Vertrauensfrage

Chefs setzen mobilen Arbeitern Grenzen

Christiane Pütter ist Journalistin aus München.
Was machen die den ganzen Tag? Das fragt sich mehr als jeder zweite Chef mit Blick auf mobile Mitarbeiter. Tatsächlich sollte flexibles Arbeiten nicht heißen, dass man die Menschen gar nicht mehr sieht. Tipp von Deloitte-CIO Dietmar Schlößer: Zum Start eines Projektes sollte man sich persönlich treffen - und zum Feiern des erfolgreichen Abschlusses auch.

Die besten Ideen will mancher Leistungsträger ja unter der Dusche haben oder auch im Bereich anderer sanitärer Anlagen. Am liebsten der eigenen sanitären Anlagen, versteht sich. Das mag ein Grund dafür sein, dass dem Arbeiten von zu Hause aus erhöhte Produktivität zugeschrieben wird. Dass mobiles Arbeiten Führungskräfte aber auch vor Herausforderungen stellt, ist Thema der Studie "Managing at arm’s length" des Büro-Ausstatters Regus. Dieser hat weltweit rund 26.000 Menschen befragt, darunter Führungskräfte wie auch deren Mitarbeiter. Obwohl Regus naturgemäß ein Interesse am Forcieren mobilen Arbeitens hegt, liest sich die Studie nicht als reines Loblied.

Heute arbeitet rund jeder zweite Angestellte zumindest zeitweise von zuhause oder unterwegs aus, wie die Umfrage belegt. Von einer Randerscheinung kann also keine Rede mehr sein. Offenbar aber hat sich die Unternehmenskultur noch nicht überall auf mobile Worker eingestellt. So erklärt eine Mehrheit von insgesamt 55 Prozent der Studienteilnehmer, Führungskräfte fragten sich, was genau die abwesenden Mitarbeiter tun. Ein Blick auf die einzelnen Nationen zeigt Chinesen als Kontrollfreaks (70 Prozent der Nennungen), während niederländische Chefs ihre Mitarbeiter am ehesten an der langen Leine lassen (38 Prozent). Deutschland liegt mit 53 Prozent im Durchschnitt.

Welche Brisanz dieses Thema birgt, zeigte sich, als cio.de bei deutschen CIOs nachfragte. So mancher wollte sich wegen der unternehmenspolitischen Dimension von Mobile Working nicht äußern. Andere baten um Anonymität. Dabei wurde eines deutlich: Deutsche CIOs finden durchaus, dass es Momente gibt, an denen Mitarbeiter anwesend sein sollten. "Bei Projekten halte ich einen gemeinsamen Start mit gegenseitigem Kennenlernen für eine Notwendigkeit, auch das gemeinsame Feiern des erfolgreichen Projektabschluss kann ich wärmstens empfehlen", sagt etwa Dietmar Schlößer, CIO beim Consultant-Unternehmen Deloitte. Keine noch so fortgeschrittene Technik könne den direkten persönlichen Kontakt zwischen Menschen ersetzen. Besonders viel unterwegs sind bei Deloitte logischerweise die Berater. Für sie gibt es sogenannte 3rd Fridays, an denen das Management den direkten Kontakt zu den Mitarbeitern vor Ort pflegt.

Bei Krisengesprächen muss man sich gegenüber stehen

Dietmar Schlößer, CIO von Deloitte, ist vom mobilen Arbeiten überzeugt.
Dietmar Schlößer, CIO von Deloitte, ist vom mobilen Arbeiten überzeugt.
Foto: Deloitte

Andere CIOs nennen darüber hinaus Krisengespräche. Diese sollten in jedem Fall von Angesicht zu Angesicht stattfinden. Generell sei es wichtig, sich erst einmal persönlich kennen zu lernen. Sonst könne man sich in virtuellen Meetings nicht "spüren".

Grundsätzlich ist Deloitte-CIO Schlößer vom mobilen Arbeiten überzeugt. Den größten Vorteil sieht er in der deutlich gesteigerten Flexibilität, die bei richtiger Umsetzung im Unternehmensrahmen zu einer höheren Mitarbeiterzufriedenheit führt. Thorsten Pawelczyk, Leiter IT beim Entsorgungsbetrieb Tönsmeier, nennt als weitere Vorteile den Wegfall von Reisezeiten. Seiner Erfahrung nach können manche Menschen konzentrierter Arbeiten, wenn sie sich in einem "kreativen Modus" analog zur inneren Uhr befinden.

Eben das allerdings zweifelt mancher seiner Kollegen an: Im "Flexible workplaces report" der kanadischen Microsoft-Niederlassung bezeichneten Führungskräfte das Managen ihrer abwesenden Mitarbeiter als Herausforderung. Sie befürchten mangelnde Konzentrationsfähigkeit, mangelnde Zuverlässigkeit und auch mangelnden Fleiß.

Das Thema Work-Life-Balance sieht mancher deutsche CIO zwiespältig. Einerseits könnten Menschen ihren Arbeitstag als mobile Worker besser dem Privatleben anpassen, da erhält Tönsmeier-CIO Pawelczyk Zustimmung. Andererseits berge mobiles Arbeiten die Gefahr, dass Chefs Pausenzeiten des Angestellten nicht respektieren - oder, dass der Mitarbeiter die Pause gar nicht nimmt. Die Balance zwischen Beruf und Privatleben könne daher auch ein eine komplette Schieflage geraten.

Ob Büro oder Home Office - ganz auf persönliche Anwesenheit verzichten will auch Pawelczyk nicht: Zu wichtigen Team-Meetings und Jourfixes sowie zu Abstimmungsterminen mit den Fachbereichen müssen die Mitarbeiter ins Unternehmen kommen. Pawelczyk will kommunikative Hürden und Privilegien gar nicht erst entstehen lassen. Das hat für ihn auch etwas mit Wertschätzung zu tun.

Die Grenzen der Videokommunikation

Die Studienautoren von Regus wollten wissen, ob Unternehmen das Managen mobiler Mitarbeiter durch spezielle ToolsTools unterstützen. Demnach nutzen 43 Prozent der Befragten Video. Deutschland liegt mit 27 Prozent deutlich unter diesem globalen Durchschnitt und bildet sogar das Schlusslicht. Pawelczyk weist auf die Grenzen dieses Mittels hin: "Die Gruppendynamik geht verloren", sagt er, "der Kommunikationskanal wird reduziert auf Hören und Sehen." Echte Körpersprache bleibe dabei ebenso auf der Strecke wie das spontane Abstimmen an der Kaffeetheke. Alles zu Tools auf CIO.de

Deloitte-CIO Schlößer berichtet: "Wir setzen auf eine Kombination aus Lync und SharepointSharepoint, weil sich Audio- beziehungsweise Videokommunikation hierbei sehr sinnvoll und natürlich mit konkreter Zusammenarbeit wie zum Beispiel der gemeinsamen Arbeit an einem Dokument kombinieren lässt." Spezielle Tools halten beide CIOs nicht zwingend für nötig. Pawelczyk sagt: "Das läuft auch auf Vertrauensbasis." Eine besondere Kontrollfunktion muss er nicht aufbauen. Alles zu Sharepoint auf CIO.de

Zur Startseite