Retail IT


RFID im Handel

Lemmi geht funken

Johannes Klostermeier ist freier Journalist aus Berlin. Zu seinen Spezialgebieten zählen unter anderem die Bereiche Public IT, Telekommunikation und Social Media.

Per Hand zählen hat ausgedient

Aber es kommt noch besser: Die bisherigen Mitarbeiter am Eingang zählen die Waren nicht mehr Stück für Stück per Hand und schreiben Listen, die sie später abtippen. „Wir rollen die Ware am Eingang nach der Qualitätskontrolle und dem Aufbügeln durch ein großes Tor, wo sie automatisch von einem Lesegerät erfasst wird“, sagt Pfeifferling. Statt 3000 Teile per Hand können jetzt dank RFID 15 000 am Tag erfasst werden. Dazu besitzt Lemmi einen artikel-, farb- und größengenauen Überblick über den Bestand des Lagers. Die Lesequote liege laut Pfeifferling für Hängeware zwischen 99,3 und 99,7 Prozent.

Spätestens bei einem zweiten Durchschieben werden 100 Prozent garantiert. Inventur gibt es jetzt quasi nur noch fürs Finanzamt. Denn die Container sind auf den Schiffen verplombt. Das „Soll“ des ERP-Systems muss am Jahresende nur noch mit dem vom RFID-Lesegerät gemeldeten „Ist“ verglichen werden. „Wir haben bei einer Stichprobe mit 35 000 Teilen festgestellt, dass wir insgesamt nur zwei Fehler hatten, und die hatten Mitarbeiter bei uns manuell falsch erfasst“, freut sich Pfeifferling. Auch wenn die Kleidungsstücke das Haus auf dem Weg in die Geschäfte wieder verlassen, scannen Antennen dies präzise.

Bedenken von Datenschützern und Kunden zerstreut Lemmi fashion, indem es die Funketiketten nicht einnäht, sondern nur anheftet. „Unsere RFID-Etiketten kann jeder sehen und nach dem Kauf abschneiden.“ Auf möglichen Zusatznutzen verzichtet Lemmi so zugunsten höherer Kundenzufriedenheit und Sicherheit. Die Einführung der RFID-Lösung ging einher mit einem Wechsel des Bestell- und Finanzwesens zur Microsoft-Tochter Navision im Mai 2005. Im Juni 2005 wurde die RFID-Einführung beschlossen, im November 2005 die Lagerverwaltung auf Navision umgestellt. Dabei kam es zu unerwarteten Problemen des Softwarelieferanten bei der Implementierung des ERP-Systems. „Erst im März 2006 lief Navision rund“, berichtet der IT-Chef. „Wir sind da ein Jahr hinterhergehechelt. Die kannten unsere Branche einfach nicht gut genug. Das war das Hauptproblem der Einführung.“ Der erste Projektleiter des Dienstleisters hat inzwischen die Firma verlassen.

Neue Projekte mit Partnern

Partner für die RFID-Einführung waren die Dienstleister Checkpoint für die RFID-Tags, der österreichische Infineon-Spin-off RF-IT für Middleware und Antennen sowie Cabus als Systemintegrator. Seit kurzem laufen ProjekteProjekte mit Handelspartnern, um RFID auch am Point of Sale zu nutzen. Nicht nur an Diebstahl- und Schwundkontrolle sowie RFID-Check-out-Systeme denkt Pfeifferling. „Wir wollen, dass Computer an den Regalen den Kunden Informationen zum Produkt geben und empfehlen, welche anderen Teile der Kollektion gut dazupassen.“ Alles zu Projekte auf CIO.de

Angenehmer und nicht unerwünschter Nebeneffekt von Pfeifferlings RFID-Kunststück: Lemmi fashion ist plötzlich jemand im Handel und in der IT-Welt allgemein. Das Handelsfachblatt „Lebensmittel-Zeitung“ etwa schreibt, dass der nordhessische Hersteller vermutlich „als erster Textilist“ weltweit auf die Optimierung seiner Lieferkette durch RFID setzt. „Eine solche Aufmerksamkeit hätten wir mit keinem Marketing-Budget der Welt erzielen können“, zitiert die Zeitung die Chefin des Familienunternehmens Gerda Lehmann. Die Manager von Kaufhof, Breuninger und Metro Group und viele andere waren schon zum Besichtigen da – oder wollen noch kommen.

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