund 20 Jahre griffbereit sein. Bis zu 1500 Ersatzteile werden jährlich geordert; müssen die Angaben erst umständlich nachgeforscht werden, behindert das den gesamten Geschäftsablauf.
Im Augenblick ist die wesentliche Herausforderung der Kölner die Aufbereitung und Zusammenführung dieser Daten aus den unterschiedlichen Anwendungen. Hier schwebt nämlich noch ein großes Fragezeichen über dem Projekt, denn im Zuge der jetzigen Migration wird ACE das erste Mal sämtliche Geschäftsdaten auslesen, ohne genau zu wissen, wie viel Zeit dies in Anspruch nehmen wird. Bislang erfolgte beispielsweise die Terminierung nicht über das SAP-System. Dies hatte zur Folge, dass in den einzelnen Abteilungen unzählige Tools noch nebenbei liefen und gesondert mit Daten gefüttert wurden. "Jede Abteilung weiß genau, was sie bei sich bearbeitet, aber den Überblick hat keiner", sagt Thelen.
Mit den Schritten, die bislang gemacht wurden, sind alle Beteiligten zufrieden. Erste Tabelleninhalte konnten übernommen werden und werden nun von den Fachabteilungen überprüft. Noch hält sich deren Aufwand allerdings in Grenzen. Er wird erst mit dem Anstieg des Datenvolumens wachsen. Richtig knifflig wird es, wenn die Daten der noch offenen Fertigungsaufträge übertragen werden müssen. "Schließlich wollen wir so damit arbeiten, als ob es R/2 nie gegeben hätte", wünscht sich Thelen.
Key User investieren 70 Prozent ihrer Zeit
Rund 35 ACE-Mitarbeiter sind in das Projekt involviert. Geplant ist, dass die Key User rund 70 Prozent ihrer Zeit dem Projekt widmen müssen. Noch wird in getrennten Arbeitsgruppen gearbeitet, doch mit Fortschreiten des Projekts, wenn etwa die Überführung der Service-Abwicklung oder des Ersatzteilmanagements an die Reihe kommen, werden die einzelnen Bereiche zunehmend Hand in Hand arbeiten müssen. Um an den echten Datenbeständen und Prozessen lernen zu können, wurde eigens ein Trainingszentrum eingerichtet, in dem bis zu zehn Mitarbeiter geschult werden können.
Eine weitere Herausforderung im Rahmen der Migration ist die Montageabwicklung mit bewertetem Projektbestand über das Modul Projektsteuerung, da diese bisher selten implemetiert wurde. Für den Abgleich zwischen den Planwerten und dem tatsächlichem Ablauf, der inklusive aller Kostenelemente überschaubar sein soll, gibt es keine Standardlösung. Nicht nur innerhalb des eigenen Konzerns kann man von diesen Erfahrungen profitieren.