Zukunftsforscher Harry Gatterer
Führungskräfte müssen Ängste reduzieren
- Der nötige Kulturwandel hin zu neuen Führungsstilen wird nicht ohne Krisen gehen
- Führung wird teurer, aber qualitativ besser
- Junge Menschen leben bereits jetzt in fluiden Rollen
Harry Gatterer vom Zukunftsinstitut in Wien beschäftigt sich mit der Digitalisierung und der oft zitierten Generation YGeneration Y - wahlweise Z oder Millennials - und damit, wie FührungFührung künftig aussehen wird. Dafür zitiert Gatterer zunächst den Philosophen Peter Sloterdijk. Wenn dieser auf die Welt blickt, interessiert ihn weniger die blaue Kugel als vielmehr der Schaum, der diese bedeckt. Schaum bildet sich, verflüssigt sich, wird irgendwohin geweht, baut sich neu auf. Analog dazu können die jungen Leute gut "in fluiden Rollen leben", wie ihnen Gatterer attestiert. Alles zu Führung auf CIO.de Alles zu Generation Y auf CIO.de
Startup-Mentalität und Suche nach Sicherheit
Der Zukunftsforscher hält die Berichterstattung über diese Generation daher auch nicht für widersprüchlich. Die These von der Startup-Mentalität stimmt - ebenso die, wonach die jungen Leute wieder Sicherheit suchen und traditionelle Werte aufleben lassen. Je nach Bedarf nutzt diese Generation, was sie braucht. Sie ist im mehrdimensionalen Raum aufgewachsen.
"Wenn sie von jungen Leuten Antwort auf eine politische Frage bekommen wollen, werden sie mehrere hören", führt Gatterer aus. "Diese Generation betrachtet jede Frage aus mehreren Rollen heraus. Sie wird sich nicht auf eine Position festlegen." Dass einen so etwas wahnsinnig machen könne, ficht der Forscher nicht an. "Natürlich könnte man sagen, das sei Schwäche. Ich würde sagen: es ist fast eine Notwendigkeit", erklärt er.
- Generation Y
Der Berater Kienbaum widmet der Generation Y seine Studie „Absolventen 2015 unter die Lupe genommen“. Mehr als 601 Studierende unterschiedlicher Fachrichtungen ließen sich befragen. - Vier Typen
Die Generation Y lässt sich in vier Typen einteilen: in Ambitionierte und Karriereorientierte sowie Erlebnisorientierte und Orientierungssuchende. - Mindset
Im Mindset der Generation Y, ihren Werten und Zielen, spielen Familie und Freunde eine große Rolle. - Werte und Ziele
Werden die Antworten aller Befragten zusammengefasst, verkörpern Familie und Freunde für 71 Prozent den wichtigsten Wert. Mit 54 Prozent der Nennungen stehen Erfolg und Karriere auf Platz zwei. - Eigene Motive
Die Generation Y will ihre eigene Persönlichkeit kennenlernen und weiterentwickeln. Sie will gebraucht werden und anderen helfen sowie etwas verändern und gestalten.
Unternehmen, die solche Mitarbeiter führen wollen, müssen sich grundlegend neu strukturieren. "Führung verändert sich auf sehr vielen Ebenen", stellt Gatterer fest. Derzeit müsse oft das Gegensatzpaar Steuern versus Navigieren herhalten. Die alte Vorstellung, einer müsse "das Steuer in der Hand haben", weiche dem Bild des Navigators, der Kontexte einbezieht, schnell auf Feedback reagiert, Veränderungen angeht. Dieses skizziert zwar schon mehr Breite, trifft es für Gatterer aber auch noch nicht.
"Die Welt wird komplexer, und diese Komplexität darf nicht ausgeblendet werden", so der Zukunftsforscher. Das beinhaltet einen neuen Blick auf Hierarchien: "Hierarchien sind aufgebaut worden, um Komplexität zu vermeiden, und das wird nicht mehr funktionieren."
Spirale statt Linie
Wie es stattdessen funktioniert, illustriert Gatterer am Beispiel eines Architekturbüros, das er durch eine Neustrukturierung begleitet hat. Anfangs herrschten dort noch lineare Prozesse vor. Das heißt: Architekten, Bauleiter, Ingenieure etc. wurden jeweils nacheinander und getrennt voneinander an den Tisch gebeten. Heute laufen die Prozesse spiralförmig. Sämtliche Beteiligten setzen sich von Anfang an zusammen.
"Das ist anstrengender, komplexer und teurer", zählt der Forscher auf. "Aber: die Ergebnisse sind besser!" Dieses Modell sei zukunftsweisend.
Aufgabe von Führungskräften in den Unternehmen sei es nun, diese Entwicklung zu erkennen und dem Team zu vermitteln, dass die vergangenen Strukturen künftig nicht mehr gelten. Führungskräfte müssten Ängste reduzieren. Auch die eigenen. Denn in Zukunft wird es "den Chef" nicht mehr geben. Im einen Projekt mag man Chef sein - im zweiten Berater und im dritten Zulieferer. Gatterer: "Ich traue den Menschen das schon zu. Aber es wird nicht ohne Krisen gehen."