CIOs verraten

Wissensarbeiter richtig führen

Bettina Dobe war Autorin für cio.de.
Kontrolliert, ausgebremst und frustriert: Wissensarbeiter werden in deutschen Firmen immer noch nicht ernst genommen, so eine Studie. Zwei IT-Chefs wissen Rat.

Entscheider nehmen ihre Führungspraxis gegenüber Wissensarbeitern offenbar viel positiver wahr als die Geführten selbst, wie eine aktuelle Studie ergeben hat. "Wir nehmen euch ernst und lassen die Zügel locker", sagen Führungskräfte zu Wissensarbeitern. Diese sehen das aber anders: "Ihr kontrolliert uns", klagen sie. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie "Wissensarbeiter und Unternehmen im Spannungsfeld" von Pierre Audoin Consultants (PAC) und der Deutschen Gesellschaft für Wissensmanagement im Auftrag des Personalvermittlers Hays aus Mannheim. Für die Studienautoren sind Wissensarbeiter hochqualifizierte Fachkräfte, die zur Wertschöpfung der Unternehmen beitragen. Dazu zählt die Studie zum Beispiel Chemiker und IT-Spezialisten, aber keine Manager.

Schlecht behandelte Wissensarbeiter

Aus einer früheren Hays-Studie zu Wissensarbeitern ist bereits bekannt: Wissensarbeiter fühlen sich oft nicht ausreichend gefördert und in ihrem Freiheitsdrang gewertschätzt. Offenbar gehen Entscheider auf die besonderen Bedürfnisse der Wissensarbeiter wenig ein, so die Studie. Jeder zehnte Manager sieht überhaupt keine Unterschiede in der FührungFührung von Wissensmanagern zu anderen Arbeitskräften. Nur 43 Prozent der 432 von Hays befragten Manager glauben, dass Wissensarbeiter anders geführt werden müssen als "normale" Mitarbeiter. Dabei ist genau das erforderlich, wie Irmgard Küster, Geschäftsführerin und IT-Leiterin der Geva GmbH, einem Dienstleister in der Getränkebranche, weiß: "Wissensarbeiter muss man anders führen", sagt Küster. Ihnen müsse man Freiräume und Kreativität lassen. Aus eigener Erfahrung kann sie berichten: "Ich würde sagen, dass Wissensarbeiter oft schlechter behandelt werden." Alles zu Führung auf CIO.de

Dabei sollten Führungsverantwortliche schon aus eigenem Interesse anders mit ihren Wissensarbeitern umgehen: Fühlt sich ein Wissensarbeiter nicht wertgeschätzt und kann er seine Zeit nicht frei einteilen, ist er schnell bereit, den Arbeitgeber zu wechseln. Knapp zwei Drittel (58 Prozent) der befragten Wissensarbeiter sind wechselwillig, so die aktuelle Studie. Das liegt wohl an einigen "No-Gos" im Umgang mit Wissensarbeitern, die zum Beispiel CIO Küster selbst erlebt hat.

Wissensarbeiter seien sehr motiviert, wollten sich ständig weiterbilden und möchten dieses Wissen auch teilen, erzählt Küster. "Doch in vielen Unternehmen ist der Wissensaustausch zwischen den Abteilungen gar nicht gewollt", sagt sie. "Gerade in der IT habe ich das erlebt", sagt sie. "Da gibt es immer noch dieses Denken der Besitzstandswahrung." Bequemlichkeit komme ihrer Meinung nach hinzu, denn: "Man muss Wissensarbeitern Zeit und Raum geben. Das kostet die Führungskraft natürlich selbst Zeit", sagt Küster.

Statt sich Zeit zu nehmen und sich um sie ausreichend zu kümmern, bügelten einige Chefs motivierte Mitarbeiter ab und bremsten sie in ihren Ideen. Davor warnt Küster eindringlich: "Sie zu bremsen ist genau der falsche Weg."

Flexible Arbeitszeiten

Es gibt einen Ansatz, der laut Umfrage schnell zu mehr Zufriedenheit führt: Wissens-Fachkräfte lieben Freiräume in der Arbeitsgestaltung. Viele Entscheider haben das bereits erkannt und ermöglichen zum Beispiel das Arbeiten im Home Office. Doch damit ist es noch nicht getan. 55 Prozent der Wissensarbeiter beklagen sich laut Studie, dass ein Großteil ihrer Arbeit aus Routineaufgaben besteht. CIO Jürgen Renfer von der Kommunalen Unfallversicherung Bayern (KUVB) warnt davor, Wissensarbeitern häufig gleichförmige Aufgaben zu übertragen: "Routinearbeiten muss jeder erledigen, das ist klar. Aber gerade bei Wissensarbeitern dürfen sie nicht überhand nehmen." Das beschränke sie in ihrer Kreativität und bremse sie aus.

Viele Wissensarbeiter fühlen sich ausgebremst und frustriert.
Viele Wissensarbeiter fühlen sich ausgebremst und frustriert.
Foto: mauritius images

Ein pikantes Detail ergab die Studie hinsichtlich der Routine-Aufgaben: Denn obwohl sich so viele Wissensarbeiter über gleichförmige Aufgaben beschweren, glauben nur 25 Prozent der befragten Führungskräfte, dass jene mit Routine-Aufgaben beschäftigt seien. Wie ist diese unterschiedliche Wahrnehmung zu erklären? Die Studienautoren haben dafür eine Erklärung: Immer mehr Teams werden verschlankt, während parallel die Dokumentationspflicht zunimmt. "Diese Tätigkeiten bleiben dann zwangsläufig an den Wissensarbeitern hängen, sind aber für Führungskräfte "nicht sichtbar", weil sie nicht direkt zu den Arbeitsresultaten und zum Unternehmenserfolg beitragen", so die Autoren.

Die unterschiedliche Fremd- und Eigenwahrnehmung des Führungsstils kann sich KUVB-CIO Renfer nur so erklären: "Möglicherweise liegt das an unterschiedlichen Geschwindigkeiten." Wissensarbeiter und Führungskräfte rekrutieren sich heute aus unterschiedlichen Generationen. Während jüngere Generationen schon mit der Wissensgesellschaft aufwuchsen, wachsen ältere Generationen eher hinein. "Falls diese These greift, könnte die Diskrepanz zwischen gelebtem und erwartetem Führungsstil mit den Jahren zunehmend verwaschen", so Renfer.

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