Strategien


Evonik-CIO Dirk Ramhorst

"Auch der beste Plan ist in 6 Monaten überholt"

26.04.2023
Karen Funk ist freie IT-Fachjournalistin und Autorin. Bis Mai 2024 war sie Redakteurin beim CIO-Magazin und der COMPUTERWOCHE (von Foundry/IDG). Zudem leitete sie 17 Jahre lang den renommierten IT-Wettbewerb CIO des Jahres. Funk setzt sich seit vielen Jahren für mehr Frauen in der IT und für digitale Bildung ein. 2024 erschien ihr Buch "Hack the world a better place: So gestalten Unternehmen die Zukunft", das sie mit Julia Freudenberg, Geschäftsführerin der Hacker School, zum Thema Corporate Volunteering geschrieben hat.
Nicht wie eine Dampfwalze, sondern wie ein Trainer im Sport - so geht Evonik-CIO Dirk Ramhorst an die Transformation heran. Denn die sei nie zu Ende, sagt er.
Dirk Ramhorst ist Transformations-erprobt: Nach Stationen bei BASF und Wacker Chemie treibt er jetzt als CIO bei Evonik den Change.
Dirk Ramhorst ist Transformations-erprobt: Nach Stationen bei BASF und Wacker Chemie treibt er jetzt als CIO bei Evonik den Change.
Foto: Evonik

Herr Ramhorst, alle Ihre beruflichen Stationen - ob bei EvonikEvonik, Wacker Chemie oder BASF - haben eines gemeinsam: Transformation. Was haben Sie da gelernt, wie gelingt eine erfolgreiche Transformation? Top-500-Firmenprofil für Evonik Industries AG

Dirk Ramhorst: Zuallererst mit einer Erkenntnis. Nämlich, dass Transformation nie zu Ende ist, sondern ein fortlaufender Prozess. Mit diesem Mindset kann man viel entspannter an die Sache rangehen. Denn auch der beste Plan wird in sechs Monaten überholt sein. Es gibt zwei Dinge, die unabdingbar sind: Die Richtung muss stimmen und man muss von Anfang an glaubwürdig und ernsthaft die Menschen mitnehmen.

Wie nehmen Sie die Mitarbeitenden denn "ernsthaft und glaubwürdig" mit auf die Reise?

Ramhorst: Meiner Meinung nach heißt das vor allem: die Ansprüche, die ich formuliere, auch selbst einzuhalten. Nur so bin ich als Führungskraft in der Transformation glaubwürdig, nur so entsteht Vertrauen. Und Vertrauen ist die Basis von allem. Dazu kommt: In der heutigen Welt funktioniert nichts mehr linear, es gibt plötzliche Sprünge, die man nur dann mitbekommt und bewältigen kann, wenn man sein Ohr ganz nah dran hat, zum Beispiel am internen Kunden oder den Business-Partnern. Und genauso muss auch FührungFührung stattfinden: Die Mitarbeitenden ernstnehmend und situativ. Alles zu Führung auf CIO.de

Haben Sie ein Beispiel?

Ramhorst: Wenn die Mitarbeitenden heute eine starke Lokomotive brauchen, um ein Projekt inhaltlich ans Ziel zu bringen, kann es morgen ein Cheerleader sein, der Motivation, Ausdauer und Engagement des Teams stärkt. Beide Bedürfnisse muss ich ernstnehmen. Und wer als Führungskraft den Umgang mit den unterschiedlichen Rollen beherrscht, ist erfolgreich.

CIO in der Transformation: Wie ein Trainer beim Sport

Hat sich Führung im Laufe der Zeit verändert?

Dirk Ramhorst: Klar hat sich Führung verändert. Die Welt verändert sich schließlich auch. Bei meinem Berufseinstieg war das Führungsverständnis ziemlich einfach: von oben nach unten. Das fand ich damals schon unpassend, heute funktioniert das gar nicht mehr. Beispiel Transformation: Die ist von der Situation her komplex und kann daher nur im Zusammenspiel mit verschiedenen Partnern erfolgreich sein. Entsprechend baut mein Führungsstil viel auf Kooperation. Wie ein Trainer beim Sport bin ich verantwortlich dafür, dass alle ein gemeinsames Grundverständnis haben und auf ein gemeinsames, für alle motivierendes Ziel hinarbeiten. Den Weg dahin zu beschreiben, zu operationalisieren und dann auch zu gehen, das kann die Mannschaft viel besser als ich.

Was können CIOs konkret in ihren Alltag integrieren, um ihre Mitarbeitenden mitzunehmen?

Dirk Ramhorst: Gerade als CIO mit größeren Teams ist die Sichtbarkeit gegenüber dem eigenen Team ein wichtiger Erfolgsfaktor. Und DigitalisierungDigitalisierung sei Dank kann ich mit Technologie meine direkten Interaktionen multiplizieren. Ich habe bei meinen letzten Stationen stark auf radikale Transparenz gesetzt und alle Mitarbeitenden aus meiner Abteilung in Zehner-Gruppen zum (virtuellen) Gespräch eingeladen. Ohne Agenda, zum Kennenlernen. Da waren die Augen anfangs groß - und die Themenbandbreite auch. Aber es war immer spannend für alle und häufig kamen Probleme an die Oberfläche, die mir sonst verborgen gewesen wären. Auch persönliche Nahbarkeit war da immer ein wichtiges Thema. Alles zu Digitalisierung auf CIO.de

Ist das nicht mit einem enormen Zeitaufwand verbunden?

Dirk Ramhorst: Ja, aber der Austausch mit dem eigenen Team ist Kernaufgabe einer Führungskraft. Da kann man auch schon mal unkonventionell sein, auch wenn einige Veteranen-Führungskräfte bestimmt ins Schwitzen gekommen sind, weil die Exklusivität im Zugang zur Leitung flöten ging. Aber nicht nur ich habe meine Teams besser kennengelernt, das hat auch Verbindungen untereinander geschaffen, die Silowände kamen runter. Probleme, die in meinen Gesprächen aufgekommen sind, haben wir meistens schnell und unbürokratisch gelöst. Das hält die Leute bei der Stange und Neueinstellungen finden schneller Orientierung im Unternehmen. Die Menschen machen schließlich den Impact.

Ich teile kurze Videos aus meinem Alltag

Sichtbarkeit für die ganze Organisation findet höchstens punktuell statt. Wie gelingt der tägliche oder wöchentliche Austausch?

Dirk Ramhorst: Richtig, mit der ganzen Organisation oder Abteilung kann man nicht ständig im Austausch sein. Aber noch einmal: Sichtbarkeit und Gesicht zeigen sind entscheidende Erfolgsfaktoren in der Transformation. Den Anspruch habe ich nicht nur an mich, sondern auch an meine Führungskräfte. Sie sind die Multiplikatoren. Welches das für einen selbst passende Mittel ist, muss man einfach ausprobieren. Ich teile zum Beispiel seit ein paar Monaten regelmäßig kurze Videos aus meinem Alltag in unserem Enterprise Social Network. Immer mit Fachbezug und ohne Redaktion dahinter. Das kommt gut an. Anderen liegt aber sicher anderes.

Wie gehen Sie mit Gegenwind oder mit Trägheit in der eigenen Organisation um? Stichwort "Das haben wir schon immer so gemacht."

Dirk Ramhorst: Klar, das höre sicher nicht nur ich häufiger. Aber richtig ist doch: Früher war die Welt um uns herum eine andere. Und in 99 Prozent der Fälle gilt: Was uns hierhergebracht hat, bringt uns nicht zum nächsten Ziel. Diese Erkenntnis ist manchmal schmerzhaft, aber alternativlos. Und gerade in solchen Situationen - hohe Dynamik und Mangel an Alternativen - darf man die eigene Geschwindigkeit nicht drosseln, sondern muss mit Überzeugung die Geschwindigkeit der Mannschaft erhöhen. Durch Sichtbarkeit, Kommunikation und Unterstützung für das Team.

Meistens wird genau dann nach mehr Geld oder Ressourcen gefragt.

Dirk Ramhorst: Und die sind immer knapp! (lacht) Aber am Ende geht es doch um die Frage: Was können wir anders machen, um unserem Ziel einen Schritt näher zu kommen? Viele Organisationen, auch in der IT, arbeiten noch mit Methoden aus dem vorletzten Jahrzehnt. Dabei hat man mit neueren Methoden schon einen großen Hebel in der Hand, ohne mehr Geld und Ressourcen voranzukommen, sondern mit innovativer Technologie.

Welche denn?

Dirk Ramhorst: Bei einem meiner früheren Arbeitgeber haben wir beispielsweise mit den digitalen Personal-Trainer-Angeboten von Culcha moderne Arbeitsmethoden mit einem Schlag in die Organisation getragen und ganze Teams dazu befähigt, hybrid erfolgreich zusammenzuarbeiten sowie sich stärker am (internen) Kunden zu orientieren. Denn am Ende soll sich die Organisation ja weiterentwickeln. Und das funktioniert nicht immer am besten mit Geld, sondern indem ich Menschen Tools an die Hand gebe, die einen Impact haben.

Nicht wie eine Dampfwalze

Was sollte man tunlichst vermeiden, um eine Transformation nicht zu vermasseln?

Dirk Ramhorst: Desto größer der eigene Verantwortungskreis, desto mehr muss man sein politisches Gespür schärfen. Bei einer Transformation geht es in der Regel um Veränderungen, die ein ganzes Unternehmen auf den Kopf stellen. Bei allem Tempo dürfen Sie da nicht einfach wie eine Dampfwalze durch, sondern müssen genau schauen: Wo sind Verbündete, Zweifler, ja auch Gegner. Blauäugigkeit kann da sehr schnell das ganze Projekt gefährden.

Zum Abschluss: Welchen Rat würden Sie CIOs geben, die neu in ihre Rolle kommen?

Dirk Ramhorst: Drei Punkte. Erstens: Kommunikation ist das A und O. Durch Austausch auf Augenhöhe mit dem Team gewinnen alle. Zweitens: Teilhabe am eigenen Alltag. Mitarbeitende sind es sowieso gewohnt durch ihre private Social-Media-Social-Media-Nutzung. Durch Nahbarkeit entsteht Vertrauen. Und drittens: Nicht jeden Kampf führen. Sondern nur die, die das Projekt auch wirklich weiterbringen. Alles zu Social Media auf CIO.de

Herr Ramhorst, danke für das Gespräch.

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