DSAG fordert mehr Praxisbezug
GenAI-Strategie von SAP bleibt undurchsichtig
Viele SAP-Anwender fragen sich, wie sie derzeit mit neuen Tools und Funktionen rund um Generative AIGenerative AI umgehen sollen. Dabei könne es aus Sicht der Deutschsprachigen SAPSAP Anwendergruppe (DSAG) durchaus sinnvoll und hilfreich sein, KI in bestehende Produkte zu integrieren, um deren Funktionalität zu verbessern. KI-verstärkte Prozesse und datengetriebene Ansätze würden langfristig dazu beitragen, die Wettbewerbsfähigkeit, Wirtschaftlichkeit und Resilienz der Unternehmen zu steigern. Alles zu Generative AI auf CIO.de Alles zu SAP auf CIO.de
Wie das in der Praxis aussehen könnte, scheint jedoch unklar. Vielfach bleibe offen, was KI in Form von konkreten Anwendungen bedeutet, kritisieren die DSAG-Vertreter. "Zwischen Vision und Realität liegen teilweise noch Welten." Das sorge in Kreisen der Anwenderunternehmen durchaus für Ernüchterung, konstatierte Sebastian Westphal, Fachvorstand Technologie bei der DSAG ,anlässlich der Technologietage Anfang Februar 2024 in Hamburg.
SAP zeigt sich derweil bemüht, den Hype rund um Generative AI zu bändigen und in einen Business-Kontext einzusortieren. Helfen soll dabei unter anderem ein Generative AI Hub auf der Business Technology Platform (BTP), um externe Large Language Models (LLMs) in SAP-Anwendungslandschaften einzubinden. Darüber hinaus soll der im vergangenen Jahr vorgestellte sprachgesteuerte KI-Assistent Joule auf Basis generativer KI den Geschäftskontext verstehen können und direkt in das Cloud-Portfolio für geschäftskritische Prozesse von Anwenderunternehmen integriert werden.
Viele GenAI-Baustellen - Preismodelle, Regulatorik, Sicherheit
"Grundsätzlich begrüßen wir diese strategische Ausrichtung von SAP - gerade vor dem Hintergrund der dynamischen Entwicklungen rund um die großen Modelle wie OpenAI, Bard etc.", sagte DSAG-Mann Westphal. "Allerdings sind für uns aus kommerzieller, fachlicher und technologischer Sicht noch einige Fragen offen." Der Anwendervertreter mahnte transparente und erprobte Abrechnungsmodelle und -metriken an. Zudem müsse nachweisbar sein, dass bei Prozessentscheidungen durch eine KI geltende Richtlinien eingehalten und dokumentiert würden. Aus technologischer Warte wäre ferner wichtig zu klären, wie mit den sensiblen Unternehmensinformationen umgegangen wird, die bei der Nutzung herangezogen werden.
Kundendaten würden nicht zum Training der KI-Modelle herangezogen, beteuerte indes Jürgen Müller, Chief Technology Officer (CTO) und Vorstandsmitglied bei SAP. Der deutsche Softwarekonzern arbeitet mit KI-Modellen verschiedener Anbieter, darunter OpenAI, Meta, Anthropic, Aleph Alpha und Cohere. Darüber hinaus hätten die Walldorfer Müller zufolge ein eigenes LLM in Arbeit. Die am Markt verfügbaren GenAI-Modelle seien hauptsächlich auf Texte ausgerichtet, erläuterte SAPs Technikchef in Hamburg. In SAP-Systemen lägen jedoch viele Informationen strukturiert in Tabellen. Dafür will der Softwareanbieter künftig offenbar ein eigenes LLM anbieten.
SAP GenAI - nur mit dem richtigen Vertrag
In den Genuss dieses Angebots dürfte indes nur ein Teil der SAP-Klientel kommen. Der Softwarekonzern hatte Mitte des vergangenen Jahres bekannt gegeben, bestimmte Innovationen - darunter auch GenAI-Funktionen - nur noch Cloud-Kunden mit einem RISE-with-SAP- oder GROW-with-SAP-Vertrag zur Verfügung zu stellen. Auch wenn SAP inzwischen versucht, den Unmut seiner Kunden mit finanziellen Anreizen beim Umstieg auf entsprechende Verträge zu besänftigen, stößt diese Geschäftspraxis immer noch auf Unverständnis.
Die Ankündigung von SAP im Sommer 2023 habe viele Kunden verunsichert, die auf S/4HANA Private Cloud oder On-Premises gesetzt hätten, so Westphal. Die technische Integration von KI-Modellen von einem Vertragskonstrukt eines Anbieters abhängig zu machen, lasse sich im Kontext einer gesamthaften IT-Architektur kaum abbilden. "KI nur noch in einem singulären Cloud-Vertrags- und -Betriebsmodell anzubieten, ist zudem technisch nicht haltbar", kritisierte der Technikexperte der DSAG. Die Kunden seien nicht von SAPs GenAI-Angebot abhängig, daLarge-Language-Modelle jederzeit unabhängig hiervon realisiert werden könnten.
SAP Datasphere - Kunden fordern schnellere Entwicklung
Das SAP-Universum wird sich nach dem GenAI-Urknall im vergangenen Jahr jedenfalls erst einmal neu sortieren müssen. Das betrifft nicht nur die KI-Funktionen selbst, sondern auch die darunterliegende Datenbasis. Auch hier scheint es noch viel Klärungsbedarf zu geben. Die DSAG-Vertreter sprechen von einer Black Box rund um SAP Datasphere, die Anfang März 2023 vorgestellte Datenplattform der Walldorfer, und die SAP Analytics Cloud. Zwar würden die Produktvisionen passen, in der Praxis ließen sich indes noch keine komplexen, übergreifenden End-to-End-Geschäftsanwendungen abbilden.
Doch genau solche würden die Unternehmen dringend benötigen. "Neben der Live-Connection der SAP Analytics Cloud zu allen SAP-Produkten braucht es diese auch zu Non-SAP-Quellen", beschrieb Westphal die Anforderungen der SAP-Kunden. "Auch sind entsprechende Migrationsszenarien unter Anrechnung von Bestandslösungen sowie seit Jahren ein Lizenzmodell für Gelegenheitsnutzerinnen und -nutzer von Nöten."
Der DSAG-Vertreter fordert zudem rund um SAPs Datasphere mehr Tempo. Mit Blick auf die Analytics-Architekturen der Zukunft seien bei anderen Anbietern erhebliche Fortschritte in den Bereichen Data Fabric/Data Mesh sowie bei modernen Data-Lakehouse-Architekturen zu verzeichnen. Hier sei noch unklar, was an konkreten Lösungen von SAP Datasphere zu erwarten sei - und wie es um die Zukunftsfähigkeit der heutigen SAP-Analytics-Lösungen steht wenn diese Funktionen nativ durch sprachbasierte Lösungen sehr viel anwenderorientierter bereitgestellt würden.
SAPs Technikvorstand Müller verwies derweil auf die bereits erreichten Fortschritte und sieht seinen Softwarekonzern mit dem klar auf Business AI ausgerichteten Fokus auf einem guten Weg. Der Dreiklang aus der HANA Cloud, Datasphere und der Analytics Cloud eröffne vielfältigste Möglichkeiten. Müller spricht von einem föderierten System, in dem sich verschiedene Komponenten flexibel miteinander verschalten ließen. Beispielsweise könnten Anwender SAP-Daten mit Googles Big Query analysieren, ohne diese Daten aufwendig hin- und her transferieren zu müssen. Auch bereits etablierte Infrastrukturen müssten nicht von heute auf morgen abgeschaltet werden. Müller führt die BW-Bridge an, mit deren Hilfe sich klassische Business-Warehouse-Landschaften mit modernen Analytics- und KI-Funktionen in der SAP-Cloud verbinden ließen.
SAP schlägt unterschiedliche Volten in der Produktentwicklung
Wie aufwändig und teuer das GenAI-Abenteuer für die Kunden insgesamt wird, ist derzeit nicht abzusehen. Westphal forderte möglichst transparente und flexible Metriken und Preismodelle für die KI-Abrechnung. SAP-Mann Müller warnte an dieser Stelle vor zu großer Komplexität, wenn jeder einzelne KI-Use-Case separat bemessen und bepreist würde. Der Softwareanbieter favorisiert derzeit ein Abrechnungsmodell nach AI-Units. Kunden könnten Kontingente dieser AI-Units bei SAP kaufen und dann in der Anwendungspraxis nach und nach verbrauchen. Dabei kämen unterschiedliche Umrechnungsfaktoren je nach KI-Use-Case zur Anwendung.
Für die Anwenderunternehmen dürfte die Orchestrierung ihrer SAP-Landschaften indes nicht einfacher werden - im Gegenteil. "Wie offen werde ich künftig sein, um all die verschiedenen neuen Funktionen einzubauen", formuliert Westphal als entscheidende Frage. Dabei dürften SAP-Angebote längst nicht automatisch gesetzt sein. SAP-Manager Müller macht unmissverständlich klar, dass der Anbieter an seiner Strategie festhalten wird, bestimmte Innovationen ausschließlich Kunden mit entsprechenden Vertragsformen vorzubehalten. Wer hier nicht aufspringen will oder kann, wird sich anderweitig behelfen müssen.
Wie SAP seine Kunden verärgert:
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Von Planungssicherheit an dieser Stelle kann jedenfalls keine Rede sein. Es ist nicht ersichtlich, welche KI-Funktionen SAP exklusiv für seine RISE- und GROW-Kunden vorgesehen hat. Parallel dazu gibt es bereits KI- und ML-Anwendungen im SAP-Portfolio. KI wurde bereits weit vor dem Hype um Generative KI und Large Language Models (LLMs) eingesetzt, um zum Beispiel Prozesse zu automatisieren, heißt es in den Reihen der DSAG. Wie es mit diesem klassischen KI-Portfolio vor dem Hintergrund der aktuellen GenAI-Entwicklungen weitergehen wird, ist unklar - zumal sich auch SAP selbst in ihren Roadmaps offenbar verschiedene Optionen offenlässt.
DSAG kritisiert einseitige Preispolitik und Abkündigung von Produkten
Das wird gerade auch an anderen Stellen im SAP-Portfolio deutlich. Anwenderunternehmen, die bisher SAPs Identity Management (IDM) als architekturübergreifendes Tool für die zentrale Verwaltung von Usern und Berechtigungen nutzen, müssen sich nach einer neuen Lösung umsehen. Aus Anwendersicht bietet das SAP Cloud Identity Management keinen identischen Leistungsumfang und adressiert perspektivisch ausschließlich SAP-Landschaften.
Folglich brauche es eine klare Aussage, welche Ziellösung SAP mit entsprechenden Migrationsszenarien und -services unterstützt, beziehungsweise ob es präferierte Partner geben wird, fordert die DSAG. SAP-Vorstand Müller ließ immerhin durchblicken, dass der deutsche Softwarekonzern in Sachen Identity Management wohl stärker auf Lösungen von Microsoft setzen möchte. Eine entsprechende Absichtserklärung sei fast in trockenen Tüchern.
Studie S/4HANA 2024 - was Anwender planen
Auch in Sachen Sustainability-Management müssen die SAP-Anwender neu planen. Angesichts der wachsenden regulatorischen Anforderungen, was das ESG-Reporting betrifft, dürfte die Neuausrichtig von SAPs Produktstrategie kaum für Begeisterung auf Kundenseite sorgen. Vor allem die Tatsache, dass das Green Ledger nur gegen Aufpreis und ausschließlich für RISE-with-SAP-Premium-Kunden bereitgestellt wird, sieht die DSAG kritisch. Westphal wirft SAP eine einseitige Preispolitik und restriktive Produktstrategie vor. "Anwenderunternehmen werden darin bestärkt, sich nach Alternativlösungen mit langfristigen Einsatzszenarien umzusehen", so das Resümee des DSAG-Experten. Das sei der falsche Ansatz, um Nachhaltigkeit wirklich zu fördern.