Berufsbegleitend studieren

Auf Umwegen in die IT

27.01.2014
Peter Ilg ist freier Journalist in Aalen.
Nicht immer muss der Weg in einen IT-Beruf schnurgerade dem akademischen Pfad folgen.

Der schulische Werdegang von Jens Giehl (30) ist fast bilderbuchhaft. Als Hauptschüler schaffte er es über die Berufsfachschule und höhere Berufsfachschule bis zum Fachabitur. Dann kam der Bruch: die Exmatrikulation aus seinem Studium der Wirtschaftsinformatik. "Ich war jung, daheim ausgezogen und ließ mich leicht vom Lernen ablenken, beispielsweise durch einen gut bezahlten IT-Nebenjob." Giehl blieb der Informatik treu und absolvierte eine Ausbildung zum Fachinformatiker.

Jens Giehl studiert berufsbegleitend Informatik: "Um am Arbeitsmarkt bestehen zu können, muß man etwas tun."
Jens Giehl studiert berufsbegleitend Informatik: "Um am Arbeitsmarkt bestehen zu können, muß man etwas tun."
Foto: Privat

Nach dem Abschluss wechselte er zu einem Softwareunternehmen im Rhein-Main-Gebiet, wo er als Softwareentwickler arbeitete, und schrieb sich kurz darauf an der Hochschule Darmstadt für den berufsbegleitenden Bachelor-Studiengang Informatik ein. "Bei mir hat es etwas später Klick gemacht, bis ich endlich wusste: Um am Arbeitsmarkt bestehen zu können, muss man etwas tun." Vom Wintersemester 2011/12 an studierte er an einem oder zwei Abenden in der Woche sowie samstags.

Firma unterstützt Lernwillige

Vom Studium verspricht sich Giehl bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt und ein höheres GehaltGehalt. Seine Bachelor-Arbeit hat er abgegeben und auch schon mit einem berufsbegleitenden Master-Studium in Informatik, ebenfalls an der Hochschule Darmstadt, angefangen. "Jetzt im Master-Studium ist das Niveau gestiegen und damit auch die zeitliche Belastung fürs Lernen." Mit seinem Arbeitgeber hatte er seine Studieninteressen abgesprochen und die Zusage bekommen, an den Vorlesungstagen rechtzeitig Feierabend machen zu können. Das Unternehmen unterstützt Giehl auch finanziell: Es übernimmt die Hälfte der Studienkosten. "Dafür habe ich mich verpflichtet, in den ersten beiden Jahren nach dem Studienabschluss nicht zu kündigen." Alles zu Gehalt auf CIO.de

Seit Sommersemester 2007 bietet die Hochschule Darmstadt einen berufsbegleitenden Studiengang in Informatik an. Damals noch mit dem Diplomabschluss, inzwischen als Bachelor- und Master-Studiengänge. Die Ausbildung richtet sich nach den Richtlinien der Partnerhochschule, des Conservatoire National des Arts et Métiers in Paris. Das ist eine Universität ausschließlich für Berufstätige mit der Besonderheit, dass Berufsausbildung und Berufserfahrung anerkannt werden. "Das verkürzt die Studiendauer, die bei berufsbegleitenden Studiengängen typischerweise höher ist als die von Vollzeitstudenten", berichtet Inge Schestag. Sie ist Informatikprofessorin an der Hochschule Darmstadt und Studiengangskoordinatorin der beiden berufsbegleitenden Informatikstudiengänge. Giehl brauchte für seinen Bachelor-Abschluss vier Semester.

Neue Berufsperspektiven

Ulrike Vater (31) hat gleich nach dem Abitur eine Ausbildung als Fachinformatikerin angefangen. Schon im zweiten Ausbildungsjahr begann sie begleitend mit dem Besuch der Hochschule Darmstadt. "Mein Ausbildungsleiter war mit den Inhalten, die an der Berufsschule vermittelt wurden, nicht zufrieden und hat mich zur Weiterbildung an die Hochschule geschickt", berichtet Vater. Alle Kurse werden dort zunächst als Weiterbildung gebucht. Die Teilnehmer sammeln für jeden Kurs Punkte und können sich auch später für ein Studium entscheiden. Vater belegte verschiedene Kurse, wechselte nach der Ausbildung den Arbeitgeber und blieb der Hochschule treu. Vor zwei Jahren machte sie ihren Bachelor in Informatik. Zurzeit sitzt sie an ihrer Master-Arbeit.

Ulrike Vater studiert seit einigen Jahren an der Hochschule Darmstadt und schreibt nun ihre Master-Arbeit: "Ich habe das Studium entzerrt. Ein Stress-Studium mit mehreren Vorlesungen pro Woche war für mich nicht möglich."
Ulrike Vater studiert seit einigen Jahren an der Hochschule Darmstadt und schreibt nun ihre Master-Arbeit: "Ich habe das Studium entzerrt. Ein Stress-Studium mit mehreren Vorlesungen pro Woche war für mich nicht möglich."
Foto: Privat

Seit zwölf Jahren lernt Vater an der Hochschule Darmstadt: "Ich habe das Studium entzerrt. Ein Stress-Studium mit mehreren Vorlesungen pro Woche war für mich nicht möglich." Zwischendurch hat sie auch ein Jahr ausgesetzt. Im Mai 2014 wird sie ihre Ausbildung abgeschlossen haben: "Der Studienabschluss eröffnet mir viele Chancen, die ich vorher nicht hatte." Unterstützung von ihren Arbeitgebern erhielt Vater auf unterschiedliche Art und Weise: teilweise finanziell, häufig in Form flexibler Arbeitszeit und Freizeit für Vorlesungen und Prüfungen.

Knapp über 100 Studenten haben ihr berufsbegleitendes Informatikstudium in Darmstadt abgeschlossen. Drei Viertel der Absolventen haben einen Bachelor-, ein Viertel einen Master-Abschluss. "Von denjenigen, die von Anfang an vorhaben, zu studieren, schafft es fast jeder", sagt Professorin Schestag.

Die Erfolgsquote liegt bei über 90 Prozent und damit über der von Vollzeitstudenten. "Die berufsbegleitenden Studenten wissen ganz genau, was sie wollen. Sie informieren sich gründlich, opfern ihre Freizeit und zahlen für ihre akademische Weiterbildung", kommentiert Schestag.

Zuerst abhängig, dann selbständig

Frank Pauxberger (39) erntet bereits die Früchte seines berufsbegleitenden Informatikstudiums in Darmstadt - mit dem er sich auch persönlich rehabilitiert hat. Nach dem Abitur machte er eine Lehre zum Bankkaufmann, schrieb sich danach für ein Studium in Betriebswirtschaftslehre ein. Das brach er nach zwei Semestern ab: "Das rein Kaufmännische war einfach nichts für mich." Aber die Informatik. Die hatte er sich zunächst selbst beigebracht. Und weil die IT-Branche im Internet-Rausch um das Jahr 2000 herum mangels ausgebildeter Fachleute viele Quereinsteiger einstellte, fand auch Pauxberger einen Job. Acht Jahre lang arbeitete er als System- und Netzadministrator in mittelständischen IT- und TK-Betrieben.

Frank Pauxberger hat sich nach seinen Bachelor- und Master-Abschluss in Informatik selbständig gemacht. Er fühlt sich dafür gut qualifiziert und kann seine eigenen Ideen umsetzen.
Frank Pauxberger hat sich nach seinen Bachelor- und Master-Abschluss in Informatik selbständig gemacht. Er fühlt sich dafür gut qualifiziert und kann seine eigenen Ideen umsetzen.
Foto: Privat

Von 2002 bis 2010 studierte er mit Bachelor- und Master-Abschluss. Dann wechselte er in ein weltweit tätiges IT-Unternehmen als Berater, im März 2013 machte er sich selbständig als Unternehmensberater für IT-Strategie und Technologie. Seit etwa eineinhalb Jahren ist Pauxberger bei der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main Systemintegrator und Projekt-Manager - zunächst als Angestellter seines damaligen Arbeitgebers, jetzt in Eigenregie.

"Erst der Stellenwechsel als Master-Informatiker hat mein Einkommen erhöht. Meinem vorherigen Arbeitgeber brachte der Abschluss keinen Mehrwert." Seinen Einsatz während der Studienzeit beschreibt er als "immens". Urlaub, Freizeit hatte er gestrichen. "Das war eine aufopferungsvolle Zeit für mich und alle mir nahestehenden Personen." Selbständig hat er sich gemacht, um seine Ideen zu verwirklichen und in dem Wissen, gut qualifiziert zu sein.

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