IT-Arbeitsmarkt
Das Werben um Fachkräfte nimmt zu
Bewerbung mit 50+
Wenn die Zahl der Stellen mehr und die Zahl der jüngeren Bewerber abnehmen wird, kann die Wirtschaft nicht mehr auf die älteren Arbeitnehmer verzichten. Zu dem Schluss kommt nicht nur die Bundesagentur für Arbeit in ihrer Sudie. Zudem hat der Gesetzgeber der Rente mit 60 Gesetzgeber seit 1. Januar 2011 einen Riegel vorgeschoben. Langsam entdeckt auch der ein oder andere Arbeitgeber eine neue Zielgruppe. Dazu Msg-Systems-Personalchef Wittemer: " Wir bauen genauso auch auf ältere Mitarbeiter, daher gibt es bei uns keine Altersteilzeitregelung. Wir laden auch ältere Bewerber zum Vorstellungsgespräch ein und haben schon einige über 50-Jährige eingestellt. Vor allem für große Softwareintegrationsprojekte brauchen Berater Erfahrung und nicht nur Methodenwissen. Bei älteren Softwareentwicklern ist es wichtig, dass sie nicht in ihrer Technologie verharren, sondern sich für andere Programmiersprachen öffnen und sich weiterqualifizieren."
Auch Georg Moosreiner, Vorstand der SEP AG, einem Hersteller von Backup- und Recovery-Software mit Sitz im oberbayerischen Weyarn, kennt den Wert der älteren Mitarbeiter: Da viele Kunden eine sehr heterogene IT-Infrastruktur mit zahlreichen alten Systemen haben, die die Software abbilden muss, ist die Erfahrung der Älteren notwendig. Moosreiner setzt auf einen Mix aus Jung und Alt, erwartet aber von den erfahrenen Mitarbeitern, dass sie "teamfähig sind und mit den Jüngeren zusammenarbeiten." Die Tätigkeitsfelder für Mitarbeiter ab 55 Jahren sieht der Unternehmer eher im Service und Vertrieb, aber nicht in der Entwicklung: "Als Softwareentwickler muss man geistig jung sein und darf keinen eingeengten Blick haben."
Wenn in der Öffentlichkeit die Rente ab 67 diskutiert wird, bemüht man gern den Dachdecker als Paradebeispiel, warum die gesetzlichen Vorgaben in der Praxis nicht umzusetzen sind. IT-Profis müssen zwar nicht auf Dächern herumklettern, sind aber in der schnelllebigen Branche Belastungen anderer Art ausgesetzt: In der Krise müssen sie um ihren Arbeitsplatz bangen und viel mehr investieren, um an neue Aufträge zu kommen. Stress löst auch der boomende Markt aus, wenn das Unternehmen zu wenig Ressourcen hat, um die Kundenaufträge abzuarbeiten.
Thomas Leibfried fällt auf Anhieb kein einziger IT-Beruf ein, in dem man stressfrei altern könnte. Auch wenn das Gros seiner Mitarbeiter zwischen 36 und 50 Jahren sind, beschäftigt sich der Personalleiter von Computacenter schon heute damit, wie sich eine KarriereKarriere in der zweiten Hälfte des Berufslebens gestalten lässt. "Überall dort, wo Erfahrung eine große Rolle spielt, sind ältere Mitarbeiter gut aufgehoben, etwa im Projekt- oder Service- und Key Account Management. Auch unsere Kunden werden älter und fühlen sich mitunter wohler, wenn sie gleichaltrige Ansprechpartner haben." Den IT-Berater sieht er dagegen nicht als einen Beruf an, den man jahrzehntelang und bis zum Rentenalter ausüben könne. Dafür sei die Belastung durch parallele Projekte und das ständige Reisen zu hoch. Auch wenn Leibfried in den vergangenen Jahren schon etliche Bewerber über 50 einstellte, hat er noch kein Patentrezept für die zweite Karriere in der IT gefunden: "Ein Ansatz könnte es sein, dass erfahrene Mitarbeiter zehn bis 20 Prozent ihrer Arbeitszeit dafür aufwenden, um als Mentoren oder Trainer ihr Wissen weiterzugeben. Es reicht nicht aus, das Wissen nur schriftlich zu dokumentieren." Alles zu Karriere auf CIO.de
In welchen IT-Berufen kann man bis 67 Jahren arbeiten? Kann eine lineare Gehaltsentwicklung - je älter ich werde, desto mehr verdiene ich - Bestand haben, wenn es immer ältere Mitarbeiter gibt? Auf diese Fragen gibt es heute in der IT-Branche noch keine Antworten, da die Unternehmen erst beginnen, sich mit dem Thema Demografie zu beschäftigen. Unternehmer wie Moosreiner oder Personalchefs wie Leibfried sind aber der Ansicht, dass man gehaltliche Abstriche von älteren Bewerbern durchaus erwarten könne.
Vergebliches Werben um Frauen
Neben den älteren IT-Mitarbeitern gelten die Frauen als die Zielgruppe, um die sich die Wirtschaft mehr bemühen sollte - insbesondere vor dem Hintergrund, wenn Fachkräfte rar werden. Doch für Frauen ist die IT-Branche schon lange, bevor sie in die Familienphase eintreten, nicht attraktiv. Zwar entscheiden sich jedes Jahr mehr Abiturienten für ein Informatikstudium, 2010 gab es 39.400 Erstsemester -, aber der Frauenanteil unter den Informatikstudenten bleibt seit Anfang der 70er Jahre konstant unter 20 Prozent. Claudia Gharavi, Geschäftsführerin des Rechenzentrumsbetreibers Mesh GmbH, hätte gern eine Frau in ihrer Technikabteilung etabliert, es aber bisher nicht geschafft.
Das fängt schon damit an, dass sich auf eine Technikerstelle zwar 80 bis 100 Kandidaten bewerben, darunter aber nur fünf Prozent Frauen. Gharavi musste die Erfahrung machen, dass sich Praktikantinnen in dem männerbesetzten, sehr technikorientierten Umfeld nicht durchsetzen konnten. Durchsetzungsfähigkeit bräuchten die Frauen in der IT aber genauso wie Ausdauer, sagt die Managerin, die selbst zwei kleine Kinder hat: "Frauen, die Beruf und Familie verbinden wollen, müssen eine lange Durstrecke überstehen. Schließlich ist auch unser Steuersystem so gestrickt, dass sich ein Teilzeitjob nicht auszahlt, wenn man die schlechtere Steuerklasse hat." Und mit den Teilzeitjobs verhält es sich so wie mit den Berufen für die zweite Karrierehälfte: Diese werden in Zukunft noch mehr gebraucht, wenn die Wirtschaft das Potenzial der Älteren und der Frauen für sich erschließen will. Doch in der Praxis sind qualifizierte IT-Jobs in Teilzeit genauso so rar wie stressfreiere IT-Jobs für Ältere.