Siemens-CIO Hanna Hennig

Das Vertrauen in die IT ist gewachsen

Wolfgang Herrmann ist IT-Fachjournalist und Editorial Lead des Wettbewerbs "CIO des Jahres". Der langjährige Editorial Manager des CIO-Magazins war unter anderem Deputy Editorial Director der IDG-Publikationen COMPUTERWOCHE und CIO sowie Chefredakteur der Schwesterpublikation TecChannel.

Strategisches Thema Mobile Work

Zu Hennigs strategischen Prioritäten gehört auch das Thema Mobile Work. Grundsätzlich setzt Siemens auf Vertrauensarbeitszeit, die Mitarbeiter können selbst entscheiden, wo und wann sie arbeiten. Vom Unternehmen gebe es sogar die Empfehlung, zwei bis drei Tage pro Woche zuhause beziehungsweise mobil zu arbeiten. Künftig sollen möglichst alle Prozesse in diesem Kontext digital laufen. Dazu habe man digitale User Journeys entworfen.

Konzernzentrale in München: Siemens setzt auf Ver­trauensarbeitszeit. Die Mitarbeiter können selbst entscheiden, wo und wann sie arbeiten.
Konzernzentrale in München: Siemens setzt auf Ver­trauensarbeitszeit. Die Mitarbeiter können selbst entscheiden, wo und wann sie arbeiten.
Foto: Siemens AG

Um den Mitarbeitern eine sichere Rückkehr ins Büro zu ermöglichen, kooperiert Siemens unter anderem mit Salesforce. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit entsteht gerade eine Suite aus IT-Lösungen, die in der Siemens Smart-Infrastructure-Zentrale im schweize­rischen Zug pilotiert und später weltweit ausgerollt werden soll. Ein zentrales Thema ist das "Contactless Office": Über das System "Comfy" sollen sich Angestellte vorab einen Arbeitsplatz im Büro buchen können. Die Authentifizierung funktioniert über eine App, ein digitaler "Boarding Pass" gewährt den Zugang zum Gebäude. Am Arbeitsplatz könnten künftig Sensoren Auskunft über die Anwesenheit von Mitarbeitern geben. Selbst Fahrstühle im Gebäude ließen sich kontaktlos bedienen.

Neben der Office IT hat Hennig auch im Backend Großprojekte zu stemmen. Besonders wichtig ist das Thema Daten mit einem Schwerpunkt auf Data Governance. Die IT-Chefin will die zahlreichen verteilten Datentöpfe im Konzern konsolidieren. Das beginnt bei den Stammdaten, für die es bei Siemens nun mehrere "globale Owner" gibt. Diese machen beispielsweise Vorgaben, wie Daten gepflegt und aufbereitet werden, so Hennig.

Stammdaten-Management und Data Governance sind auch wichtige Aspekte bei der Digitalisierung in den Werken. Hier entstehen beispielsweise "Manufacturing Data Platforms", die Daten aus unterschied­lichen Quellen und in verschiedenen Formaten zusammenführen sollen. Generell müssten IT und OT (Operational Technology) enger zusammenrücken, fordert die Managerin. Der Aufwand lohne sich: Rund 60 Prozent aller Aufgaben in der Fertigungsindustrie ließen sich automatisieren. Damit könnten sowohl die Produktivität und Produktqualität als auch die Sicherheit im Unternehmen erhöht werden.

S/4HANA Migration gestartet

In Sachen Datenhaltung setzt Siemens schon seit längerem auch auf SAPs HANA-Datenbank. Sie ist eine Voraussetzung für die geplante Migration auf das neue Kernsystem SAP S/4HANA, ein Mammutprojekt angesichts der zahlreichen unterschiedlichen SAP-Instanzen, die konzernweit im Einsatz sind. Die Migration habe bereits begonnen, so Hennig. Im Finanzbereich sei S/4HANA in der On-Premises-Variante schon im Betrieb, weitere Bereiche sollen folgen.

Die CIO setzt dabei auf das Konzept "Lean ERPERP": Im ersten Schritt, der voraussichtlich zwei Jahre dauern wird, soll ein "modifikationsfreier SAP-Kern" entstehen, der in SAPs Public Cloud läuft. Ein erster Pilot dazu startet im nächsten Jahr. Bis alle Konzernbereiche mit insgesamt rund 140.000 SAP-Usern auf S/4HANA umgestiegen sind, wird es laut Hennig allerdings noch rund sieben Jahre dauern. Alles zu ERP auf CIO.de

Innovationen und Startups

Die Modernisierung im Backend soll dazu beitragen, dass im Konzern noch mehr Innovationen entstehen. Siemens ist in dieser Hinsicht schon gut aufgestellt, betont die CIO. Rund 45.000 Mitarbeiter sind im Bereich Forschung und Entwicklung beschäftigt, in den das Unternehmen jedes Jahr rund fünf Milliarden Euro stecke. Schon 2016 gründete Siemens das Venture-Unternehmen "Next 47", das in vielversprechende Technologie-Start­ups investiert. Inhaltlich geht es beispielsweise um Augmented und Virtual RealityVirtual Reality (AR/VR), Internet of ThingsInternet of Things (IoT), Additive Fertigung und RobotikRobotik. "Die Startups müssen aber auch Profit bringen", sagt Hennig. Alles zu Internet of Things auf CIO.de Alles zu Roboter auf CIO.de Alles zu Virtual Reality auf CIO.de

Die Unternehmens- und IT-Fakten der Siemens AG.
Die Unternehmens- und IT-Fakten der Siemens AG.
Foto: cio.de

Eine von der IT gestartete Initiative ist das Digital Enablement Center (DEC). Dabei handelt es sich um eine virtuelle Organisation, in der neben ITlern auch Mitarbeiter aus allen Business-Einheiten des Konzerns sitzen. Ziel des DEC ist es, die Aufgaben dieser Geschäftsbereiche optimal und vorausschauend mit neuen Technologien zu unterstützen. Das gilt etwa in der Produktentwicklung oder für das Zusammenführen von OT und IT. Hier arbeitet das Team unter anderem an der virtuellen Steuerung von Maschinen in den Werken.

Ein besonders zukunftsträchtiges Thema ist die "Factory AI". Das Digital Enablement Center stellt den Werken beispielsweise passende Google-Algorithmen zur Verfügung, damit sie ihre eigene KI trainieren können. Ein Anwendungsfeld ist die Qualitätssicherung. Auf diesem Weg entstand beispielsweise ein "Visual-Inspection"-System, das mittlerweile in sechs Werken im produk­tiven Einsatz ist.

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