Game Changer Quanten-Computer

Die Quantenstrategie von T-Systems

Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Um vom disruptiven Potenzial der Quantentechnologie nicht überrascht zu werden, hat T-Systems schon heute eine Quantenstrategie mit entsprechenden Services für Anwender entwickelt.
Noch ist das Stadium der Quanten-Advantage nicht erreicht, dennoch sollten sich Unternehmen schon heute vorbereiten.
Noch ist das Stadium der Quanten-Advantage nicht erreicht, dennoch sollten sich Unternehmen schon heute vorbereiten.
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Quanten-Computing? Das hat noch Zeit, das wird erst in zehn bis 20 Jahren relevant, ist noch immer aus vielen Chefetagen zu hören. Auf der anderen Seite befassen sich viele namhafte Unternehmen wie MunichRe, BMW, BASF, Bosch und andere bereits ernsthaft mit dieser neuen Art des Rechnens. Also loslegen oder abwarten bis die Technik wirklich auf breiter Front praxistauglich ist?

Die Frage nach dem Zeitpunkt, ab wann Quantencomputer auf breiter Front einsatzbereit sind und heutige High-Performance-Computer in Sachen Rechenleistung überflügeln, kann Stand heute niemand abschließend beantworten. "Darüber, ob wir das Stadium der Quanten-Advantage in fünf, zehn oder 15 Jahren erreichen, kann man lange diskutieren", so Jörn Kellermann, Senior Vice President of Global Portfolio and Technology Excellence bei T-SystemsT-Systems, "aber wenn Quanten-Computing kommt, wird es ähnlich disruptiv sein wie GenAI." Alles zu T-Systems auf CIO.de

Quanten-Computing als Game Changer

Mit dem Quanten-Computer hat das klassische Konzept der Turing-Algorithmen (im Bild eine Turing-Maschine aus dem Bletchley Park) ausgedient.
Mit dem Quanten-Computer hat das klassische Konzept der Turing-Algorithmen (im Bild eine Turing-Maschine aus dem Bletchley Park) ausgedient.
Foto: EQRoy - shutterstock.com

Also beruhigt zurücklehnen und abwarten? Schließlich haben es viele Unternehmen in Sachen GenAI auch geschafft, große Teile ihrer Belegschaften in kürzester Zeit im Umgang mit der neuen Technologie zu trainieren. Für Kellermann ist das ein gefährlicher Trugschluss, denn er bezweifelt, dass es den Betrieben gelingt, in Sachen Quanten-Computing ähnlich wie bei GenAI innerhalb eines halben Jahres das entsprechende Know-how aufzubauen.

Zumal Quantum-Computing für Kellermann in Bereichen wie der Arzneimittelforschung oder der Materialwirtschaft ein absoluter Game Changer sein wird. Hier sei nur an die Batterietechnik oder neue Materialien für effizientere Solarzellen gedacht. Aber auch bei allen Arten von Optimierungsthemen dürften Quantenalgorithmen viel helfen, glaubt der T-Systems-Mann.

Know-how bereits heute aufbauen

Oder um es anders zu formulieren: Für Kellermann sind High-Performance-Computer wie Hochgeschwindigkeitszüge, die zwar extrem schnell, aber an ihre feste Bahntrasse gebunden sind. Quanten-Computer könne man dagegen mit Schiffen auf dem Meer vergleichen, die wie im Zeitalter der Entdecker zu neuen unerforschten Welten aufbrechen.

Im Gegensatz zum klassischen Bit mit den definierten Zuständen 0 und 1 können sich bei einem Qubit die Zustände überlagern.
Im Gegensatz zum klassischen Bit mit den definierten Zuständen 0 und 1 können sich bei einem Qubit die Zustände überlagern.
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"Der Zugang zur Quantentechnologie und den entsprechenden Technologien ist deshalb bedeutend komplexer und es dauert länger das entsprechende Wissen aufzubauen", erklärt der Experte. Auf der anderen Seite hätten Quanten-Computer ein deutlich disruptiveres Potenzial als andere Technologien. Wer hier nicht entsprechend vorbereitet sei, drohe schnell ins Hintertreffen zu geraten und werde es schwer haben, den Vorsprung der Wettbewerber aufzuholen.

Vorerst kein Big Business

Eine Situation, die Kellermanns Arbeitgeber vermeiden will. So beschäftigt sich die Telekom/T-Systems schon jetzt mit Quanten-Computern und ihren Auswirkungen - sowohl intern als auch extern mit entsprechenden Offerten für die Kunden. Wobei Kellermann einräumt, dass dies in den nächsten Jahren sicherlich noch kein großes Geschäft ist.

Auf der anderen Seite sieht er in dem frühen Engagement einen sweetspot, der es dem IT-Dienstleister ermögliche, frühzeitig interessante Kooperationen mit Wissenschaft und Wirtschaft einzugehen. So könne man sicherstellen, nicht den Anschluss bei einer der wahrscheinlich wichtigsten Kerntechnologien der nächsten zehn bis 30 Jahre zu verlieren. Und last but not least dürfe die geopolitische Komponente nicht vergessen werden: Die Gefahr, dass Europa von den USA und China in der Entwicklung abgehängt wird, sei groß.

Demokratisierung des Quanten-Computing

Noch ist offen, ob sich Quanten-Computer auf Basis der Ionenfallen-Technologie oder Rechner, die das Superleiter-Prinzip (im Bild ein Modell von IQM) verfolgen, durchsetzen werden.
Noch ist offen, ob sich Quanten-Computer auf Basis der Ionenfallen-Technologie oder Rechner, die das Superleiter-Prinzip (im Bild ein Modell von IQM) verfolgen, durchsetzen werden.
Foto: IQM Quantum Computers

Deshalb schwebt dem T-Systems-Manager eine Vision der Demokratisierung des Quanten-Computing vor, damit möglichst viele User Zugriff auf diese Technologie erhalten. Dazu gehört für Kellermann nicht nur der Zugriff auf die Hardware, sondern auch das Erlernen der Programmiertechniken für Quantencomputer. "Letztlich wollen wir unseren Beitrag leisten, damit die Quantentechnologie leichter begreifbar ist", so Kellermann.

Das alles ist für T-Systems aber nur die halbe Miete, denn der aus der Business-Perspektive vielversprechendere Teil ist die Realisierung von Uses Cases gemeinsam mit den Kunden. "Und hier wird es für uns interessant, denn wir glauben nicht daran, dass Quanten-Computing-Lösungen für sich alleinstehen werden. Vielmehr werden sie in klassische Computing-Lösungen, Data, KI- Lösungen und so weiter eingebettet sein", erklärt Kellermann.

360-Grad-Ökosystem

Vor diesem Hintergrund wollen Telekom und T-Systems ein 360-Grad-Ökosystem aufbauen, das von der Initialberatung in Sachen Quantum-Computing bis hin zur Realisierung beziehungsweise Planung von Use Cases reicht. Dabei will T-Systems vor allem sein Know-how als Integrator in die Waagschale werfen und bei der Kombination von Quanten-Computern und High-Performance-Computing sowie klassischen Cloud Services helfen.

Die Quantenpartner der T-Systems

T-Systems arbeitet beim Quantum-Computing mit verschiedenen Partnern, darunter IQM, zusammen, um Quantenrechenleistung aus der Cloud (im Bild: Zwei Quanten-Computer im Münchner IQM-Rechenzentrum) zu offerieren.
T-Systems arbeitet beim Quantum-Computing mit verschiedenen Partnern, darunter IQM, zusammen, um Quantenrechenleistung aus der Cloud (im Bild: Zwei Quanten-Computer im Münchner IQM-Rechenzentrum) zu offerieren.
Foto: IQM Quantum Computers

Um dies zu realisieren, setzt der Konzern gleich auf mehrere Partner. So arbeitet man etwa mit IBM, der finnischen IQM Quantum Computers und der Innsbrucker Alpine Quantum Technologies (AQT) zusammen, um den Anwendern über die Quantum Cloud den Zugriff auf Quantenrechenleistung zu ermöglichen.

In Sachen Software setzt das Unternehmen neben den Offerten der anderen Partner auf die Zusammenarbeit mit dem Quanten-Startup Anaqor AG mit Sitz in Berlin und Stuttgart. Über die Plattform PlanQK können Anwender so auf fertige Algorithmen zugreifen, um sie in eigene Projekte zu integrieren.

In den Augen Kellermanns hat diese mehrgleisige Herangehensweise gleich mehrere Vorteile: "Heute weiß niemand, ob sich am Ende Quanten-Computer auf Basis der Ionenfallen-Technologie oder Rechner, die das Superleiter-Prinzip verfolgen, durchsetzen werden. Unsere Herangehensweise eröffnet die Chance, die verschiedenen Verfahren zu nutzen und zu vergleichen."

Use Cases durchspielen

Gleichzeitig eröffne diese Technologiebreite auf Anwenderseite die Chance, mit unterschiedlichen Programmiertechniken und Lösungsansätzen zu arbeiten, was so nicht von vielen Playern angeboten werde. Und T-System profitiert selbst von dieser Vielfalt.

So sei die Unterstützung unterschiedlicher Quanten-Plattformen ein door opener, um mit den unterschiedlichsten Industrien in Kontakt zu kommen. Auf diese Weise lerne man die unterschiedlichsten use cases kennen und es entwickle sich ein interessanter Ideenaustausch zwischen den verschiedenen Branchen. "So können Sie etwa einen Quantenalgorithmus, den Sie für das Optimierungsproblem der Start- und Landeslots in der Luftfahrtbranche verwenden auch in der Telco-Branche beim Thema Netzaktivierung nutzen oder mit geringen Änderungen in der Logistikbranche einsetzen", veranschaulicht Technikexperte Kellermann.

Bei allem Commitment in diese Technologie und ihre Nutzbarmachung schon heute - darauf wetten, dass dies in den nächsten drei Jahren zum One-Billion-Dollar-Business wird, würde Kellermann nicht. Er ist sich absolut sicher, dass Quantencomputer in 20 Jahren breit eingesetzt werden. "Und dann sind Quantencomputer", so Kellermann weiter, "ein absoluter Game Changer - you're better be prepared and you better be first."

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