Verhandlungstraining

Gegenhalten

01.12.2003
Von Birgit Obermeier
Bei der Polizei verhandelte Matthias Schranner jahrelang mit Geiselnehmern und anderen Gewalttätern. Heute macht er Mitarbeiter namhafter Unternehmen fit für schwierige Geschäftsabschlüsse. Die Basistechniken sind die gleichen.

Die Straße ist von der Polizei abgeriegelt, im Gebäude gegenüber haben Scharfschützen Stellung bezogen, ein Hubschrauber kreist über dem Einsatzort. Der Bankräuber, der eine junge Frau in seine Gewalt gebracht hat, verschanzt sich in ihrer Wohnung. Wer ist der Geiselnehmer? Was will er erreichen? Wie weit geht er? Der Verhandlungsführer der Polizei greift zum Telefon.

Matthias Schranner unterbricht seine Erzählung über eine Geiselnahme, die sich vor Jahren in München zugetragen hat. Der smarte Enddreißiger im gut geschnittenen schwarzen Anzug fordert die 20 Seminarteilnehmer auf, in "Zweier-Kommandos" zu erarbeiten, wie sie in dem Telefonat vorgehen würden. Mit Gewalttätern hatte bislang keiner etwas zu tun. Sie alle arbeiten in verantwortungsvollen Positionen in der Wirtschaft: als Einkaufsleiter, Chefin einer PR-Agentur oder Geschäftsführer eines Technologiedienstleisters. Von den "nachweislich erfolgreichen Verhandlungstechniken" der Polizei, die der ehemalige Hauptkommissar Schranner in seinem Seminar verspricht, erhoffen sie sich nützliche Tipps für ihrenverhandlungsintensiven Berufsalltag.

Stress passend dosieren

Schranner, studierter Verwaltungsjurist, war 18 Jahre bei der Polizei. Zunächst als ziviler Drogenfahnder, später als Verhandlungsführer bei Gewalttaten in einer Spezialeinsatzgruppe. Seit vier Jahren schult der Ex-Polizist als selbstständiger Trainer Mitarbeiter von Firmen wie BMW, Flughafen München, MicrosoftMicrosoft und SAPSAP. "Die psychologischen Gesetze der Verhandlungsführung gelten für Verbrecher und Manager gleichermaßen", meint Schranner. "Mit dem Unterschied, dass bei Geschäftsverhandlungen die Stressdosis niedriger ist, dafür aber häufig Profis unter sich sind." Alles zu Microsoft auf CIO.de Alles zu SAP auf CIO.de

Aber auch die Profis stehen - selbst wenn sie sich noch so souverän geben - zu Beginn eines schwierigen Abschlusses unter StressStress. Schließlich ist noch unklar, wie die Gespräche verlaufen und welcher Druck auf dem Partner lastet. Deshalb gelte hier, so Schranner, wie auch beim ersten Kontakt mit dem Geiselnehmer: sanftes Aufwärmen, Geplauder, noch keine rationalen Argumente. Die kann der Mensch in der ersten, der "affektiven" Phase des Gesprächs noch gar nicht verarbeiten. "Vermeiden Sie anfangs jede Festlegung, sprechen Sie im Konjunktiv", empfiehlt er und malt eine typische Stressverlaufskurve aufs Flipchart. Wer seine Position einleitet mit Sätzen wie "Ich könnte mir vorstellen, dass" oder "Eine mögliche Voraussetzung wäre", kann nichts verlieren. Geht der Partner auf derart abtastend vorgebrachte Vorschläge rational ein, ist es Zeit, Tacheles zu reden. Aber auch in dieser "kognitiven" Phase kann die Anspannung plötzlich wieder ansteigen und gute Argumente ins Leere laufen lassen. "Sichern Sie sich deshalb Zwischenergebnisse", sagt Schranner. Das verhindert, dass die Verhandlung in der letzten, der "chaotischen" Phase platzt - ausgelöst durch eine plötzliche Angst, nun verbindlich zustimmen zu müssen.
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