Florian von Wangenheim im Gespräch
CRM nicht aus den Augen verlieren
Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.
Social Media zählt zu den wichtigsten Trends. Ist der Hype um das Marketing in sozialen Netzen berechtigt?
Florian von Wangenheim: Eigentlich wollen die Unternehmen doch ein komplettes Bild vom Kunden, eine 360-Grad-Sicht auf ihn. Dazu zählen zum einen ganz klassische CRM-Daten, die Angaben darüber liefern, wie oft er was gekauft hat, wie häufig er sich mit welchen Anliegen an den Service gewandt hat oder ob er bevorzugt über Call-Center, Internet, E-Mail etc. kommuniziert.
Zum anderen will man aber auch wissen, was der Kunde in sozialen Netzen tut, mit wem er sich vernetzt und ob er überhaupt aktiv ist. Man möchte seine Meinung zum Produkt kennen und ob er es weiterempfohlen hat. Sein Social Behavior ist eine Komponente im Gesamtverhalten des Kunden aus CRM-Sicht. Unter diesem Aspekt ist Social Analytics eine CRM-Teildisziplin, die sich mit dem Verhalten befasst, das nicht zwischen Unternehmen und Kunden stattfindet, sondern zwischen den Kunden.
Florian von Wangenheim ist seit April 2013 Professor of Technology Marketing an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich in der Schweiz. Zuvor war er mehr als sechs Jahre lang Professor für Dienstleistungs- und Technologiemarketing an der Technischen Universität München. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen unter anderem das wertorientierte Kunden-Management sowie die Technologienutzung in Anbieter-Kunden-Interaktionen. |
Das klingt, als ob die Analyse der Vorgänge im Social Web den Unternehmen völlig neue Erkenntnisse über die Kunden verschafft.
Florian von Wangenheim: Ja, und das bereitet uns Wissenschaftlern Kopfschmerzen, weil wir dieses neue Feld nicht mit den klassischen Werkzeugen bearbeiten können.
Inwiefern?
Florian von Wangenheim: Klassische CRM-Daten sind quantitativ, sie lassen sich sehr gut beziffern und analysieren: Wie viel hat der Kunde gekauft? Was hat er gekauft, und zu welchen Preisnachlässen? Wie oft hat er sich über etwas beschwert? Das alles lässt sich gut in Zahlen erfassen. Mit dieser Form der Erhebung ist die IndustrieIndustrie vertraut, die Analyse hat sie im Griff. Top-Firmen der Branche Industrie
Nun kommt plötzlich eine qualitative Dimension hinzu, also Freitext-Kommunikation mit unsauberen, unklaren Äußerungen. Hier gerät man auch in der Wissenschaft in neue Disziplinen. Plötzlich muss man sich mit Textanalysen befassen, mit bidirektionalen und Netzwerk-Analysen: Wer ist mit wem wie intensiv verbunden? Wer beeinflusst wen in welchen Segmenten? In der Offline-Welt war diese qualitative Analyse für viele oft ein Randthema, in der Online-Welt hat sie eine besondere Bedeutung bekommen.
Sentiment-Analyse ist weit fortgeschritten
Gibt es Tools, die diese Unschärfe in harte quantitative Fakten umsetzen?
Florian von Wangenheim: Es gibt zumindest Versuche. Anbieter entwickeln und investieren viel in IT-Lösungen. Es gibt gute Tools auf dem Markt und in der Wissenschaft, die Freitexte in quantitative Analysen umsetzen. Sie treffen Aussagen darüber, wie häufig ein Wort in welchem Kontext vorkommt und ob es in einem positiven oder negativen Umfeld erwähnt wird.
Das klingt aber noch nicht sonderlich beeindruckend.
Florian von Wangenheim: Doch, Anwender können etwa Kommunikation in sozialen MedienMedien nach verschiedenen Dimensionen bewerten. Wird wohlwollend oder ablehnend kommuniziert? Die Sentiment-Analyse, also Stimmungs-Analyse, ist weit fortgeschritten. Auch die gegenseitige Beeinflussung wird relativ fein ziseliert und voll automatisiert dargestellt. Natürlich funktioniert die Analyse nur so gut wie der dahinterstehende Algorithmus. Top-Firmen der Branche Medien
Die Grenzen der Semantik kann man beispielsweise ganz gut an gängigen Sprachübersetzungs-Tools erkennen. Die sind in den vergangenen Jahren zwar besser geworden, gleichzeitig weiß aber jeder Nutzer, dass da bisweilen auch ziemlicher Quatsch rauskommt. So ähnlich kann man sich die Ergebnisse aus den Analysen vorstellen. Sehr oft können sie den Ton einer Diskussion tatsächlich erkennen und darstellen. Aber manchmal liegen die Algorithmen auch kräftig daneben.
Wie entstehen die Algorithmen?
Florian von Wangenheim: Das hängt von den Tools ab. In der Wissenschaft spielt jetzt die Computerlinguistik eine große Rolle. Zuletzt war die Linguistik wenig gefragt. Mit den neuen Anforderungen an die Big-Data-Analyse erfährt sie nun aber einen enormen Aufstieg. Die Linguisten bringen ihre bekannten Erkenntnisse und Methoden zur semantischen Analyse in die Algorithmen ein, die wiederum von Mathematikern und Informatikern ausgestaltet werden. Was fehlt, ist der Übertrag ins CRMCRM. Alles zu CRM auf CIO.de