E-COMMERCE-OPTIMIERUNG

Die Web-Shrinks

05.11.2001

Weg mit störenden Spielereien

Auch Marc Peters, Geschäftsführer des Online-Lotto-Shops Tipp 24 mit Sitz in Hamburg, musste sich unangenehme Wahrheiten anhören. Aggressives Rot sprang dem User schmerzhaft ins Auge, verwirrende Features schreckten die Spieler ab. „Mehr als sieben Objekte kann der ungeübte User nicht wahrnehmen, mehr als drei Werbebanner sind nicht ratsam“, sagt Psychologe Roth. Im Zweifel sind zwei größere Banner besser als drei kleinere. Alles Weitere werde als zu unruhig und störend empfunden. Lost in Hyperspace: Unübersichtliche Texte, eine Fülle von Links und Navigationsmöglichkeiten irritieren den User mehr, als dass sie nützen. Auch Pop-up-Fenster, hinter unverständlichen Symbolen versteckte Buttons oder unnötige Flash-Spielereien verleiten häufig zum Wegklicken. Die Folge für den E-Commerce: Schätzungsweise siebzig bis achtzig Prozent aller Bestellvorgänge werden vorzeitig abgebrochen.

Um künftig mehr Besucher bei Tipp 24 zu halten, wurde die Site überarbeitet. Das Rot ist jetzt gedämpfter, die Orientierungs- und Navigationselemente sind den Bedürfnissen der Zielgruppe angepasst. Eckige Formen sollen Seriosität vermitteln, „weil offenbar viele befürchteten, sie könnten sich online zu Tode zocken“. Eine Teaser-Optik schafft Anreize zum Weiterklicken. „Wir haben da eine Menge Bugs eliminiert“, sagt Peters.

Designer contra User

Probleme bereiteten oft die Web-Designer. Peters: „Viele sehen sich als Künstler. Vorgaben scheinen für sie eine Beleidigung zu sein.“ Nach Angaben von Roth ist der Erfolg der veränderten Lotto-Site an der größeren Konversionsrate, der Zahl der Transaktionen, ablesbar. So weit will Peters nicht gehen: „Der Wochenumsatz hat sich im ersten Quartal 2001 im Vergleich zum vorhergehenden zwar um sechzig Prozent erhöht, das ist aber sicher nicht monokausal zu begründen“, sagt er. Selbst aufwendig gestaltete Sites namhafter Unternehmen finden oft keine Gnade vor den Augen der Web-Experten (siehe auch Tabelle „Beispieltest: Luxushotels im Netz“) Roth: „Nur IT-Experten denken in Baumstrukturen, die meisten Kunden aber denken anders – linear, assoziativ oder neuronal (spontane Synapsenverknüpfung zu neuen sinnvollen Einheiten, Anmerkung der Redaktion).“ Die Psychologen haben gut reden: Sie kritisieren und zeigen Handlungsalternativen auf, Sites gestalten sie selbst nicht. „Dann wären wir vielleicht auch zu verliebt in unsere eigenen Sachen und hätten keine Distanz mehr“, fürchtet Roth.

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