Fachkräftemangel
Gamification - der Schuss kann nach hinten losgehen
Mögliche Kehrseite der Medaille
Anfänglicher Begeisterung folgt oft die Phase der Ernüchterung, zumindest, wenn man dem "Hype Cycle" von Gartner traut. Die Analysten glauben, dass das Thema Gamification schon bald den höchsten Punkt der Euphorie erreicht hat und sich demnächst - aufgrund nicht erfüllter, weil unrealistischer Erwartungen - in der Abwärtsbewegung wiederfinden wird. Dazu Analyst Burke: "Wir erwarten, dass 2014 rund 80 Prozent der derzeitigen gamifizierten Anwendungen die Erwartungen der Business-Bereiche nicht erfüllen werden, hauptsächlich wegen des schlechten Designs der Applikationen."
Beispielsweise warnt Gartner die Unternehmen davor, "bedeutungslose Knöpfe, Bonuspunkte oder Ranking-Listen" auf ihre Websites zu stellen. Vielmehr sollten sinnvolle Anreize die Zielgruppe zur Teilnahme bewegen. Zudem gehe es per se nicht um die bloße Teilnahme von Kunden und Mitarbeiter am Spieleprogramm, sondern es sollen die Geschäftsinteressen der Firma befördert werden. Eine kritische Analyse darüber, wie diese mit den geplanten Gamifizierungs-Maßnahmen zu erfüllen sind, sei somit unerlässlich.
Gerade das erscheint Manfred Holler, emeritierter Volkswirtschaftsprofessor an der Universität Hamburg, problematisch: "Gamication beutet den Spieltrieb des Menschen aus." Generell sieht er den Nutzen solcher Techniken hauptsächlich darin, den Absatz von Waren zu steigern: "Gamification verschiebt Angebot und Nachfrage zugunsten des Angebots."
Wird Gamification als Führungsinstrument eingesetzt, dann erinnert ihn das an die Bewegung "Humanisierung der Arbeit", die vor 40 Jahren Einzug in die Arbeitswelt hielt: "Konzepte wie die teilautonomen Arbeitsgruppen dienten mehr dem Unternehmen als dem Mitarbeiter, weil sich die Gruppen freiwillig unter Erfolgsdruck setzten und schwächere Kollegen ausgrenzten." Für ihn ist die Gamifizierung eine Fortführung dieser Strategie und eigentlich nur alter Wein in neuen Schläuchen: "Das Bewusstsein von Ort und Zeit geht beim Spiel verloren. Man steht im Wettbewerb mit sich selbst: Heute schaffe ich mehr als gestern." Von dieser verschärften Konkurrenz profitiere in erster Linie der Arbeitgeber.
Was Anfang der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts noch als Utopie galt, könnte sich jetzt bewahrheiten. Bereits 1981 beschrieb Holler, was passieren könnte: "Die Transformation der Arbeit in ein Spiel scheint ein mögliches Konzept, die tägliche Arbeit als eine ,Quelle des Glücks` zu gestalten. Vielleicht müssen wir eines Tages Eintritt zahlen, um arbeiten (spielen) zu dürfen."
- Sieben Trends zur Arbeit von morgen
Die Studie "Evolving Workforce Research" von Dell und Intel beschreibt, wie die Arbeit von morgen aussehen könnte und nennt sieben Trends. - 1. Crowd-Sourcing
In der Arbeitswelt von morgen arbeiten Menschen in <b>virtuellen Teams</b> zusammen, oft ohne sich zu kennen. Diese Teams werden kurzfristig zusammengestellt und sind über moderne Kommunikationsmittel verbunden. Anders als in vielen heutigen Projekten definiert sich diese Crowd vor allem funktional und weniger durch Hierarchien. Pervasive IT und Cloud Computing bieten dafür eine technische Grundlage. Die Mitarbeiter in solchen virtuellen Teams gehen oft <b>kein festes Beschäftigungsverhältnis</b> ein, sind flexibel und daran gewöhnt, mit stark schwankenden Einkommensverhältnissen zurechtzukommen. Das kann zwar kurzfristig zu einer Steigerung der Produktivität führen, langfristig können Unternehmen aber auch Schwierigkeiten bei der Bindung von Spezialisten bekommen. - 2. Das Ergebnis muss stimmen
War die Arbeitswelt bisher primär über die vertraglich geregelte Arbeitszeit organisiert, so rückt jetzt das <b>Arbeitsergebnis</b> in den Fokus. Da sich die Produktivität der Arbeitsprozesse gerade unter den Bedingungen des Crowdsourcings nur unzureichend über die Anzahl aufgewendeter Stunden erfassen lässt, werden zunehmend <b>Output-orientierte Messmethoden</b> eingeführt. - 3. Einsatz von mobilen Geräten
In Unternehmen werden <b>unterschiedliche Endgeräte</b> und Betriebssysteme verwendet, die auf die jeweiligen Einsatzbereiche abgestimmt sind. Cloud Computing bietet dafür eine Fülle von Möglichkeiten, da die jeweiligen Endsysteme damit auf einen <b>praktisch unbegrenzten Vorrat</b> an Daten und Anwendungen zugreifen können. Kompatibilität, Interoperabilität und Datensicherheit sind dabei entscheidende Faktoren. Nur solche Systeme werden sich durchsetzen, die sich nahtlos in die IT-Landschaften integrieren lassen. - 4. Generationenkonflikte
Die Generationen sind einen <b>unterschiedlichen Umgang</b> mit IT und mit Kommunikationstechnik gewohnt. Das kann zu Spannungen zwischen erfahrenen und jüngeren Mitarbeitern führen. Letztere sind vielleicht Digital Natives, haben aber nicht den Erfahrungsschatz ihrer älteren Kollegen. Generell werden die <b>Arbeitsteams künftig heterogener</b> zusammengesetzt sein, nicht nur hinsichtlich des Alters, sondern auch was den kulturellen oder ethnischen Hintergrund betrifft. Erfolgsentscheidend wird auch sein, ob es gelingt, den Wissensaustausch zwischen Generationen und Gruppen voranzubringen. - 5. Werte versus Regeln
Die IT gibt Unternehmen Möglichkeiten, die Leistung ihrer Mitarbeiter umfassend zu analysieren. Arbeitsprozesse werden auf dieser Basis reglementiert und kontrolliert. Da ein gutes <b>Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer</b> elementar ist, müssen beide Seiten einander vertrauen. Zukunftsorientierte Firmen könnten daher eher auf ein werte- als auf ein regelbasiertes Modell bauen. - 6. Innovative Mitarbeiter
Innovationen werden künftig weniger vom Management eingebracht als von Mitarbeitern, die ihre privaten Geräte und Anwendungen auch im beruflichen Umfeld nutzen. Diese Beschäftigten sind mit IT sozialisiert und wollen ihren selbstbestimmten Lebensstil beibehalten, wozu der <b>Gebrauch von privaten Notebooks, Smartphones</b> ebenso gehören kann wie Social-Media-Aktivitäten. Die Mitarbeiter sind mit den Systemen in der Regel bestens vertraut und können mit ihnen effizient arbeiten, so dass Restriktionen von Seiten der Unternehmen kontraproduktiv wären. Sie müssen daher <b>Verfahren entwickeln</b>, um diese privaten Systeme in ihre IT-Strukturen zu integrieren. - 7. Neue Aufgaben für die IT
Mit dieser Consumerization entstehen <b>neue Anforderungen</b> an die IT. Sie muss die Entwicklungen und die Bedürfnisse der Mitarbeiter aufgreifen und dabei bedenken, dass sich neue Mitarbeiter bewusst wegen der <b>Verfügbarkeit moderner Systeme</b> für einen Arbeitgeber entscheiden. Die IT-Verantwortlichen sollten solche über herkömmliche IT-Themen hinausreichenden Aspekte in ihren Aufgabenkatalog aufnehmen. - Fazit
Da der Wandel durch die rasante Entwicklung der Kommunikationstechnik vorangetrieben wird, sollen Arbeitgeber den Hebel an dieser Stelle ansetzen und <b>individuelle Konzepte</b> zum Umgang damit entwickeln. Die <b>Integration der sozialen Medien</b>, die Bereitstellung einer umfassenden Kommunikationsstruktur und die Einbindung privat genutzter Geräte bieten Chancen, um Arbeitnehmer an ein Firma zu binden und die Arbeit effektiv zu gestalten.
"Nutzer ist nicht manipulierbar"
Christian Dyck von Scout24 Services ist anderer Ansicht: "Ich glaube nicht, dass man einen Nutzer manipulieren kann. Genau deswegen muss das Ausgangsprodukt an sich erfolgreich und das Gamification-Konzept genau darauf abgestimmt sein." Das deckt sich mit den Erwartungen von Gartner-Analyst Burke: "Gamification wird auf lange Sicht einen signifikanten Einfluss auf das Geschäft erringen und ein wichtiges Mittel für ein tieferes Engagement der Adressaten werden." (hk)
Gamification-Einführung
-
Das Kernprodukt muss stimmen.
-
Die Erweiterung um Gamification muss Zusatznutzen bringen.
-
Die Entwicklung sollte zusammen mit der Zielgruppe betrieben werden.
-
Die Zielgruppe wird motiviert durch bestimmte Dynamiken wie Status, Belohnung etc. und indem sie Spaß daran hat.
Kriemhilde Klippstätter ist Coach und freie Autorin in München.