Sustainability
Digitale Technik beschleunigt Dekarbonisierung
- Neue Softwaretools erlauben die lückenlose Steuerung und Überwachung der CO2-Emissionen im Unternehmen und entlang der Wertschöpfungskette
- Über eine konsequente Automatisierung können Firmen ihre Effizienz weiter steigern und so gleichzeitig ihren CO2-Fußabdruck reduzieren
- Derzeit entfallen rund 10 Prozent des globalen Stromverbrauchs auf die Unternehmens-IT – das verlangt von CIOs Konzepte für intelligente Einsparungen
Der Maschinenbauer VoithVoith hat die Zeichen der Zeit früh erkannt und will sich mit emissionsarmen Produkten und Services vom Wettbewerb absetzen. Dazu ist unter anderem eine Reduzierung des bisherigen Strom- und Wasserverbrauchs um bis zu 30 Prozent geplant. Top-500-Firmenprofil für Voith
Um die Fortschritte bei diesen umweltschonenden Maßnahmen zu messen, wurden zunächst die relevanten Datenquellen zusammengeführt. Auf dieser Grundlage erarbeiteten die Württemberger dann gemeinsam mit dem Softwareanbieter Quentic eine umfassende IT-Lösung, die auch internationalen Standards entspricht. So hat Voith den erforderlichen Überblick, um Maßnahmen im eigenen Haus priorisieren und der Kundschaft zugleich einen Nachweis der eigenen Nachhaltigkeitsleistung liefern zu können.
Viele Unternehmen weisen der IT nur eine untergeordnete Rolle zu
Solche Initiativen sind längst noch nicht die Regel, im Gegenteil: Viele Firmen beschränken sich in puncto Nachhaltigkeit nach wie vor darauf, bestehende Vorschriften zu erfüllen - und damit grenzen sie auch das Handlungsfeld ihrer IT ein. Dabei können moderne Technologien, richtig eingesetzt, erheblich mehr leisten.
CIOs sollten sich schwerpunktmäßig mit drei Themen auseinandersetzen:
Transformation unterstützen. Neue IT-Anwendungen ermöglichen ein effizientes Monitoring aller Emissionen und der Fortschritte bei der Dekarbonisierung.
Wandel beschleunigen. Die IT kann aktiv dazu beitragen, die Kernprozesse von Unternehmen kontinuierlich zu verbessern und so auch die Emissionen über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg zu verringern.
IT weiterdenken. Die IT sollte ihre eigenen Arbeitsweisen und Prozesse anpassen, um die von ihr beeinflussbaren Einsparpotenziale bei Emissionen zu adressieren.
Unterstützen der Transformation: Emissionen richtig messen
Wenn Unternehmen ihre Emissionen reduzieren wollen, müssen sie zunächst einmal wissen, wo sie stehen und wie sich Fortschritte messen lassen. Schon an dieser Stelle gibt es vielerorts Defizite, manche Führungskräfte stochern noch im Nebel. Dabei sind am Markt inzwischen eine ganze Reihe von Lösungen verfügbar, die über die Messung der CO2-Emissionen hinaus auch andere ESG-Themen abdecken - von der Reduzierung des Ressourcenverbrauchs bis hin zur Einhaltung sozialer Standards (ESG = Environmental, Social, Governance). Aus technischer Sicht lassen sich diese Lösungen fünf Gruppen zuordnen:
Software as a Service. Noch ist der Markt für Software as a Service zur Messung des CO2-Fußabdrucks sehr fragmentiert. Der Trend geht in Richtung cloudbasierter, branchenübergreifender Plattformen, etwa derjenigen von Persefoni, seit Kurzem ein strategischer Partner von Bain. Diese Cloud-Plattform kalkuliert auf Basis von Daten aus tausenden unterschiedlichen Quellen einschließlich SAP und Oracle die jeweiligen CO2-Emissionen nach internationalen Standards und liefert Ergebnisse, die für Berichts- und Veröffentlichungszwecke genutzt werden können.
Maßgeschneiderte Lösungen. Einige Unternehmen verfügen aus ihrer anfänglichen Beschäftigung mit ESG-Themen heraus über eigene Systeme zur Erfassung und Steuerung ihrer Nachhaltigkeitsaktivitäten. Diese zu erhalten und auszubauen, empfiehlt sich vor allem dann, wenn sich daraus ein Wettbewerbsvorteil ergibt und die Lösungen skalierbar sind.
ERP-Systeme. Dank ihres umfassenden Know-hows bei der Abbildung regulatorischer Vorschriften für einzelne Branchen fällt es ERP-Anbietern wie SAP nicht schwer, ESG-Themen zu integrieren und sie mit bestehenden Daten und Prozessen zu stützen. Mit dem Sustainability Control Tower öffnet SAP sein System dabei auch für Dritte, um den wachsenden Bedarf an aussagekräftigen ESG-Informationen zu decken.
Distributed Ledgers. Die Blockchain-Technologie steht für die Rückverfolgbarkeit von Informationen, für Sicherheit, Geschwindigkeit und Effizienz. Sie eignet sich damit prinzipiell auch für die Erfassung von CO2-Emissionen, die Verfolgung der Lieferwege von Rohstoffen oder der Dokumentation von Lieferketten bei Nahrungsmitteln. Vorreiter zeigen, was möglich ist. So bietet das kanadische Unternehmen GuildOne der Energiebranche die Möglichkeit, über eine Blockchain CO2-Gutschriften zu verwalten.
Data Analytics. Die drei großen Cloud-Anbieter Amazon, Google und Microsoft sind mit ihrem analytischen Know-how gut positioniert, um auch im Wachstumsmarkt Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle zu spielen. Sie arbeiten intensiv an Cloud- und Data-Analytics-Services unter Verwendung von Technologien wie künstlicher Intelligenz, maschinellem Lernen und dem Internet der Dinge.
Den Wandel beschleunigen: Mehr Nachhaltigkeitsreserven mobilisieren
Noch nutzen nur wenige Unternehmen digitale Tools, um die Transformation in Richtung Nachhaltigkeit voranzutreiben und die erzielten Fortschritte zu reporten. Damit liegt ein vielversprechendes Einsatzgebiet für die IT weitgehend brach. Wie wichtig es ist, diese Effizienzreserven zu heben, zeigt sich am Beispiel der Entwicklung oder des Einkaufs. Um Produkte anbieten zu können, die hohen ökologischen, sozialen und ethischen Standards genügen, braucht es mehr Informationen aus unterschiedlichen Quellen als bisher und darüber hinaus eine enge Abstimmung mit Lieferanten. Eine moderne IT kann genau diese Informationen zeitgerecht bereitstellen, den Entwicklungs- beziehungsweise Einkaufsprozess damit beschleunigen und ihn zudem ein Stück weit in eine zukunftsträchtige Richtung lenken.
Weitergedachte IT: Den eigenen CO2-Fußabdruck verringern
Der Betrieb der Unternehmens-IT ist weltweit mit beträchtlichen Emissionen verbunden. Rund zehn Prozent des gesamten Stromverbrauchs entfallen darauf, und davon wiederum 30 Prozent auf die Rechenzentren, 40 Prozent auf die Netzwerke und 30 Prozent auf Endgeräte. Nur wenn CIOs den Energieverbrauch und damit den Emissionsausstoß ihrer Lösungen kennen und konsequent in ihren Entscheidungen berücksichtigen, können sie sich gegen Kritik insbesondere am weiteren Betrieb von Rechenzentren wehren. Allerdings verursacht der Transport von Daten zwischen der vermeintlich energieeffizienteren Cloud und den jeweiligen Arbeitsplätzen ebenfalls Emissionen in nicht unerheblichem Umfang.
Wie die IT die Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit unterstützen kann
"Nachhaltigkeit ist die neue DigitalisierungDigitalisierung", ist immer wieder zu hören. CIOs müssen damit eine zweite große Herausforderung bewältigen, während die digitale Revolution noch in vollem Gange ist. In dieser Situation gilt es, sich auf drei Handlungsfelder zu konzentrieren: Alles zu Digitalisierung auf CIO.de
Strategische Ausrichtung. Die entscheidende Frage für jedes Unternehmen ist, ob beim Thema Nachhaltigkeit eher defensiv oder offensiv vorgegangen werden soll. Ob also nur die regulatorischen Anforderungen erfüllt werden sollen oder ob es darum geht, sich einen Wettbewerbsvorteil zu erarbeiten. In beiden Fällen kann die IT entscheidend zum Erfolg beitragen. Denn sie wird die Systeme zur Messung und Steuerung des CO2-Verbrauchs sowie weiterer ESG-Themen implementieren und mit neuen Technologien ihren Beitrag dazu leisten, dass die Energieeffizienz steigt.
Identifizierung noch bestehender Defizite. Die im HGB verankerte Verpflichtung zur nicht-finanziellen Berichterstattung führt dazu, dass größere Unternehmen mittlerweile einen ganz guten Überblick über ESG-Themen haben. Doch noch ist es vielerorts ein weiter Weg, bis die entsprechenden Kennzahlen tatsächlich zu einem festen Bestandteil der Steuerung und Erfolgsmessung im Unternehmen und der Zusammenarbeit mit vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen werden.
Integration von Nachhaltigkeit in die tägliche Arbeit. Neben Kosten, Geschwindigkeit und Sicherheit müssen sich IT-Verantwortliche, -Architektinnen und -Entwickler nun auch verstärkt mit Nachhaltigkeitsaspekten beschäftigen. Dies macht anstehende Entscheidungen nicht einfacher. Ein gutes Beispiel ist der Ersatz von Präsenzterminen durch Videokonferenzen, die einerseits erhebliche Datenmengen und damit Emissionen der beteiligten Systeme verursachen, gleichzeitig aber mit Edge-Computing-Ansätzen deutlich energieeffizienter eingesetzt werden können.
Was CIOs jetzt anpacken sollten
Die laufende Transformation in den Unternehmen bietet CIOs neue Möglichkeiten. Mit ihren Teams, innovativen Tools und der Unterstützung ausgewählter Technologiepartner können sie aktiv den Wandel in Richtung Nachhaltigkeit vorantreiben. CIOs sollten dazu ein eigenes Programm samt Aktionsplan, Zielen und Roadmap aufsetzen, die Rahmenbedingungen mit den operativen Einheiten besprechen und das Programm danach Punkt für Punkt umsetzen. Darüber hinaus gilt es, die erzielten Erfolge umfassend zu kommunizieren.
Ein Anfang ist vielerorts gemacht. Im Zuge einer 2022 von Bain organisierten internationalen Befragung, an der rund 340 IT-Verantwortliche teilnahmen, haben 62 Prozent erklärt, dass es in ihrem Unternehmen inzwischen klare Ziele für Nachhaltigkeitsinitiativen innerhalb der IT gebe. 51 Prozent nutzen auch bereits erste Softwaretools zur Messung von ESG-Kennzahlen. Was häufig noch fehlt, ist ein ganzheitlicher strategischer Ansatz, um mithilfe der IT die Dekarbonisierung im gesamten Unternehmen voranzutreiben. Genau das ist die große Chance für CIOs.