Start-ups greifen an
Innovation Labs gegen Digitale Piranhas
- Einer Studie zufolge dauert es aber rund zwei Jahre, bis große Unternehmen auf Disruption in ihrer Branche reagieren
- Gründe sind unter anderem Angst vor Kannibalisierung und schrumpfenden Margen, zu wenig Zeit und zu geringe Ressourcen.
- Um schneller zu werden, gründen Anwender und Berater Innovation Labs
- Deswegen wird sich die CIO-Rolle vielleicht verändern, aber nichts von ihrer Relevanz verlieren
"Das Schweigen der Dinge", sagt Uwe Dumslaff, wenn er an Produkte aus der vordigitalisierten Zeit denkt. Damals wurden Daten im Kopf des Nutzers erzeugt, nicht in Geräten oder Services. Der After-Sales-Bereich spielte keine große Rolle, kaum etwas war integriert und vernetzt, alles schwieg. IT-Innovationen? "In den letzten Jahrzehnten haben wir mit IT in erster Linie Geschäftsprozesse elektrifiziert und effizienter gemacht", bilanziert Dumslaff, der als CTO von Capgemini Deutschland tätig ist.
Durch die Digitalisierung haben sich jedoch die Zeiten dramatisch verändert: Verkaufte Produkte erzeugen millionenfach Daten, ziehen zusätzliche Services nach sich und verändern Geschäftsmodelle. Zudem brechen die Grenzen von Industriesektoren auf: IT-Konzerne machen in Autos, Autohersteller machen in Finanzierung, Banken machen Filialen dicht und verteilen Apps. "Software ist auf einmal überall", argumentiert Dumslaff, "und jedes Unternehmen muss das in seiner Geschäftsstrategie berücksichtigen".
Problemlöser zusammenbringen
Der Trend hat Folgen für Innovationsprozesse, denn Mitarbeiter und Abteilungen sind voll mit dem Tagesgeschäft belegt. "Ein Problem ist der Freiraum, um einer Idee Raum zu geben und ein konkretes Produkt oder einen Service auszugestalten", sagt Frank Piller, Professor für Technologie- und Innovations-Management an der RWTH Aachen. Dazu gehört auch, dass sich Menschen begegnen und austauschen, die jeweils einen Teil eines Geschäftsprozesses steuern.
Damit die Kette stabil wird, müssen sich die Glieder verzahnen - allein im Elfenbeinturm oder mit dem betrieblichen Vorschlagswesen lassen sich digitale Innovationen daher nicht umsetzen. "Sie müssen Problemlöser zusammenbringen, die sich sonst nicht oder nur zufällig getroffen hätten", fordert Innovationsexperte Piller.
Das Problem: Unternehmen sind nicht mehr nur im Wettbewerb mit ihresgleichen. "Innovatoren greifen nicht wie ein Hai an, sondern wie 100 Piranhas, die sich an vielen Ecken auf das Geschäftsmodell stürzen", sagt Didier Bonnet, Global Head of Practices bei Capgemini Consulting und Autor des Buchs "Leading Digital". Niemand wolle heute eine große Versicherungsgesellschaft betreiben, speziell nicht deren Backoffice, "aber alle wollten ein paar Rosinen aus dem Geschäft herauspicken". Diese Piranhas brechen die Regeln und lösen Probleme, die von allen anderen nicht erkannt oder ignoriert wurden. "Wenn man heute Wirtschaftsblätter liest", so Bonnet, "hat man das Gefühl, dass alle großen Unternehmen in Kürze pleitegehen und ersetzt werden durch zwei Typen und einen Hund in San Francisco."
Uber, Hailo, Aibnb & Co. greifen an
Beispiele gibt es viele, etwa die Taxidienst Uber und Hailo in London. Letztere nutzen die bekannten Black Cabs, haben aber ein völlig neues Geschäftsmodell eingeführt. "Nachdem man die Services ein paarmal genutzt hat", berichtet Bonnet, "gibt es einen neuen Benchmark für Taxifahren." Uber ist sechs Jahre alt, besitzt kein Fahrzeug und hat keine Fahrer angestellt - Investoren ist das Unternehmen 50 Milliarden Dollar wert. Die Unterkunftsbörse Airbnb hat keine Häuser, keine Betten und einen Wert von über 25 Milliarden Dollar. Lending Club, Alibaba und Facebook basieren auf dem gleichen Phänomen, sagt Bonnet: "In der digitalen Welt gibt es einen Unterschied von Assets besitzen und Assets nutzen - sie können monströs skalierende Plattformen errichten, ohne dass sie über materielle Güter verfügen müssen."
Etablierte Konzerne können da nur gegenhalten, wenn sie bei digitalen Innovationen in Schwung kommen. EinerUntersuchung von Capgemini zufolge dauert es aber rund zwei Jahre, bis große Unternehmen auf Disruption in ihrer Branche reagieren. Gründe sind unter anderem Angst vor Kannibalisierung und schrumpfenden Margen, zu wenig Zeit und zu geringe Ressourcen. Für Bonnet tun sich viele Konzerne mit Innovationen schwer, weil sie sich auf die falschen Ziele konzentrieren, Personalressourcen nicht flexibel neu zuweisen können und den Blick nach innen richten.