Business Intelligence gegen Betrüger
Einblick in die Ärztetaschen
Bei den anderen 300 gesetzlichen Krankenkassen beobachtet man die Entwicklung dieser IT-Werkzeuge mit Interesse. Die TK ist Vorreiter, Keller ein gefragter Referent. Die Ärzte- und die Apothekerschaft sowie die Patientenverbände hingegen sehen seine Arbeit skeptischer. Ihnen gegenüber wird von Keller viel politisches Geschick verlangt, denn die TK will um jeden Preis den Eindruck vermeiden, dass ihre Kunden und Vertragspartner unter Generalverdacht stehen. Deshalb reagiert die TK bei Alarmmeldungen aus den Warnsystemen sensibel. Nur selten rufen die Ermittler als Erstes die Polizei an. „Wir wissen, dass jemand beruflich erledigt ist, wenn es eine Hausdurchsuchung gibt“, sagt Keller.
In der Regel recherchiert die TK zunächst im Alleingang: Ist die Hebamme etwa in einem auf Geburten spezialisierten Krankenhaus beschäftigt? Dann ist die statistische Häufung der Problemgeburten leicht zu erklären. Manchmal schreibt die TK aber auch Briefe und fordern Stellungnahmen ein. Von ihnen hängt es dann ab, wie es weitergeht. „Vor kurzem antwortete uns ein Patient auf eine Anfrage, dass er ganz bestimmt nicht in Hamburg bei Arzt war“, erinnert sich Keller. „Dafür war seiner Freundin beim Besuch der Stadt die Handtasche geklaut worden.“ In ihr hatte sich die Karte befunden. Schnell fand Keller über die Datenbank 40 ähnliche Fälle – und alarmierte die Polizei.
Ärzte- und Apothekerkomplott
Nach einigen Durchsuchungen war offensichtlich, dass zwei Ärzte und drei Apotheker mit einem Gaunerring zusammenarbeiteten, der gezielt Krankenkassenkarten gestohlen hatte. „Rezepte für Magen- und Schmerzmittel in unauffälligen Mengen wurden stapelweise in den Apotheken eingelesen und abgerechnet“, erklärt Keller. Gemeinsam hatten die Betrüger die Kassen um mehrere hunderttausend Euro erleichtert.
Bei den Staatsanwaltschaften kommt das dank der IT verständlich aufbereitete Material gut an. Und für die TK selbst rechnet sich die Investition in Ermittlungsteam und -software auch. „Man ermittelt natürlich aus wirtschaftlichem Interesse, nicht aus Altruismus“, weiß der Betrugsspezialist Alexander Badle von der Staatsanwaltschaft Frankfurt. Rund fünf Millionen Euro Schadensersatz konnte die Ermittlungsgruppe bislang eintreiben. „Und 30 Millionen Euro sparen wir im Jahr, weil wir bestimmte Leistungen nicht mehr bezahlen müssen“, sagt Frank Keller.