Strategien


RTL-CIO Penning

Der Kampf gegen Netflix und Amazon fordert die IT

Andrea König schreibt seit 2008 für CIO.de. Die Schwerpunkte ihrer Arbeit für die CIO-Redaktion sind Themen rund um Karriere, soziale Netzwerke, die Zukunft der Arbeit und Buchtipps für Manager. Die Arbeit als freie Autorin für verschiedene Redaktionen ist mittlerweile kein Vollzeitjob mehr - hauptberuflich arbeitet sie als PR-Beraterin bei einer Hamburger Kommunikationsagentur.
RTL-CIO Frank Penning erklärt, wie sich die Umbrüche in der Medienbranche auf die Anbieterunternehmen und deren IT auswirken.
"Fernsehsender sind heute vollständig digitale Betriebe, da besteht alles aus IT", sagt Frank Penning, CIO der Mediengruppe RTL Deutschland.
"Fernsehsender sind heute vollständig digitale Betriebe, da besteht alles aus IT", sagt Frank Penning, CIO der Mediengruppe RTL Deutschland.
Foto: RTL / Jürgen Naglik

Für Frank Penning, den CIO der Mediengruppe RTLRTL Deutschland, befindet sich die Medienindustrie schon in ihrer zweiten Digitalisierungswelle. Die erste begann vor 20 Jahren - damals wurden Medienbetriebe digitalisiert und Produktionsverfahren automatisiert. Die nun laufende zweite Welle betrifft weniger die Firmen selbst, sondern die Konsumenten. Top-500-Firmenprofil für RTL

Zuschauer wechseln die Distributionskanäle

"Der Zuschauer hat sich gar nicht verändert. Er hat immer noch das gleiche Bedürfnis wie vor 20 Jahren", erläuterte Penning auf dem automotiveIT-Kongress in Berlin. Auch heute wollten MediennutzendeMediennutzende genau dann unterhalten werden, wenn sie Zeit und Lust dazu hätten. Der entscheidende Unterschied: In der zweiten Digitalisierungswelle haben Zuschauer die Distributionskanäle gewechselt. Sie konsumieren TV-Sendungen nicht mehr nur über Kabel oder Satellit, sondern über das Internet und meist auf ganz anderen Geräten, darunter Tablets oder Video-fähige Smartphones. Penning: "Heute haben Kunden die Möglichkeit, jederzeit einen Screen vor sich zu positionieren und in ultrascharfer Qualität Content zu genießen." Top-Firmen der Branche Medien

Viele technische Barrieren sind inzwischen aufgebrochen, einstige Monopole und die berüchtigten Gatekeeper weitgehend verschwunden. "Früher musste man zu einem Broadcaster gehen, und wenn es geklappt hat, wurde man ausgewählt und ausgestrahlt", blickt Penning zurück. Heute könne jeder seine Inhalte ausstrahlen: Durch User Generated Content bei TikTok, Youtube oder Instagram sind Inhalte zu jeder Zeit und immer dann verfügbar, wenn Menschen ein Bedürfnis nach Unterhaltung haben.

Konkurrenz durch Streaming-Dienste

Doch die sozialen Medien sind nicht die einzigen, die den Medienunternehmen Konkurrenz machen. Hinzu kommen Streamingdienste wie Netflix, AmazonAmazon Prime oder Hulu. Sie bieten Content parallel zu den Fernsehsendern an. Penning: "Die Fernsehsender wurden rechts überholt von jemandem, der einen anderen Distributionsweg nutzt und damit bei Kunden ankommt." Alles zu Amazon auf CIO.de

Die zweite Digitalisierungswelle ist nach seiner Einschätzung geprägt durch eine Jagd nach exklusivem Content, den Anbieter auf ihren Plattformen anbieten können. "Jede Plattform versucht mit dem exklusiven Content, Kunden auf ihr Abo-Modell zu ziehen und damit entsprechend zu wachsen", so Penning. So haben beispielsweise Netflix und Amazon Prime begonnen, selbst Content zu produzieren.

Dieses Angebot hat in den USA dazu geführt, dass sich deutlich mehr Menschen dazu entschieden, ihren Kabel- oder Satellitenanschluss entweder zu kündigen oder nach einem Umzug gar nicht erst einzurichten. Die Zahl der sogenannten "Cord Cutters und Cord Nevers" hat sich laut einem Bericht der auf Media-Analysen spezialisierten Firma nScreenMedia seit 2014 verdreifacht: von 15,6 Millionen auf zirka 50,4 Millionen. Ähnliche Effekte sehe man auch in Europa, beispielsweise in Schweden, berichtet Penning.

Neue Anforderungen an die IT

Das Geschäftsmodell der Broadcaster hat sich dabei weg vom klassischen Werbemodell und hin zu einem Abo-Modell verschoben. Damit verbunden sind große Veränderungen in den internen Prozessen und in Sachen IT-Unterstützung. So steigen die Anforderungen an die IT etwa, wenn im Zuge eines Abo-Modells auf einmal mehrere Millionen Rechnungen pro Monat verschickt werden müssten. "Fernsehsender sind heute vollständig digitale Betriebe, da besteht alles aus IT", sagt Penning. Gerade Portale wie TVNOW seien relativ komplex bezüglich ihrer Anforderungen an die IT.

IT-Nachwuchs dringend gesucht

Entsprechend hoch ist der Bedarf an IT-Fachkräften bei RTL: "Im Gegensatz zu vielen anderen auf dem Markt stehen wir nicht auf der Liste der Top IT-Arbeitgeber", so der CIO. Während Medientechniker früher bei RTL, ProSieben oder dem WDR gearbeitet hätten, konkurrierten Medienunternehmen heute zum Beispiel auch mit den großen Automobilherstellern oder börsennotierten Konzernen wie Bayer. Penning: "Für uns ist es wahnsinnig wichtig, so attraktiv zu sein, dass wir richtig gute Köpfe bekommen. Gerne auch die zweitbesten Köpfe, die sich dann bei uns zu den besten Köpfen entwickeln." Man bemühe sich sehr um eine Arbeitsumgebung, die dafür sorgt, dass IT-Nachwuchskräfte auch bei RTL anfangen möchten.

Local Hero neben Netflix

In der Jagd nach Content und Abonnent*innen verfolgt RTL laut Penning eine "Local Hero"-Strategie: "Wir konzentrieren uns auf den Markt, den wir als deutscher Broadcaster kennen, nämlich auf Deutschland." RTL setze mit TVNOW auf ein reines Streaming-Portal, und nicht auf eine Mediathek. Der Streaming-Dienst mit Abokosten habe nicht den Anspruch, Netflix auf dem deutschen Markt zu ersetzen, sondern mit exklusiven Inhalten einen Platz neben dem mächtigen Konkurrenten einzunehmen.

Während RTL einerseits für eine relativ junge Zielgruppe produziere, die eigentlich nur noch Videos auf Abruf wolle, gäbe es auch eine deutlich ältere Zielgruppe, die sich durchaus noch im linearen Fernsehen zuhause fühle und dort Inhalte konsumiere. "Junge Menschen kennen Video on Demand nicht mehr anders, die werden das auch nicht mehr anders akzeptieren", sagt der RTL-CIO. Dem würden Medienunternehmen sukzessive folgen, mit einem klaren Fokus auf Deutschland und bestimmte Inhalte und Zielgruppen. Dennoch gibt es aus seiner Sicht bestimmte Inhalte, beispielsweise Live-Veranstaltungen wie Fußballspiele, die auch weiterhin nur linear funktionierten. Spielfilme oder Serien hingegen könne man nur als Video on demand erfolgreich anbieten.

Plattformen investieren Milliarden in Content

Um exklusive Inhalte zu produzieren und Abo-Kunden zu gewinnen, investieren vor allem die großen Plattformen viel Geld. Penning nennt die folgenden Zahlen: Netflix gebe sieben bis acht Milliarden Dollar pro Jahr für Content aus. Bei RTL sind es laut seinen Angaben eine bis 1,2 Milliarden. ProSieben investiere ungefähr genauso viel. Bei den Öffentlich-Rechtlichen liege die Investitionssumme zwischen 2,5 und drei Milliarden Euro pro Jahr.

Was bedeutet das für die IT der Medienunternehmen? "90 Prozent des Internet-Traffics, den wir aktuell erzeugen, ist bereits audiovisueller Content", sagt Penning. Netflix habe aktuell knapp zehn Millionen Accounts in Deutschland, bei RTLs Streaming-Portal TVNOW seien es mehr als zwei Millionen, Tendenz steigend. Der Distributionsweg für diese Art von Content funktioniert künftig nur noch mit einer leistungsstarken IT, ist sich der CIO sicher: "On Demand wird der Standard".

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