Hans-Jürgen Cramer, Vattenfall Europe
Befreier der IT
In den letzten anderthalb Jahren seit Bestehen von Vattenfall Europe wurden wichtige ProjekteProjekte abgeschlossen: Im SAP-nahen Vattenfall-Verbund bildet SAP R/3 nun konzernweit das zentrale System. "Inzwischen haben über zwei Millionen Kunden Zugriff auf das neue Abrechnungssystem SAP IS-U, das ebenfalls konzernweit eingeführt wurde", sagt Cramer, "mit 99,9 Prozent Zuverlässigkeit bei der Datenmigration." Doch die technischen Spezifika kommen Cramer nicht so leicht über die Lippen wie einem CIO. Sein großes Ziel, die IT-Integration bis Anfang 2004 abzuschließen, hat Cramer erreicht. 23 Millionen Euro will CIO Rösch dadurch laut Business Case ab 2005 jährlich sparen. 30 Millionen Euro hat Vattenfall Europe allein für die Vereinheitlichung auf SAP R/3 in die Hand genommen. Alles zu Projekte auf CIO.de
Wenn Cramer auch dezidierte Rechnungen und Analysen einfordert, so ist er doch kein Sanierer, kein Zentralisierer auf Biegen und Brechen, sondern jemand, der den Mut hat, Verantwortung in den Fachbereichen zu belassen und auch Synergieeffekte in Zweifel zu ziehen. Jede Business Unit hat ihren Verantwortlichen für IT, den Business Information Officer (BIO). "Über dessen Kopf hinweg wollen wir möglichst keine Entscheidungen treffen", sagt Cramer. Erst wenn Chancen und Risiken ausgelotet sind, treffen Cramer und Rösch eine Entscheidung. So hat Vattenfall alle Fachbereiche über SAP in einem globalen Standard miteinander verbunden, andererseits tritt Vattenfall mit einer Drei-Marken-Strategie beim Kunden auf - als HEW in Hamburg, als Bewag in Berlin und sonst als Vattenfall.
Ein Risiko sieht Cramer allerdings darin, dass die Fachbereiche oft eine andere Sprache sprechen als die IT-Führung. "Manchmal erkennt der CIO den Wert einer Lösung nicht, manchmal ist es umgekehrt", so Cramer. Diese unsichtbaren Grenzen zwischen den Fachbereichen und der IT möchte der Psychologe auflösen und das sprachliche Niveau auf eine Ebene bringen. Hier kommt ihm seine Erfahrung zugute, die er als Leiter der Organisations- und Personalentwicklung bei der Bewag in den 90er-Jahren gemacht hat.
Um diesem Anspruch gerecht zu werden, werden nun Fragen gestellt - von beiden Seiten. Fordert beispielsweise der Bereich "Mining and Generation" Geld für eine neue Lösung, muss die IT verstehen, wozu das gut ist und ob an anderer Stelle im Konzern bereits eine vergleichbare Lösung vorhanden ist. "Unabhängig vom Unternehmenszweig stellen wir zunächst die Frage nach dem wirtschaftlichen Nutzen einer Lösung. Soll etwa eine neue Software implementiert werden, geschieht dies unter Beachtung der organisatorischen und strategischen Aspekte, nicht allein im Kämmerlein der IT-Experten", so Cramer.
Die Konsequenz: Die Fachbereiche behalten ihre Unabhängigkeit. Verhandelt ein BIO, wie kürzlich geschehen, etwa mit dem hausinternen Dienstleister VE IS über SLAs im Bereich von TFT-Flachbildschirmen, kann er sich auch selbst informieren, ob er die gleichen Leistungen woanders günstiger bekommt. Im Endeffekt reduzierte er den Preis um ein Drittel - ein erwünschter Effekt.
Die aufwendige Aufklärungsarbeit - forciert von Cramer - bei Vattenfall hat einen weiteren nützlichen Nebeneffekt: Jene Black Box zerbröselt, als die die IT in vielen Köpfen der Mitarbeiter lange Zeit vorhanden war. "Die IT ist erklärungsbedürftig, hat aber eine Support-Funktion für alle Abteilungen", erläutert Cramer den Unterschied zwischen dem Bereich IT und anderen Fachbereichen wie Generation, Heat oder Transmission. "Wenn Sie die Heizung aufdrehen, wird es nach einer Zeit warm, da gibt es nichts zu erklären." Das könnte ruhig auch eines Tages bei der Informationstechnik so sein.