80 Filialen in Gefahr
Galeria Karstadt Kaufhof droht der Kahlschlag
Bei der angeschlagenen Warenhauskette Galeria KarstadtKarstadt Kaufhof droht der Kahlschlag: Bis zu 80 der derzeit noch gut 170 Filialen des Konzerns könnten bei der anstehenden Sanierung geschlossen werden. Das sieht der erste Entwurf eines Sanierungskonzeptes für den kränkelnden HandelsriesenHandelsriesen vor, der am Freitag dem Gesamtbetriebsrat und Gläubigervertretern vorgelegt wurde, wie die Deutsche Presse-Agentur aus dem Unternehmensumfeld erfuhr. Top-500-Firmenprofil für Karstadt Top-Firmen der Branche Handel
Allerdings gibt es noch einen Hoffnungsschimmer: Die Zahl der bedrohten Filialen könne sich noch reduzieren, wenn die Vermieter und andere Beteiligte zu Zugeständnissen bereit seien, hieß es in informierten Kreisen. Welche Häuser genau von der Schließung bedroht sind, dazu gab es zunächst keine Angaben.
5.000 Vollzeitstellen stehen auf dem Spiel
Zuvor hatten die "Wirtschaftswoche" und der "Spiegel" über die Schließungspläne berichtet. Nach Informationen der "Wirtschaftwoche" rechnen Insider mit dem Abbau von insgesamt etwa 5.000 Vollzeitstellen bei dem Unternehmen. Aktuell beschäftigt Galeria Karstadt Kaufhof noch rund 28.000 Mitarbeiter. Ein Sprecher des Warenhauskonzerns betonte, das Unternehmen wolle Spekulationen nicht kommentieren.
Bei der Gewerkschaft Verdi sorgten die Pläne der Warenhaus-Sanierer für Empörung. Verdi-Vorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger warf dem Konzern vor, einen "Kahlschlag auf Kosten der Beschäftigten" zu planen. "Das ist brutal! Es hat den Anschein, dass die Unternehmensleitung und der Eigentümer die Corona-Krise missbrauchen, um ihre ursprünglichen Planungen von Standortschließungen und Entlassungen doch noch umzusetzen", sagte die Gewerkschafterin.
Noch kurz vor Weihnachten hatte die Gewerkschaft mit dem Konzern einen Sanierungstarifvertrag abgeschlossen, der unter anderem eine Standort- und Beschäftigungssicherung enthielt. Seitdem Galeria Karstadt Kaufhof unter dem Eindruck der Corona-Krise Anfang April seine Rettung in einem Schutzschirmverfahren suchte, ist der Vertrag jedoch Makulatur.
Bitterer Brief an die Mitarbeiter
Bereits zum Beginn der vergangenen Woche hatte der Warenhausriese die Beschäftigten auf harte Einschnitte vorbereitet. In einem Brief an die Mitarbeiter berichtete die Unternehmensführung am Montag, der gerichtlich bestellte Sachwalter Frank Kebekus und der Generalbevollmächtigte Arndt Geiwitz hätten klar gemacht, dass es angesichts der Corona-Krise "leider auch zu Standortschließungen und dementsprechend auch zu einem Arbeitsplatzabbau kommen muss". Genaue Zahlen nannte das Unternehmen damals aber nicht.
Nach einem Bericht des "Kölner Stadt-Anzeigers" (Samstag) stehen 20 der 30 Filialen von Karstadt-Sport vor dem Aus. Noch härter treffe es Insidern zufolge die neu gegründete Tochter Atrys, die die Reisebüros von Galeria betreibt. Geschlossen werden sollen demnach 100 der 130 Reisebüros. Außerdem soll allein in der Essener Zentrale von Galeria eine dreistellige Zahl an Jobs wegfallen, dort arbeiten derzeit 1.600 Menschen. Die Zentrale von Karstadt-Sport mit 60 Mitarbeitern, ebenfalls in Essen, soll ersatzlos gestrichen werden.
Der große Umsatzverlust führt zu Konsequenzen
Galeria Karstadt Kaufhof kämpfte schon vor der Corona-Krise mit roten Zahlen. Umso härter trafen die Warenhauskette die Auswirkungen der Pandemie. Der Konzern habe während der Zeit der Komplettschließungen mehr als eine halbe Milliarde Euro an Umsatz verloren, berichtete die Konzernführung in ihrem Mitarbeiterbrief. Aufgrund der anhaltenden Kaufzurückhaltung werde sich der Umsatzverlust wahrscheinlich sogar noch auf bis zu eine Milliarde Euro erhöhen.
Norbert Portz vom Deutschen Städte- und Gemeindebund warnte angesichts der Schließungspläne vor der Gefahr einer Verödung vieler Innenstädte. "Galeria Kaufhof Karstadt ist nicht irgendwer. Die Warenhäuser sind für viele Innenstädte systemrelevant", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Gerade für viele strukturschwächere Innenstädte wäre ein Verlust der Warenhäuser nach seiner Einschätzung kaum auszugleichen. Portz appellierte an den Warenhauskonzern, die Kommunen und die Vermieter, gemeinsame Lösungen zu suchen, um ein Überleben der Kaufhäuser zu sichern.
Die Gewerkschaft Verdi warnte, eine solch dramatische Schließungswelle werde Auswirkungen weit über das Unternehmen hinaus haben. Mittelfristig seien dadurch auch Zehntausende von Arbeitsplätzen bei anderen Einzelhändlern und die Attraktivität ganzer Innenstädte bedroht. "Denn die Warenhäuser in den Städten sind Ankerstandorte. Sie sind der Schlüssel für Frequenz und für die Ansiedlung von weiteren Einzelhandelsbetrieben", sagte Nutzenberger. Sie kündigte harten Widerstand gegen die Schließungspläne an und verlangte dabei Unterstützung von der Politik: "Hier sind alle gefordert, von den Bürgermeistern bis hin zur Bundespolitik." (dpa/rs)