Störgeräusche reduzieren

Lärm ist der neue Zigarettenrauch



Holger Reisinger schreibt als ICT-Experte über New Ways of Working, Mobile und Knowledge Worker, Collaboration, Concentration, Conversation und Communication. Als Senior Vice President Jabra Business Solutions, Product Management, Strategic Alliances and Global Accounts setzt er sich für mobile Arbeitsplatzgestaltung als wichtiges Instrument moderner weltweit agierender Unternehmen bei gleichzeitiger Optimierung der Mitarbeiterleistung durch Echtzeit-Konferenzen und Zusammenarbeit ein.
Wir brauchen eine Debatte darüber, wie wir Lärm und Störgeräusche des modernen Lebens reduzieren können, bevor er uns krank macht.
Lärm geht auch von sportlichen Autos aus.
Lärm geht auch von sportlichen Autos aus.
Foto: dimcars - shutterstock.com

Früher war es gesellschaftlich akzeptiert, fast überall zu rauchen: in Zügen, Bars, Restaurants – ja sogar im Büro. Dann begannen langsam die Orte, an denen man sich eine Zigarette anzünden durfte, weniger zu werden. Der Grund: Die Gesundheitsrisiken sind bekannt geworden, wodurch sich neue soziale Normen entwickelt haben und die Gesellschaft die Belastung durch Passivrauchen nicht mehr hinnehmen wollte.

Wird die Gesellschaft eines Tages genauso über Lärm denken?

Sicher, bisher ist noch niemand gestorben, weil aus den Kopfhörern eines Dritten zu laut Musik gedröhnt hat. Aber es gilt das gleiche Prinzip: Ist es fair, Nachbarn und Kollegen mit seinem eigenen Krach zu stören?

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nennt Lärm "eine unterschätze Bedrohung, die eine Reihe an kurz- oder langfristigen Gesundheitsschäden verursachen kann, wie zum Beispiel Schlafstörungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie schlechter werdende Arbeits- und Schulleistungen".

Wir bevorzugen es, die Kontrolle über unsere eigene Klangwelt zu haben und wollen sie nicht von anderen diktiert bekommen. In der Tat schätzen die meisten von uns die Ruhe und Stille und werten diese gelegentlich gerne auch mit einem persönlichen Soundtrack auf, wenn dieser uns für unsere anstehenden Aufgaben motiviert. Das Problem ist, dass uns meistens nicht bewusst ist, wenn wir andere mit unseren Geräuschen stören. Hinzu kommt der Trend, dass immer mehr Menschen das Leben in Großstädten bevorzugen und sich diese Entwicklung in absehbarerer Zeit nicht ändern wird – Prognosen zufolge werden bis 2050 fast 70 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben.

Für jede Person, die in der Schlange stehend im Café Siri per Sprachbefehl fragt, wie viel Kalorien in einem fettarmen Frappuccino sind, gibt es auch eine Person, die von diesem unnötigen „Lärm“ irritiert ist.

Mit der steigenden akustischen Reizüberflutung in unserer Umwelt wird es nötig, neue Regeln aufzustellen für ein akzeptables, höfliches Miteinander. Um die Debatte anzustoßen, sind folgend einige Ideen und Vorschläge gelistet, wie sich die digitale Lärmbelastung reduzieren lässt.

  1. Ist es in öffentlichen Räumen – Zügen und Cafés zum Beispiel – wirklich nötig, Telefongespräche zu führen oder Musik über Lautsprecher zu hören? Möglicherweise bestünde auch die Möglichkeit, die Störgeräusche für andere zu reduzieren, indem ein ruhiger Platz gesucht beziehungsweise Kopfhörer oder ein Headset benutzt werden. Grundsätzlich ist es immer besser, die Menschen in unmittelbarer Nähe zu fragen, ob sie sich von dem Lärm gestört fühlen – und sei es nur, um die Unannehmlichkeit zu vermeiden, dass diese einen erst bitten müssen, die Geräusche zu minimieren.

  2. Unsere Leben sind gefüllt mit akustischen Signalen: Benachrichtigungen, Klingeltönen und sogar Warnsignalen. Tun Sie sich selbst und den Menschen um sich herum einen Gefallen, indem Sie entscheiden, welche Geräusche mit der Welt geteilt werden sollten – in vielen Fällen können die akustischen Reize durch die Vibrationsfunktion des Gerätes oder sogar durch ein Headset ersetzt werden.

  3. Zu guter Letzt – und das hoffen wir natürlich – achten Sie auf ihre eigene Gesundheit und Sicherheit. Audio-Technologien können uns für die Gefahren um uns herum taub machen. Es gibt viele tragische Geschichten von Fußgängern oder Radfahrern, die auf Straßen und Schienen von Autos und Zügen verletzt worden sind, weil sie so sehr in ihre Musik vertieft waren. Glücklicherweise verfügen Ohrhörer zunehmend über einen Mithör-Modus (Hear-through), der eine Balance zwischen dem Sound und den Außengeräuschen schafft und es uns ermöglicht, Geräusche wahrzunehmen, die uns auf eine Gefahr hinweisen.

Wir leben in einer lauten und überfüllten Welt, die auch bereits ohne die Geräusche von digitalen Geräten laut genug wäre. Und so wie wir das Recht auf unsere persönlichen Klanglandschaften haben, so haben wir auch das Recht auf Ruhe – oder zumindest auf Schutz vor Geräuschen und Lärm anderer, die in unser Leben drängen.

Es geht noch nicht um Leben und Tod, dennoch sollten wir uns Gedanken über den von uns verursachten Lärm machen, die Debatte führen und neue soziale Normen formen.

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