Kritik an IT-Gipfel-Konzept

"Das ist unendlich frustrierend"

Johannes Klostermeier ist freier Journalist aus Berlin. Zu seinen Spezialgebieten zählen unter anderem die Bereiche Public IT, Telekommunikation und Social Media.

CIO.de: Sind Sie enttäuscht von dem IT-Gipfel-Prozess?

Maurer: Ja. Die IT- und die Telekommunikationsindustrie in Deutschland ist insgesamt gar nicht so groß. Die Wertschöpfung liegt bei 60 Milliarden Euro, das ist insgesamt, wenn man sich das Bruttosozialprodukt von 2500 Milliarden anschaut, gar nicht so viel. Aber sie stellt einen gewaltigen Hebel für die Allgemeinheit dar. Ein Drittel bis zur Hälfte des Produktivitätszuwachses einer entwickelten Volkswirtschaft geht zurück auf die IT- und Telekommunikationsinfrastruktur. Wenn wir hier keine Revolution anzetteln - das hatte ich mir zu Beginn des Gipfelprozesses eigentlich erhofft -, dann werden wir, bezogen auf die künftige wirtschaftliche Entwicklung, verlieren.

Der falsche Ansatz

CIO.de: Haben Sie hier Hoffnung auf eine Wende?

Maurer: Ein Punkt, der immer wieder beklagt wird, ist, dass bei diesem Prozess mehr und mehr die Politik und weniger die Industrie die Feder führt. Das ist normal, wenn dort nichts Neues entsteht und die Unternehmen die Hoffnung verlieren, dass es dort zu einem Durchbruch kommt. Das ist aber der falsche Ansatz. Es wird nur dann funktionieren, wenn es so wird wie am Anfang, als ein Kagermann oder ein Obermann ein paar Themen vom Tisch genommen und auf höchster Ebene mit der Politik konkrete Vorschläge besprochen hat: Wie setzen wir es um? Und nicht die grundsätzliche Diskussion darüber geführt wurde: Was setzen wir um? Wir brauchen eine Agenda, mit der man nicht zu kurz springt.

CIO.de: Was sagen die Kollegen dazu?

Maurer: Die IT- und TK-Industrie hat kein Bedürfnis, dieses Ding kaputt zu reden, denn positiv ist doch: Wir haben eine Kanzlerin, die Physikerin ist und die uns versteht. Wir haben seit langer Zeit an der Spitze der Regierung jemanden, der sich mit dem Thema beschäftigt. Und sie weiß, dass es hier um die Schlüsselindustrie der Zukunft für die deutsche Wirtschaft geht. Zukünftige Wertschöpfung wird in intelligenten Infrastrukturen erbracht. Die grundlegenden Probleme werden auf dem Gipfel aber gar nicht diskutiert.

CIO.de: Der Gipfel erscheint also als eine Showveranstaltung, die eher schadet als nutzt, weil lediglich der Eindruck erweckt wird, dass da etwas passiert? Die Show verhindert aber, dass Dinge wirklich besprochen werden?

Maurer: Ja, das ist tatsächlich eine Gefahr: dass in den Köpfen der Politiker und auch von einigen Industrievertretern die Probleme, so wie sie dort verhandelt werden, ganz gut aufgehoben sind. Und man denkt, man hätte sie damit gelöst. Wenn man mehr will, wird das nicht im Konsens passieren können, denn über Visionen gibt es auch Streit. Der IT-Gipfel ist aber eine Konsensveranstaltung, da können Sie nicht so einfach ausbrechen. Der richtige Weg wäre es, das Ganze von oben neu aufzusetzen. Die Frage ist: Was ist das richtige Instrumentarium, damit wir die Themen gelöst bekommen? Und wie machen wir dann den Gipfel zu einer Aufbruchsveranstaltung?

Zur Startseite