Techem-CEO Hartmann

Klimawende im Gebäude wird im Keller gewonnen

Horst Ellermann ist Herausgeber des CIO-Magazins und Ambassador für CIOmove in Deutschland.
Matthias Hartmann, CEO von Techem, trommelt in der CIO-Band und gegen den Klimawandel.
Matthias Hartmann: "It's all about data."
Matthias Hartmann: "It's all about data."
Foto: IBM

Der ehemalige Geschäftsführer von IBM Deutschland digitalisiert den Heizungsableser TechemTechem und greift damit dem größten Übel des Klimawandels an die Wurzel - oder besser: in den Keller. Wie genau, das wird Hartmann am 11. Mai ab 17:30 Uhr beim 20-jährigen Jubiläum des CIO-Magazins erklären - wenn er nicht gerade am Schlagzeug sitzt. Mehr zur Feier finden Sie auf https://20-jahre.cio.de Top-500-Firmenprofil für Techem

Wie läuft's Geschäft?

Matthias Hartmann: "Geht nach oben, natürlich spüren auch wir Auswirkungen der Pandemie, sind aber sehr zufrieden."

Techem-Mitarbeiter laufen durch Häuser und lesen Strom-, Gas,- und Wasserzähler ab. Kann man damit noch Geld verdienen?

Hartmann: "Montagen von Messgeräten und Heizungsanlagen gehen natürlich nicht digital. Bei der Ablesung der Messwerte sind wir heute bereits zu 80 Prozent auf Funktechnologie, aber ja es gibt auch noch Ableser für alte analoge Geräte. In dieser Wintersaison haben wir jetzt mehr als 100.000 Immobilienobjekte vollautomatisch über die Cloud ausgelesen. Das schafft ganz neue Potenziale."

Wo liegt das neue Potenzial?

Hartmann: "Das Messwesen für Immobilien wird liberalisiert. Bisher sind das Messen, Ablesen und Abrechnen von Strom, Gas, Wasser und Wärme durch die Regulierung getrennt gewesen. Mit der mittlerweile dritten Stufe der Energiemarkt-Liberalisierung ändert sich das. Daher kommt frischer Wind in die Branche. Außerdem will der Gesetzgeber auf EU-Ebene, dass bis 2027 im Submetering, also der Wärme-Abrechnung, alles digitalisiert wird und somit die Zähler fernauslesbar sind. Dort ist Techem führend. Wir haben jetzt schon insgesamt beinahe 50 Millionen funkende IoT-Geräte im Einsatz"

Mit Submetering können wir unseren Energieverbrauch messen - aber doch nicht mindern.

Hartmann: "Aber ja doch - Messen schafft Bewusstsein. Wo Verbräuche nicht gemessen werden, kann der Verbraucher kaum sparen. Das kennen wir alle von der kleinen Nadel im Auto, die uns zeigt, ob wir viel oder wenig verbrauchen. Im Klimabericht der Bundesregierung wird vermerkt, dass mehr als 35 Prozent der CO2-Emissionen vom Gebäudesektor verursacht werden. Wir haben zwar in Deutschland sehr viel Geld in das Dämmen der Gebäude investiert, aber der Nutzen blieb weit hinter den Erwartungen zurück.

Die Klimawende im Gebäude wird vielmehr im Keller gewonnen. Das Forschungsprojekts des Bundes 'BaltBest' hat mit unserer Teilnahme den Einfluss der Betriebsführung auf die Effizienz von Heizungsanlagen in der Praxis untersucht. Die Heizungsanlagen in Mehrfamilienhäusern sind zu 80 Prozent überdimensioniert, 80 Prozent sind zu hoch eingestellt und viele laufen Sommer wie Winter durch."

Gut, das kann man beim Submetering herausfinden. Geändert ist dadurch aber noch nichts.

Hartmann: "Es bildet aber die Grundlage. Das Submetering ist ein Grundbaustein. Techem sorgt aber nicht nur für eine zuverlässige Verbrauchsmessung, sondern wir betreiben und betreuen mittlerweile auch rund 5.000 Heizungssysteme, beispielsweise mit Blockheizkraftwerken oder Wärmepumpen. Durch die DigitalisierungDigitalisierung aller Heizungsdaten aus Wohnung und Keller können wir die gesamte Energie- und Wärmekette steuern. Wir analysieren, optimieren und warten - und wir wissen, wann und wo Bedarf entsteht. Und somit verringern wir die Verbräuche und CO2-Emissionen. Wenn der Kunde einwilligt, dann versorgen wir ihn mit nachhaltiger Energie." Alles zu Digitalisierung auf CIO.de

2026 wird das CIO-Magazin 25 Jahre alt. Wie viel vom Umsatz wird Techem dann noch in seinem alten Kerngeschäft - also mit dem Messen - machen? Anders gefragt: Wieviel Neugeschäft schafft die Digitalisierung?

Hartmann: "Kann - nein, will - ich so gar nicht sagen. Unser Kerngeschäft wird ja auch voll digital. Um das Gebäude herum entsteht jetzt ein neues Ökosystem an Dienstleistungen. Im Augenblick starten wir in Deutschland unser eMobility-Geschäft. Außerdem integrieren wir Solaranlagen in die Energieversorgung des Gebäudes. Unser Ziel ist ein gesamthaftes, dezentrales Energiemanagement, mit dem letztendlich das Ökosystem im Quartier funktioniert. Das läuft aber in jedem Land, in dem wir tätig sind, anders.

Wir sind in 20 europäischen Ländern, in Brasilien und in Dubai. Die gesetzlichen Anforderungen sind überall unterschiedlich, und wie gesagt: Die Branchengrenzen verschwimmen. Für uns bei Techem bedeutet das, uns immer weiter zum integrierten Lösungsanbieter für Energie-Effizienz zu entwickeln. Deswegen ist eine pauschale Antwort nicht möglich."

Wie wollen Sie in der Energieerzeugung gegen die großen Anbieter anstinken?

Hartmann: "It's all about data. Kein Anbieter kann die Probleme allein lösen. In unserer Branche steigen die Datenmengen durch immer mehr Sensoren in den Gebäuden und häufigere Übertragungen exponentiell an. Auch der Datenaustausch zwischen allen Beteiligten der Wohnungswirtschaft bringt immer neue Varianten hervor und wird die Unternehmen mehr und mehr verbinden. Dies geht aber nur in Zusammenarbeit und Kollaboration in einem gemeinsamen, datenbasierten Ökosystem, das auch andere Marktteilnehmer und partnerschaftliche Kooperationen mit einbezieht."

Techem in Zahlen
Umsatz: 779,5 Mio. Euro (im Geschäftsjahr 2019/2020)
Mitarbeiter: 3.650
Betreuung: Rund 12 Millionen Wohnungen im Service
8,7 Millionen vermiedene Tonnen CO2 und 1,8 Mrd. Euro eingesparte Brennstoffkosten pro Jahr durch Smartmeter und grüne Technik.

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