Zwischen Jinshui und Guanxi

ERP-Einführung in China

05.12.2012
Von Eberhard Hoffmann

Das ERP-Projekt

Beziehungswissen "Guanxi": Bei einer ERP-Einführung in China gilt es oft, einen Kompromiss zwischen einer praktikablen und pragmatischen Handhabung sowie den zu erfüllenden gesetzlichen Vorschriften zu finden. Dabei spielt "Guanxi" eine wichtige Rolle. Guanxi bezeichnet das Netzwerk persönlicher Beziehungen, von dessen Wirken in China kaum eine Entscheidung unbeeinflusst bleibt. Verträge und Absprachen werden meist nur als Richtschnur gesehen, von der im Zweifelsfall abgewichen werden darf.

Das ERP-System für China sollte eine Standardschnittstelle für den Datenaustausch mit dem Jinshui-System zur Verfügung stellen.
Das ERP-System für China sollte eine Standardschnittstelle für den Datenaustausch mit dem Jinshui-System zur Verfügung stellen.
Foto: Hoffmann/ABiC

ERP-Erfahrung: In Westeuropa haben knapp 20 Prozent der mittelständischen Unternehmen keine ERP-Lösung im Einsatz. In China liegt dieser Anteil bei 43 Prozent. Darüber hinaus arbeiten in China im Gegensatz zu Westeuropa viele Unternehmen mit lokalen Systemen beziehungsweise Insellösungen. Eine Umfrage unter 185 westeuropäischen Unternehmen mit einer Niederlassung in China ergab, dass 20 Prozent der Anwender vor der Einführung keine ERP-Erfahrung vorweisen konnten. Weitere 42 Prozent hatten eher geringe ERP-Kenntnisse. Lediglich elf Prozent der Befragten schätzten das Know-how ihrer Anwender als hoch beziehungsweise sehr hoch ein. Angesichts dieser Ausgangslage ist bei der Projektplanung zu berücksichtigen, dass Projektverantwortliche und Key User in China mit Schulungen auf integrierte Geschäftsprozesse vorbereitet werden müssen.

Projekt-Management: Neben der Zeitplanung kommt der Organisation des Projekt-Managements eine zentrale Bedeutung zu. Aufgrund des bereits beschriebenen starken Hierarchiedenkens in China sollten der oder die Projekt-Manager eine möglichst hohe Position im Unternehmen haben, damit ein konsequenter und strukturierter Projektablauf sichergestellt ist. Die Projekt-arbeit vor Ort muss ständig überwacht werden. Andernfalls sind Zeitverzug und entsprechende Neustarts vorprogrammiert.

Darüber hinaus ist es notwendig, neben dem lokalen Serviceanbieter den oder die Key User aus dem Konzern einzubeziehen. Diese kennen das System sowie die Prozesse und sind deshalb in der Lage, die Abläufe bei Bedarf an die lokalen Anforderungen anzupassen. Die Schulung der am Projekt beteiligten Mitarbeiter ist ein Schlüsselfaktor zur erfolgreichen ERP-Einführung. Das gilt sowohl für die Projekt-Manager als auch für Key- und End-User. Für die Schulung sollte man ausreichend Zeit einplanen. Inhalte und Organisation der Schulungen sind projektspezifisch festzulegen. Das angeeignete Wissen wird oft nicht weitergegeben. Außerdem besteht bedingt durch die hohe Mitarbeiter-Fluktuation auch nach dem Go-Live ein gewisser Schulungsbedarf.

Dokumentation: Die Projektdokumentation sollte von den Key-Usern in englischer Sprache erstellt werden. Dabei sollten auch Backup-Key-User mitwirken, die diese Aufgaben übernehmen, falls ein Mitarbeiter das Unternehmen verlässt. Sind die Prozesse abgestimmt, sollten die Dokumente ins Chinesische übersetzt werden. Dazu ist entsprechendes Fachwissen notwendig. Neben der Dokumentation müssen im ERP-System alle beschreibenden Daten wie Arbeitsgangtexte, Materialbezeichnungen etc. in chinesischer Sprache eingetragen werden, da Mitarbeiter in der Produktion oder im Lager meist kein Englisch sprechen.

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