Wie innerer Friede hilft
Besser führen ohne durchzudrehen
Herr Bordt, Ihr Buch "Die Kunst sich selbst auszuhalten - Ein Weg zur inneren Freiheit" illustriert Wege, sich selber kennen zu lernen und mit sich umzugehen. Das sei besonders wichtig für Führungskräfte in Spitzenpositionen. Warum?
Michael Bordt: Etwas zugespitzt formuliert: Wer führen will, muss sterben können. Das bedeutet, dass derjenige, der als Führungskraft für das Unternehmen die richtigen Entscheidungen treffen will, sich innerlich unabhängig machen muss. Er muss sich frei machen können von all dem, was ihn an eigenen Motiven, Ängsten und Machtphantasien beschäftigt und bewegt.
Dazu gehört ein kritischer Blick auf sich selbst und eine Kenntnis des eigenen inneren Lebens. Nur so kann man sich tatsächlich in den Dienst der Sache stellen. Das heißt aber auch, dass man viele Dinge wie Ansehen oder Macht, die einem zunächst einmal als wichtig und erstrebenswert erscheinen, loslassen können muss. Das ist im Übrigen etwas, was alle Menschen im Leben lernen können und spätestens im Sterben dann lernen müssen.
- Die sechs Führungsstile
Die Unternehmensberater der Hay Group haben sechs verschiedene Führungsstile ermittelt, die ein Chef ausüben kann. Je größer der Mix aus allen sechs ist, desto zufriedener sind seine Mitarbeiter. Sie leisten mehr und sind weniger krank. - 1. Der Chef ist der Chef ist der Chef
Im direktiven Umgang erwartet der Chef, dass die Mitarbeiter seinen Anweisungen ohne Wenn und Aber folgen. Das Warum erfährt der Mitarbeiter meist nicht. Das kann bei Umstrukturierungen hilfreich sein, wenn man ein Unternehmen aus der Krise holen muss. Zum normalen Arbeitsalltag passt dieser Führungsstil nicht. - 2. Der Erklärer
Der visionäre Chef setzt darauf, seine Mitarbeiter zu entwickeln und erarbeitet mit ihnen Perspektiven. Ihm ist es wichtig, dass seine Kollegen verstehen, warum sie etwas tun sollen. - 3. Der Coach
Dem Erklärer ähnlich ist der coachende Chef, dem die Entwicklung seiner Angestellten sehr am Herzen liegt. - 4. Alle für einen!
Andere Vorgesetzte fördern den Zusammenhalt: Ihnen ist es wichtig, dass alle gut miteinander umgehen. Vor allem in Stresszeiten ist das ein guter Führungsstil, denn das Team rückt näher zusammen. - 5. Der Chef packt selbst an
Dieser Führungsstil wird eher von Jüngeren ausgeübt: Ein partizipativer Chef drückt seine Befehle nicht durch, sondern setzt auf Teamarbeit. Das fördert die Motivation der Mitarbeiter sehr. - 6. Der Perfektionist
Wehe, einer spielt nicht im Takt! Der Perfektionist stresst seine Mitarbeiter schon mal mit seinen hohen Anforderungen an die Qualität der Arbeit. Andererseits greift er ein, wenn man selbst nicht weiter weiß.
Sollen Führungskräfte das, was sie privat oder persönlich beschäftigt, im Beruf ausblenden?
Nein, genau das sollen sie nicht tun. Sie sollen nur lernen, die dunklen, manchmal auch chaotischen Aspekte, das jeder Mensch in sich vorfindet, wahrzunehmen, um die Kontrolle über sich nicht zu verlieren. Wenn man versucht, innere Impulse wie Ängste oder Machtphantasien zu verdrängen, bekommen diese Impulse noch mehr Macht über uns, als sie ohnehin schon haben. Nur das, was einem bewusst ist, kann man kontrollieren. Was einem nicht bewusst ist, das kontrolliert uns. Je genauer wir wissen, was da in uns an Wünschen, Sehnsüchten, Verletzungen und Phantasien lebt, desto mehr werden wir zum eigenen Herren über unser Innenleben, gewinnen darüber Autorität und können dann frei entscheiden. Wir werden durch sie nicht mehr genötigt, dem inneren Druck nachzugeben oder diesen Druck laufend zu verdrängen.
Sie beschreiben in Ihrem Buch eine Szene, in dem der Mensch eine E-Mail oder ein Telefonat eines Kollegen oder Vorgesetzten bekommt, die ihn ärgert. Führungskräfte, allemal Vorstandsvorsitzende haben seltener E-Mails, die sie unter Druck setzen. Ein Chef kann als Chef immer auch mal rumbrüllen, seinen Frust über Dinge, die schief laufen im Unternehmen ausleben. Darf der das?
Ich glaube, es ist ein Irrtum, wenn man meint, je höher man in einem Unternehmen aufgestiegen sei, desto geringer sei der äußere und innere Druck. Das Gegenteil ist der Fall. Es ist sicher unklug, wenn eine Führungskraft diesem Druck, ihren Stimmungen und Launen nachgeht und sie auslebt.
Wenn eine Führungskraft weiß, warum sie auch mal rumbrüllt und was sie sich von einem solchen Verhalten für das Wohl des Unternehmens erhofft, dann soll sie das gerne tun. Mein Punkt ist ja nicht, dass wir alle freundlicher miteinander umgehen sollen. Eine Führungskraft muss vielleicht auch einmal mit der Faust auf den Tisch hauen. Aber sie muss sicher sein, dass das jetzt nötig ist statt einfach mal cholerisch durchzudrehen und die Autorität über sein Verhalten zu verlieren.
Wie kann ein Mitarbeiter erkennen, ob sein Vorgesetzter kontrolliert brüllt?
Mitarbeiter spüren und wissen doch in den allermeisten Fällen sehr gut, wann der Vorgesetzte sich nicht im Griff hat und die Spannungen, in denen er steht, nicht mehr aushalten kann. Dann ist das Brüllen ein Zeichen von Schwäche. Der Vorgesetzte zeigt, dass er an der Grenze seiner Belastbarkeit angekommen ist. Aber um das ganz klar zu sagen: In oberen Führungspositionen gehört es dazu, harte Kritik auszuteilen und auch einstecken zu können.
- Begeisterungsfähigkeit nutzen
Viele Unternehmen lassen sich bei der Personalauswahl noch zu häufig allein von der Fachexpertise, dem Leistungswillen und der Eloquenz der Kandidaten leiten. Wenn jemand mit Leidenschaft seinem Beruf nachgeht oder gar ein besonders kreativer Querdenker ist, wird ihm das eher negativ ausgelegt. Mehr Mut zu weniger Uniformität und Stromlinienförmigkeit kann sich vor allem in Forschung und Entwicklung, in Marketing und Vertrieb bezahlt machen. - Begeisterungsfähigkeit nutzen ...
Das Management gerade deutscher Unternehmen ist jedoch häufig zu eindimensional auf Effizienz getrimmt. "Beim Optimieren von Prozessen ist das goldrichtig, bei kreativen Prozessen nur bedingt", warnt Jens-Uwe Meyer, Autor des Buches "Das Edison-Prinzip" - Guter Kommunikator sein
Wer Mitarbeiter für die Sache begeistern und damit ihre Motivation erhöhen möchte, muss auch ein guter Kommunikator sein, mit guten Argumenten, aber auch der nötigen Empathie für die menschlichen Belange. Gut kommunizieren zu können, ist auch in der notwendigen Darstellung nach außen enorm wichtig. Dies erst zu lernen, wenn man bereits auf der Zielgeraden für eine Top Position ist, ist eindeutig zu spät. Übrigens gehört dazu auch ein verhandlungssicheres Englisch. - Freien Informationsfluss fördern
Wer Ideenfindung zur Chefsache erklärt, zeigt seinen Mitarbeitern vielleicht, wer in der Hierarchie ganz oben steht. Er läuft aber auch Gefahr, wichtige Details oder Erkenntnisse zu übersehen und damit Fehlentscheidungen zu treffen. Weil Technologiesprünge, Veränderungen von Geschäftsmodellen und Kundenbedürfnisse sich immer schneller drehen, kann ein einzelner - egal wie gut er ist - niemals alle für Geschäftsentscheidungen relevanten Informationen überblicken. - Freien Informationsfluss fördern ...
Wer hingegen in den offenen Ideenaustausch mit seinen Mitarbeitern investiert, braucht zwar mehr Zeit, erntet dafür aber am Ende auch die kreativeren Ideen und durchdachteren Konzepte. Gleichzeitig schafft die direkte Einbindung eine höhere Identifikation mit dem Ergebnis, das Mitarbeiter dann viel motivierter umsetzen, denn es ist ja auch ihr Konzept. - Teamwork statt Hierarchien
Am kreativsten sind Mitarbeiter in Teams mit flachen Hierarchien. Um die Expertise aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen, Fachgebieten und Ländern an einen Tisch zu bringen, hat z.B. der Essener Konzern Evonik sogenannte Forscher-WGs eingerichtet, in denen Experten aus verschiedenen Unternehmensbereichen und Ländern über drei Jahre lang gemeinsam Innovationen ausbrüten. - Teamwork statt Hierarchien ...
Der IT-Dienstleister IBM veranstaltet sogenannte "Innovation Jams", bei denen sich über Hunderttausend IBM-Mitarbeiter, deren Familien, Wissenschaftler und Kunden aus der ganzen Welt drei Tage lang via Computerbildschirm über neue Ideen, Innovationen und die Lösung kniffliger Probleme austauschen. - Rollen vergeben
Führungskräfte umgeben sich häufig am liebsten mit Personen, die ähnliche Stärken aufweisen wie sie selbst. Wer gerne kommuniziert, arbeitet gerne mit kommunikativen Menschen. Wer detailverliebt ist, schätzt Mitarbeiter mit ähnlichen Präferenzen. Wer seine Stärken und Schwächen kennt und sich vornimmt, das volle Potenzial seines Teams zu heben, kann sich als Führungskraft darauf konzentrieren, die verschiedenen Talente so einzusetzen, dass sie sich ergänzen - zum Erfolg aller. - Rollen vergeben ...
Teams sind dann besonders stark, wenn jeder eine eigene Rolle seinen Fähigkeiten entsprechend übernehmen kann. Der Job des Teamleiters ist es, jedem die passende Rolle zuzuteilen.