Kostendruck versus Digitalisierung

CIOs üben 2020 den Spagat



Hans Peter Buse ist Director Restructuring bei A.T. Kearney.


Felix Kreichgauer ist Principal Digital Transformation bei A.T. Kearney.
Associate Digital Transformation A.T. Kearney

Legacy-Transformation als Voraussetzung für erfolgreiche Digitalisierung

Trotz intensiver Bemühungen um eine Modernisierung und Rationalisierung der bestehenden IT-Anwendungslandschaften erreicht ein großer Teil der Unternehmen die gesteckten Ziele nicht. Die Ausgaben für Betrieb und Wartung der Altsysteme, zu denen inzwischen längst nicht mehr nur alte Großrechner-basierte Anwendungen, sondern auch vor fünfzehn bis zwanzig Jahren eingeführte ERP- und CRM-Lösungen zählen, bleiben deshalb ein wesentlicher Teil der IT-Gesamtausgaben.

Selbst Unternehmen, die Digitalisierung klar als Element ihrer Strategie definieren, weisen in vielen Fällen einen Anteil der Betriebs- und Wartungsausgaben an den IT-Gesamtausgaben von über 80 Prozent aus. Die Investitionsspielräume für IT- und Digitalinnovationen sind deshalb gering.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass gerade das große Interesse an Digitalinitiativen und der Entwicklung neuer Geschäftsfähigkeiten in den vergangenen drei bis vier Jahren dazu beigetragen hat, dass sowohl Ressourcen als auch die Aufmerksamkeit des Top-Managements von wichtigen Legacy-Transformations-Projekten auf die digitalen Projekte 'umgeleitet' wurde, so dass nun quasi ein Transformationsstau entstanden ist, der wiederum die schnelle Umsetzung weiterer Innovationen behindert.

Denn die Legacy-Landschaft ist nicht nur kostenintensiv, sondern erfordert durch monolithische Konzepte, einen Mangel an Standardschnittstellen und enge Abhängigkeiten zwischen den Funktionen aufwendige Implementierungsprozesse. Diese bremsen eine agile Bereitstellung neuer Geschäftsfähigkeiten.

Aus dem Spektrum der möglichen Konsolidierungs- und Modernisierungsoptionen - von der Portierung einer Anwendung auf eine neue Plattform über das 'Einkapseln' bis hin zur Ablösung - gewinnt aktuell die Option des Ersatzes von Altanwendungen durch neue, vielfältige Software-as-a-Service-Lösungen an Bedeutung. Wesentliche Aspekte sind eine schnelle Verfügbarkeit der neuen Lösung, die Flexibilität und Modularität vieler dieser Lösungen sowie die Möglichkeit, ohne umfangreiche Anfangsinvestitionen rasch bestimmte Fähigkeiten bereitstellen zu können.

Allerdings erfordert dieser Transformationspfad häufig die Nutzung verschiedenster Cloud-Dienste, um ein typisches Spektrum von Geschäftsanwendungen abzudecken, so dass Unternehmen eine Fähigkeit zum Management diverser Cloud-Angebote bereithalten müssen. Die Vielfalt der Cloud-Dienste bezieht sich sowohl auf die Anwendungsschicht (Produkte verschiedener Anbieter, aber auch mehrere 'Clouds', das heißt Produkte eines Anbieters) als auch auf die unterliegende Architektur (hybride Lösungen, Ausdehnung von Public Clouds in das eigene Rechenzentrum hinein). Die entstehende Vielfalt bezeichnen wir mit dem Begriff Cloud Diversity.

Während die großen Cloud-Anbieter bereits mit dem Angebot spezialisierter Lösungen für das Management vielfältiger Cloud-Dienste und hybrider Varianten reagieren - Beispiele sind Google Anthos, MS Azure Arc oder auch die Services von Red Hat/ IBM -, ist der Aufbau entsprechender Fähigkeiten innerhalb der Nutzerunternehmen noch in einem frühen Stadium. Er wird jedoch 2020 ein wichtiger Trend werden, der voraussetzt, dass die Unternehmen eine geeignete Integrationsarchitektur definieren und eine entsprechende Integrationsschicht implementieren, die ein schnelles Einbinden neuer Services über Standard-APIs ermöglicht.

Transformation des IT-Operating-Modells

Gleichzeitig Kosten zu senken und neue Fähigkeiten aufzubauen, erfordert in den meisten Unternehmen eine Neugestaltung des IT-Operating-Modells. Während bis vor einigen Jahren ein klarer Trend darin bestand, in allen größeren Unternehmen eine eigene IT-Service-Gesellschaft zu gründen, um IT-Dienstleistungen für die Geschäftsbereiche aus einer zentralen Einheit zu liefern, ist nun vermehrt die Re-Integration von IT-Funktionen in die Geschäftsbereiche und Funktionen zu beobachten. Vor allem die angestrebte Agilität von Digitalinitiativen und die Absicht, Geschäftsprozesse von Grund auf zu verändern, verlangt es, die IT wesentlich enger mit anderen Fachdisziplinen zu verzahnen.

Ein Ansatz, den einige Unternehmen bereits eingeschlagen haben, ist eine Organisation nach agilen Prinzipien einzuführen, oft ausgeprägt als "BizDevOps"-Organisationsform, in der Fachdisziplinen, IT-Entwicklung und IT-Betrieb in funktionsübergreifenden Teams arbeiten. Das konsequente Einbinden der Fachdisziplinen, zum Beispiel mittels Übernahme der "Product Owner"-Rolle durch einen Fachvertreter, fördert den effektiven Einsatz von IT-Ressourcen im Sinne der Geschäftsstrategie.

Die Verantwortung für IT-Entwicklung und Betrieb zusammenzuführen, setzt Anreize für den effizienten Einsatz von IT-Ressourcen durch agile Vorgehensweisen und Automatisierung von wiederkehrenden Tätigkeiten. Bei einer gegebenen Anzahl von Ressourcen oder definierten übergreifenden Budgets für Entwicklung und Betrieb, und unter der Voraussetzung, dass in den betreffenden Einheiten auch die Legacy-IT-Systeme betreut werden, haben die Verantwortlichen einen starken Anreiz, durch konsequente Rationalisierung der Anwendungslandschaft Budgets für die Entwicklung neuer Geschäftsfähigkeiten freizuschaufeln.

Standard-IT-Services, darunter IT-Infrastruktur- und Benutzerservices, aber auch Informationssicherheit und Cyber-Defense-Services, werden zum großen Teil weiterhin zentral erbracht. Die enge Verwobenheit zwischen IT und Geschäftsbereichen in agilen Ansätzen ist ein zentraler Trend und wird sich in 2020 fortsetzen. Die IT löst sich somit vom bisherigen Konzept eines internen Dienstleisters oder Business Partners und wird mit wesentlichen Funktionen ein integraler Bestandteil der Geschäftsfunktionen.

Top 10 der wichtigsten CIO-Trends 2020

  • 1. Wertbeitrag durch IT und Digital: Fokus auf den messbaren Mehrwert durch IT-/Digitalprojekte

  • 2. Digitale Werte in Daten: Heben von Wertpotentialen durch intelligente Datenanalysen

  • 3. Cloud-Diversität: Nutzung von multiplen Cloud-Modellen für Flexibilität und Effizienz

  • 4. IT-Legacy-Transformation: Modernisierung der IT-Landschaft zur Vorbereitung der Digitalisierung

  • 5. KI in der Wertschöpfung: AI als zentraler Bestandteil von Produkt und Produktentwicklung

  • 6. Automatisierung durch KI: Umfassende Automatisierung von Unterstützungsprozessen

  • 7. Transformation des IT-Betriebsmodells: Umgestaltung von IT-Organisation und -Wertschöpfung

  • 8. Customer Experience: Services und Erlebnisse, die 'Wow-Effekte' beim Kunden auslösen

  • 9. Konvergenz von IT und OT: Zunehmende Überlappung und Annäherung von IT und Operational Technology (OT)

  • 10. Security und Compliance: Automatisierte Security Intelligence und Data Compliance.

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