Debatte um Home-Office
Führungskräfte haben Angst vor Kontrollverlust
Wie fordert dieses neue Arbeiten Sie als Chefs einer Management-Beratung mit über 400 Beschäftigten?
Christophe Campana: Wir Menschen sind soziale Wesen. Darum war es für uns am Anfang der Pandemie gespenstisch, auch nicht erfreuliche Ansprachen virtuell zu halten und ins Nichts zu reden, ohne zu spüren, ob wir die Leute erreichen. Deshalb machen wir heute viel mehr Mitarbeiterbefragungen, um die Stimmung zurückgespiegelt zu bekommen und erhalten auch viel Feedback per Chat. Dennoch empfinde ich es als großes Defizit, den Puls der Beschäftigten nicht mehr unmittelbar zu spüren.
Eric Schott: Wenn das Team viel mehr Entscheidungen selbst trifft, entsteht für mich mehr Raum zu kommunizieren. So nutze ich verstärkt LinkedIn, und zwar nicht nur nach außen, sondern gezielt auch nach innen, in Richtung des eigenen Unternehmens, um über diesen Kanal unsere Haltung, unsere Prioritäten, aber auch unsere offenen Fragen zu kommunizieren. Kommunikation bedeutet dabei auch soziale Kommunikation. Wir haben schnell gemerkt, dass das menschliche Miteinander auf der Strecke geblieben wäre, hätten wir nicht bewusst soziale Elemente in unseren virtuellen Arbeitsalltag eingebaut.
Pausen zwischen den Meetings einplanen
Wie lässt sich das Miteinander im Virtuellen erhalten?
Eric Schott: Nehmen wir wieder das Beispiel Meetings. Am Anfang von Präsenzmeetings gab es früher oft Small-Talk oder es ging auch mal um private Themen. Heute startet jede Videokonferenz immer gleich thematisch auf den Punkt. Um 10.01 Uhr ist man schon mitten in der Agenda. Seit kurzem organisieren wir das deshalb so, dass mindestens zehn Minuten Pause zwischen zwei Video-Calls liegen, das Meeting setzen wir zum Beispiel nicht mit 60, sondern mit 50 Minuten an. So haben die Teilnehmenden auch Zeit, sich miteinander noch ein bisschen zu unterhalten oder Einzelne können mal durchschnaufen und sich für das nächste Meeting zu sortieren.
Christophe Campana: Wir verwenden auch Lösungen wie Mentimeter für Umfragen, Mood Surveys, Tag Clouds, um Stimmungen, Meinungen und Erwartungen besser erspüren zu können. Auch bauen wir spielerische Elemente wie Quizze, virtuelles Kaffeetrinken, zu denen man sich einfach einwählen kann oder einen virtuellen Aperitif in den Alltag ein. Viele kreative Ideen entstehen auch direkt in den Teams. Das Motto all dieser Initiativen heißt: Einfach mal ausprobieren und laufen lassen.
Was raten Sie Unternehmen, die jetzt doch Home-Office ermöglichen wollen?
Eric Schott: Vorausgesetzt, die technologischen Voraussetzungen sind vorhanden, kann man am besten mit Regelterminen wie Abteilungsbesprechungen oder Statusmeetings virtuell starten, während Workshops und Kreativformate erstmal außen vor bleiben. Parallel sucht man sich Personen im Unternehmen, die diesen Prozess der Virtualisierung von Zusammenarbeit übergeordnet begleiten und dazu Feedback geben. In der ersten Phase steht das Ausprobieren im Vordergrund, es gibt viele Varianten. Aber nach einigen Monaten einigt man sich auf Best Practices, wie im Unternehmen generell virtuelle Meetings gestaltet werden, so eine Art Gebrauchsanweisung.
Wenn das funktioniert, sind anspruchsvollere Formate wie Innovations- oder Kreativ-Workshops dran. Hier wechselt sich in einem Meeting das Online-Arbeiten im Plenum mit virtuellen Kleingruppen ab. Man muss nicht alles auf einmal umsetzen. Wichtig ist, dass man einen Schritt nach dem anderen macht. Homeoffice wird bleiben, auch wenn Corona vorbei ist. Homeoffice ist aber nur Teil einer viel größeren Entwicklung: performantes Arbeiten und Entscheiden - und Wohlfühlen - im New Work.
Christophe Campana und Eric Schott...
... lernten sich als Studenten in Karlsruhe kennen und gründeten 1992 nach Studium, Promotion und erster Berufserfahrung die Beratung Campana & Schott. Heute beschäftigt die Unternehmensgruppe mit Hauptsitz in Frankfurt am Main mehr als 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an Standorten in Europa und den USA.
Christophe Campana befasst sich mit strategischem Projekt- und Portfoliomanagement und neuen Formen der Zusammenarbeit, etwa Social Collaboration.
Eric Schott ist spezialisiert auf Veränderungsprozesse im Zuge des digitalen Wandels sowie auf neue Formen der Zusammenarbeit innerhalb und zwischen Unternehmen. Er ist als Honorarprofessor an der TU Berlin tätig.
- Der Sportdirektor eines Vereins
Der Sportdirektor eines Vereins stellt den Kader zusammen und gestaltet die Spiel- und Terminpläne für Wettkämpfe und Trainings. Er instruiert Talentscouts, kauft Spieler ein und stellt Bewegungsfreiheit für erforderliche Transfers sicher. Sein Ziel: Menschen zu finden und zu binden, die die Weiterentwicklung des Unternehmens konstant antreiben. Er erweitert die Suchkriterien für die Rekrutierung, stellt Mitarbeiter mit verschiedensten Hintergründen ein und ermöglicht Familien- und altersgerechte Arbeitszeitmodelle. - Führung in der Digitalisierung
Die Studie "Die Haltung entscheidet. Neue Führungspraxis für die digitale Welt" stammt von LEAD (Mercator Capacity Building Center for Leadership & Advocacy) in Kooperation mit der Unternehmensberatung Company Companions sowie der School of Public Policy (Central European University, Budapest) und dem Center for Leadership and Values in Society (Universität St. Gallen). Die Autoren empfehlen acht Rollen als Orientierungshilfen. - Die Landschaftsgärtnerin
Die Landschaftsgärtnerin gestaltet und pflegt Grünanlagen. Sie versteht das gesamte Ökosystem und weiß, wann welche Pflanzen im Jahreszeitenwechsel an welcher Stelle ihre Wirkung entfalten und wie alles zusammenspielt. Ihr Ziel: Das Unternehmen langfristig auf zustellen, wenn Krise und Veränderung zum Normalfall geworden sind. Sie ermöglicht schnelles „Prototyping“, geht unkonventionelle Partnerschaften ein und bricht Silos mittels heterogener, cross-funktionaler Teams auf. - Die Seismologin
Die Seismologin muss wissen, wo die Erde beben könnte. Dafür analysiert sie Daten, registriert feinste Erschütterungen und erkennt Spannungen frühzeitig. Sie erliegt aber nicht der Illusion, die Zukunft genau vorhersagen zu können. Ihr Ziel: Grundlagen für gute Entscheidungen in einer unübersichtlichen Welt zu schaffen. Sie etabliert „Situation Rooms“ zur Entwicklung von Handlungsstrategien, greift über digitale Plattformen auf verborgenes Wissen zu und schult ihre Intuition als zusätzliche "Datenquelle". - Der Zen-Schüler
Der Zen-Schüler ist in Ausbildung und Vorbereitung. Er lernt, reflektiert und prüft sich selbst. Achtsamkeit, Mitgefühl und Offenheit sind seine Tugenden, er pflegt eine disziplinierte (spirituelle) Praxis. Sein Ziel: Das finden, woran er sich festhalten kann, wenn sich alle an ihm festhalten. Er nutzt Coaching- und Mentoring-Programme, schafft physische Räume für den Ausgleich und richtet den Blick nach innen. - Der DJ
Der Discjockey bringt mit seiner Musik die Menschen zum Tanzen. Er setzt einen Rahmen, der motiviert, anregt und gemeinsame Energie erzeugt. Zugleich hat er ein offenes Ohr für Anregungen und sensible Antennen für das richtige Stück im richtigen Moment. Sein Ziel: Eine Kultur der Zugewandtheit zu schaffen – aber mit dem Fokus auf Ergebnisorientierung. Dafür baut er Empathie als Führungskompetenz auf, schafft Räume, in denen Menschen gerne arbeiten, und agiert als Vorbild für Zugewandtheit und Leistungsorientierung. - Die Intendantin eines Theaters
Die Intendantin eines Theaters wählt die Stücke für die Aufführung aus. Sie entwickelt den roten Faden und prägt die gesellschaftliche Wirkungskraft ihres Hauses. Die Künstler und deren Expertise bindet sie dabei ein. Ihr Ziel: in Zeiten großer Unsicherheit und Unplanbarkeit Orientierung zu geben. Über ein „Strategy Board“ schafft sie die Voraussetzung für Richtungsentscheidungen schaffen, erhöht mittels interaktiver Beteiligungsformen die Einigkeit über die Richtung – und hat den Mut zu klaren Ansage in der Krise. - Die Trainerin
Die Trainerin leitet eine Mannschaft taktisch, technisch und konditionell an. Sie bestimmt Trainingsablauf, Mannschaftsaufstellung und Strategie. Sie muss für Misserfolge geradestehen, Erfolge lässt sie ihrem Team. Ihr Ziel: Die Mitarbeiter zu mehr Verantwortungsübernahme zu befähigen. Dafür entwickelt sie über zeitgemäße Lernformate Kompetenzen entwickeln, baut gegenseitiges Vertrauen auf und führt Anreize zur Übernahme von Verantwortung ein. - Der Blogger
Der Blogger kommentiert Geschehnisse – zugespitzt, aufrüttelnd und meist aus einer persönlichen Sichtweise. Er will die Welt verstehen, erklären und übersetzen. Er lebt vom direkten Feedback der Leser. Sein Ziel: Veränderungsbereitschaft in die DNA des Unternehmens zu schreiben. Er kaskadiert die Geschichte der Veränderung in die Firma, moderiert gemeinsame Lernprozesse und gibt sichtbare Veränderungsanstöße.