Bitkom-Chef Rohleder im Interview

"Das Thema Digitalisierung erzeugt Ängste"

Jan-Bernd Meyer betreute als leitender Redakteur Sonderpublikationen und -projekte der COMPUTERWOCHE. Auch für die im Auftrag der Deutschen Messe AG publizierten "CeBIT News" war Meyer zuständig. Inhaltlich betreute er darüber hinaus Hardware- und Green-IT- bzw. Nachhaltigkeitsthemen sowie alles was mit politischen Hintergründen in der ITK-Szene zu tun hat.

Wir haben da fast ein Luxusproblem

Es wird immer gern kritisiert, dass Deutschland bezüglich der digitalen Ausbildung ins Hintertreffen geraten ist. Wer ist denn jetzt gefordert, um hier Abhilfe zu schaffen? Die Unternehmen? Die Politik? Ist das eine Bringschuld? Oder gibt es auch eine Holschuld?

Bernhard Rohleder: Es gibt auch eine Holschuld. Etwa bei Mitarbeitern. Die sind zwar in vielen, aber eben nicht in allen Fällen sehr weiterbildungsbereit. Wir sehen das an Schulen, wo 20 Prozent der Lehrer in den vergangenen fünf Jahren keine Weiterbildung mehr besucht hat und hierzu auch nicht willens ist. Hier gibt es durchaus eine Verpflichtung jedes Einzelnen, sein Wissen aktuell zu halten. Ansonsten sind aber sowohl die Politik als auch die Wirtschaft gefordert. Die Unternehmen sollten dabei nicht nur auf ihre Auftragsberge sehen, die sie momentan haben und die sie abarbeiten müssen. Sie müssen sich auch mit Geschäftsentwicklung und Unternehmensstrategie befassen und eben auch mit ihren Beschäftigten. Die sollen ja nicht nur das aktuelle Geschäft betreiben können, sondern auch das künftige.

Diesbezüglich haben wir hierzulande momentan fast ein Luxusproblem: Dadurch, dass die Wirtschaft momentan so gut läuft, fehlt oft die Aufmerksamkeit im Management für neue Geschäftsstrategien und Weiterbildung. Für diese vollen Auftragsbücher beneidet uns zwar einerseits die ganze Welt. Andererseits aber ist es fast schon ein Nachteil, weil uns so Kapazität zur Beschäftigung mit den langfristig wichtigen Themen fehlt.

Die Politik hat erkannt, was da auf die Volkswirtschaft zukommt

Der Bitkom steht im regen Austausch mit der Politik. Haben Sie das Gefühl, dass die Politik klar im Blick hat, was da für eklatante Veränderungen auf die Arbeitswelten und die Gesellschaften zukommen - eben wegen der Digitalisierung, Automatisierung, Robotik etc.?

Bernhard Rohleder: Die Politik hat erkannt, was da auf die Unternehmen und damit auf die Volkswirtschaft insgesamt zukommt. Und dass hier dringend Handlungsbedarf besteht. Die Schlussfolgerungen, die daraus gezogen werden, sind allerdings aus unserer Sicht nicht immer die richtigen. Zum Teil werden politisch Verteidigungskämpfe gefochten, wo man alte Geschäftsmodellen zum Beispiel durch ein Leistungsschutzrecht zu erhalten versucht, obwohl sie auf Dauer nicht tragbar sein werden. Ähnliches sehen wir auf Urheberrechtsfeldern, wo im Moment gekämpft wird.

Wir erleben das auch bei der grundsätzlichen Diskussion um die föderale Hoheit in den Ländern bezüglich der Kultur und damit auch der Bildung. Die Frage könnte sein, ob Bildungspolitik Kirchturmpolitik bleiben darf und die richtige Antwort auf die Globalisierung ist. Wahrscheinlich nein. Die Antworten sind also nicht immer richtig, aber die Dimension der Aufgabe ist erkannt.

Wir haben natürlich die Herausforderung, dass Politik in Vierjahres-Zyklen tickt. In den Legislaturperioden lassen dabei ohnehin nur die ersten zwei Jahre echten Gestaltungsspielraum. Nur in denen kann auch mal eine unpopuläre aber notwendige Entscheidung getroffen werden. Jetzt aber gilt es, mit einem Blick auf die kommenden zehn, zwanzig Jahre die Weichen richtig zu stellen. Und diese beiden Zeiträume passen nicht zueinander. Das führt dazu, dass man in der Politik weitgehend die Augen davor verschließt, dass jedes zweite Arbeitsverhältnis hier in Deutschland durch die Digitalisierung ganz neu definiert werden muss.

Ganz konkret Ross und Reiter zu nennen, scheut man sich

Aber würde denn eine Partei, die jetzt die Themen Digitalisierung, Automatisierung und die damit verbundenen Folgen für Arbeitsplätze in ihr Programm aufnimmt - würde solch eine Partei damit nicht beweisen, dass sie auf der Höhe der technischen Diskussion ist und sich damit als kompetent darstellen?

Bernhard Rohleder: Das Thema Digitalisierung bietet sicher auch Profilierungsmöglichkeiten. Aber dieses Thema ist auch eines, das die Leute erschrickt. Es erzeugt Ängste, und das ist nur allzu menschlich. Denn damit ist ein tiefgreifender Wandel verbunden, der jeden von uns betrifft. Da scheut die Politik vor klaren Worten zurück. Nehmen Sie die Fragen "Welche Beschäftigungen gibt es noch? Welche werden wegfallen? Welche werden neu entstehen?"

Über neu entstehende Beschäftigungen redet man sicher gerne. Aber ganz konkret Ross und Reiter zu benennen, wo es um den Wegfall von Qualifikationen und Beschäftigungsmerkmalen geht, da scheut man sich. Dabei müssten wir einen ganz klaren Ton wählen und eine klare Sprache, damit junge Menschen, aber auch Ältere die richtigen Entscheidungen für sich treffen können. Immer den einfachsten Weg zu gehen, nach dem Motto "Die Renten sind sicher!" - damit ist niemandem geholfen.

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