Kommentar
„Keine Angst vor der Vielfalt“
Standardisierte, effiziente Geschäftsprozesse und eine einheitliche ERP-Infrastruktur! So lautet seit vielen Jahren die Devise in den meisten Konzernzentralen. Die Argumente der Einheits-Protagonisten: keine Schnittstellen, redundante Daten oder gar Medienbrüche. Gleichzeitig nur ein kompetenter Softwarepartner, einheitliche Anforderungen an die Qualifikation der ITMitarbeiter, zentrale Konfiguration und Überwachung der ERP-Infrastruktur sowie günstige Einkaufskonditionen durch große Lizenzvolumina. Das klingt plausibel. Doch ganz so einfach scheint es mit der Einheitslösung in der Praxis dann doch nicht zu sein: Auch heute noch steht so mancher CIO vor der Herausforderung, neben mySAP oder anderen „großen Lösungen“ eine ERP-Landschaft mit bis zu 100 verschiedenen ERP-Produkten und Best-of-Breed-Lösungen zu betreuen. Da fragt man sich, ob es hierfür gute Gründe gibt oder ob es sich hier um Einzelfälle handelt, bei denen die IT-Strategie versagt hat.
Ein Grund ist sicherlich, dass die Vereinheitlichung von ERP-Infrastrukturen einen hohen Aufwand mit sich bringt und das Tagesgeschäft erheblich belastet. Eine weitere Ursache ist in den vielfach sehr heterogenen Konzernstrukturen zu suchen: Die einzelnen Betriebe und Standorte eines Konzerns weisen meist sehr unterschiedliche Eigenschaften der Handels- und Fertigungstypen (Auftragsfertigung, Serienfertigung, Prozessfertigung), der Aufgabenschwerpunkte (Produktionsstandorte, Handelsniederlassungen, Service-Stützpunkte, Verwaltungssitz), der Mitarbeiterzahlen sowie des regionalen Umfelds (Steuer- und Arbeitsrecht, Landesprachen) auf. Bestehen hier relevante Unterschiede, dann sind der StandardisierungStandardisierung von Geschäftsprozessen enge Grenzen in puncto Machbarkeit und Sinnhaftigkeit gesetzt. Eine einheitliche ERP-Infrastruktur bedeutet dann entweder erhebliche Komplexität in der Softwarelösung oder ein „Verbiegen“ beziehungsweise mangelnde Unterstützung der Geschäftsprozesse. Alles zu Standardisierung auf CIO.de
Ein letzter – in vielen Fällen aber maßgeblicher – Grund für heterogene ERP-Landschaften ist eher „psychischer“ Natur: Bei vielen Konzernen legen die Entscheidungsträger in Betrieben, Standorten und Funktionsbereichen Wert auf eigenständige Entscheidungen.
Der Ansatz „One Size Fits It All“ ist vor diesem Hintergrund umso weniger geeignet, je heterogener und dynamischer sich die Konzernstrukturen darstellen. Bei ausgeprägten Unterschieden sollte man sich vom rigiden Standard in Richtung eines intelligent bewirtschafteten ERP-Portfolios verabschieden, das Spielraum lässt und den Konzernbetrieben notwendige Alternativen bietet. Als Teil der IT-Strategie bietet sich eine „ERP-Landkarte“ an. Sie dient als stabiler Rahmen für die Entwicklung von Migrationspfaden für die „Exoten“ im bestehenden ERP-Portfolio. Gleichzeitig erleichtert sie die Einbindung neuer Betriebe und Niederlassungen. Kurz, die ERP-Landkarte hilft auf dem Weg zur gezielten Bewirtschaftung von Vielfalt in der ERP-Infrastruktur.