Kritik an IT-Gipfel-Konzept

"Das ist unendlich frustrierend"

Johannes Klostermeier ist freier Journalist aus Berlin. Zu seinen Spezialgebieten zählen unter anderem die Bereiche Public IT, Telekommunikation und Social Media.

CIO.de: Ist dieser Konsenswunsch ein typisch deutsches Problem?

Maurer: Ich glaube, das ist etwa im öffentlichen Raum in den USA genauso. In den Länder, die größere Erfolge haben, steht aber am Anfang nicht die Frage: Was wollen wir uns vornehmen? Am Anfang stand eine Vision der zukünftigen Entwicklung und eine klare Zielsetzung, die einen Unterschied macht - dann die Umsetzung in eine Regulierungsagenda und ein Framework für den Markt, der da entstehen soll. Zuerst gab es aber stets den politischen Willen, das Richtige zu tun.

Deutschland besitzt alles, um ganz vorne mitzuspielen

Mit dem Richtigen meine ich: Nicht eine Selbstverpflichtung auf Breitbandziele, die wir im Business as usual noch gerade so erreichen, sondern einen Sprung nach vorne - in einem tragfähigen Rahmen, der diese Investitionen ermöglicht und beschützt. Der Glasfaserausbau oder eine Infrastruktur für E-Mobilität kosten halt Geld. Und ohne Investitionen und ohne die Hilfe des Staates wird zwar vieles kommen, aber sehr, sehr langsam.

CIO.de: Verzweifeln Sie daran?

Für mich persönlich ist das schon unendlich frustrierend, weil ich seit 15 Jahren sehe, dass wir zwar weiterhin Erfolge im Export in den alten Industrien schaffen, es uns aber bei den großen Herausforderungen - die uns letztlich hier selbst das Leben lebenswerter machen werden - nicht gelingt, die Dinge richtig in die Spur zu bringen.

CIO.de: Haben Sie noch Hoffnung für Deutschland?

Ja. Ich schreibe gerade ein Buch darüber, das im Herbst erscheinen soll. Es wird wohl „Die Innovationsweltmeister" heißen. Meine Kernthese darin ist: Deutschland besitzt eigentlich alles, um ganz vorne mit zu spielen. Wir konnten es uns nur zu lange leisten, im Hier und Jetzt an unserer Produktivität zu schrauben, aber nichts wirklich Neues anzufassen. Das geht aber nicht endlos. Es braucht dafür ein Aufräumen der politischen Agenda - und in der Wirtschaft ein paar Köpfe, die sich mutig auf die Seite stellen und einen Vorschlag auf den Tisch legen, was und wie sie es tun wollen.

Boris Maurer lebt und arbeitet als freiberuflicher Berater in Berlin. Den promovierten Volkswirt faszinieren große und nachhaltige Transformationsprozesse und der Einsatz moderner Technologien als Plattformen für nachhaltiges Wirtschaften.

Bis Mitte 2010 war er Partner bei McKinsey und Company, wo er 14 Jahre Unternehmen und Institutionen in Hi-Tech, Telekommunikation, Medien, IT, Energie und im öffentlichen Sektor unterstützt hat. Boris Maurer war dort einer der weltweiten Leader der Innovation Practice. Sein Interesse gilt komplexen ökonomischen und politischen Veränderungen. So hat er bei McKinsey unter anderem die Initiativen „Start up!", „Perspektive Deutschland", „Deutschland 2020" und „Berlin 2020" mit verantwortet.

Maurer hat Beratungsprojekte im Kanzleramt und Ministerien zu Innovations- und Strategiethemen geleitet, regionale Entwicklungsstrategien in mehreren Bundesländern und Großstädten entwickelt und den Umbau der Bundesagentur für Arbeit zum führenden Dienstleister am Arbeitsmarkt begleitet.

Zur Startseite