Wahnsinn im Postfach
Die größten E-Mail-Sünden
Die Vermeidungssünden
Der Sender der E-Mail im obigen Beispiel wollte eigenen Zeitaufwand für Zusammenfassung und Koordination vermeiden - aber das gelingt mit E-Mails nie. Probieren Sie es erst gar nicht. Wenn Zusammenfassungen nötig sind, schreiben Sie diese gleich und verschonen Sie Kollegen und Chefs mit den Primärmails aus Ihrem Team oder aus der Diskussion mit dem Einkauf.
- Es gab einmal ...
... Zeiten, in denen jeder Chef eine oder gar mehrere Sekretärinnen hatte, die ihm jeden Wunsch von den Lippen ablasen. - Selbst ist der Chef ...
... heißt es heute immer öfters. Für das Fachblatt "Gabriele - Die perfekte Sekretärin" war die Vorstellung vom Chef an der Schreibmaschine 1956 freilich nur ein Witz und undenkbar. - Vor 50 Jahren war der Chef der unangefochtene Herrscher ...
... Heute haben manche Führungskräfte ihre Not, sich selbst, ihre Termine und den "ganzen Schreibskrams" selbst zu organisieren. - Die perfekte Sekretärin war früher schon flexibel ...
... heute müssen das auch viele Chefs sein, wenn sie Führungs- und Assistenzaufgaben unter einen Hut bringen müssen. - Zwei Sekretärinnen ...
... hatte früher oft ein Chef. Heute gibt es IT-Firmen, in denen sich 160 Mitarbeiter zwei Assistentinnen teilen müssen. - Tippex und Durchschlagpapier ...
... waren in den 70er Jahren unersetzliche Begleiter im Büro. Heute versuchen Firmen Sekretariate durch Office-Software zu ersetzen, was nicht immer klappt. - Eine perfekte Sekretärin ...
... wird ein IT-Manager nie. Er sollte sich auch nicht unter Druck setzen, immer erreichbar zu sein, sondern ... - ... immer ein anderes Teammitglied festlegen, ...
... das auch nach Feierabend erreichbar ist.
Richtig schlimm wird es, wenn viel beschäftigte Führungskräfte Entscheidungen per E-Mail treffen. Die Sachlage mag noch so klar erscheinen - das Thema wäre nicht auf Chef-Ebene gelandet, wenn es einfach gewesen wäre, denn dann hätte schon jemand anders entschieden. Es geht in der Regel um ein strittiges Thema und dafür ist es erforderlich, alle Seiten synchron in Rede und Gegenrede zu hören. Derjenige, der nicht gehört wurde oder dessen Argumente in der Mailkette untergegangen oder nicht verstanden wurden, ist demotiviert. Der vermeintliche Sieger wird damit auch nicht froh, wenn er den Kollegen zur weiteren Zusammenarbeit braucht - und vor allem: Die Entscheidung könnte suboptimal sein, wenn sie schon nicht falsch ist.
Vermeiden von Verantwortung per E-Mail ist auch ein beliebtes Spiel. Allerdings hat auch dieses Spiel nur Verlierer. Wer immer mit möglichst großem Verteiler schreibt, erreicht damit nur, dass sich am Ende keiner mit dem Thema identifiziert und er selbst mit dem Thema doch allein bleibt. Es gibt zwar immer wieder Empfänger, die E-Mails beantworten, obwohl sie diese nur in Kopie erhalten haben, aber eigentlich ist ja nur der direkte Empfänger angesprochen. Der hat vielleicht wenig Lust, eine Mail-Konversation mit 20 Leuten zu führen.
Gedankenlosigkeit, strukturelle Verantwortungslosigkeit und fehlendes Bewusstsein über das, was man kommunikativ anrichtet, mitunter auch mangelnde Ausbildung (was haben Sekretärinnen früher ihre Chefs an der Hand genommen in Bezug auf deren Korrespondenz!) haben zu einer weitgehend verlotterten E-Mail-Kultur geführt. Besorgniserregend sind deshalb die typischen Krankheitszeichen für eine nicht mehr performante Organisation: "Ich bekomme so viele E-Mails, die kann ich nicht mehr alle lesen - geschweige denn beantworten. Ich warte, bis es so wichtig ist, dass man mich anruft oder das Thema in den Meetings behandelt wird." Das ist zwar aus dem Blickwinkel des Betroffenen menschlich verständlich.
Die Auswirkungen auf die Kultur und Motivation ist jedoch fatal, werden aber unterschätzt. Verantwortung für die Transparenz in jeglicher Art Ihrer Kommunikation stellt letztlich einen wesentlichen Wert im Umgang miteinander dar. Die Wertekultur gehört zu den immateriellen Werten im Unternehmen - ohne sie haben Sie bei allen Mitarbeitern, deren Kopf und Herz für die Ergebnisse des Unternehmens wichtig sind, einen schlechten Stand.