Manager müssen loslassen
Mehr Freiraum statt Kontrolle
CW: Frau Förster, in Ihrem aktuellen Buch "Hört auf zu arbeiten!" schreiben Sie von dem Funkeln in den Augen, das vielen heute bei der Arbeit fehlt. Wie müsste eine Arbeitswelt denn aussehen, damit es in den Augen der Beschäftigten wieder funkelt?
Anja Förster: Es genügt nicht, Management weiterhin so zu betreiben wie in der Vergangenheit. Traditionelle Managementpraktiken zu verbessern oder einfach nur besser umzusetzen, reicht nicht mehr aus. Es geht um eine andere Art, Unternehmen zu führen, indem wir mutiger sind und mehr Freiräume zum selbstbestimmten Arbeiten bieten. Denn Initiative und Leidenschaft erreicht man nur durch Loslassen. Firmen, die so handeln, haben verstanden, wie technologischer und sozialer Wandel ineinander greifen und sich gegenseitig verstärken.
Wie lässt man als Manager denn erfolgreich los?
Anja Förster: Man muss nicht von heute auf morgen alles umkrempeln, sondern sollte sich anfangs auf einen oder eine kleine Anzahl von Bereichen konzentrieren. Manager haben oft Bedenken, dass Loslassen und Disziplin gleichzeitig nicht möglich sind. Ein Beispiel aus Brasilien zeigt, dass das nicht stimmt: Beim Mittelständler Semco gibt es anders als in vielen anderen Firmen nur eine einzige Regel zum Umgang mit Reisespesen und die lautet, dass es keine Regeln gibt. Die Mitarbeiter haben die volle Verantwortung und können - wenn sie das möchten - erster Klasse fliegen und im teuersten Hotel wohnen. Wenn sie es übertreiben, erfahren alle Kollegen davon, denn nach der Rückkehr werden alle Reisespesen im Intranet veröffentlicht. Transparenz und Kontrolle sind damit nicht abwesend, sondern wandern nach dem Loslassen auf einen anderen Level.
- Hört auf zu arbeiten!
"Wann hatten Sie das letzte Mal das Funkeln in den Augen, als Sie gearbeitet haben", fragen Anja Förster und Peter Kreuz in ihrem aktuellen Buch. Vielen Beschäftigten fehlt ihrer Meinung nach heutzutage genau dieses Funkeln. - Das Management in den Unternehmen muss sich ändern
"Es genügt nicht, Management weiterhin so zu betreiben wie in der Vergangenheit. Traditionelle Managementpraktiken zu verbessern oder einfach nur besser umzusetzen reicht nicht mehr aus. Es geht um eine andere Art, Unternehmen zu führen, indem wir mutiger sind und mehr Freiräume zum selbstbestimmten Arbeiten bieten. Denn Initiative und Leidenschaft erreicht man nur durch Loslassen", sagt Anja Förster im Interview mit CIO.de. - Arbeit wie am Fließband
Die Struktur der Arbeit ist nach Meinung der Autoren auch heute noch sehr im Fabrikzeitalter verhaftet. Auch Büroarbeit ist meist so frembestimmt und durchgetaktet wie an einem Fließband. - Kontrolle
Das zweite dieser veralteten Prinzipien ist die Kontrolle. Unternehmen würden davon ausgehen, dass ihre Angestellten ohne klare Anweisungen und anschließende Kontrolle nichts machen. - Abteilende Ordnung
Jeder Arbeitsplatz bekommt klar abgesteckte Zuständigkeiten. Jedes Mitarbeiter-Zahnrädchen muss dabei genau abgegrenzt und definiert werden. Dieser starre Zustand soll die Arbeitskraft lückenlos abdecken. - Effizienz
Die effiziente Organisation vergleichen die Autoren mit einer gut geölten Maschine, die jeden Widerstand, jede überflüssige Kommunikation und jeden Zeitverlust ausmerzt. - Standardisierung
Die Arbeit wurde von den Arbeitgebern in so kleine Häppchen zerlegt, dass jeder Handgriff sitzt. Das macht die Ergebnisse verlässlich und den Erfolg vorkalkulierbar, Überraschungen bleiben aus. - Prozessoptimierung
Das sechste gestrige Führungsprinzip: Unternehmen optimieren ihre Prozesse mit perfekter Koordination, ins Detail ausgeklügelter Zusammenarbeit, bei der nichts von der Norm abweichen darf. - Routine
Die routinierten Arbeitsabläufe liefern gleichbleibende Qualität und maximale Sicherheit. - Der Haken daran
Diese sieben alten Management-Prinzipien haben funktioniert, doch sie haben einen Haken. Wenn Mitarbeiter in so ein enges Korsett aus Fremdbestimmung gepresst werden, unterdrückt das Individualität, Engagement, Kreativität, Initiative und Leidenschaft.
Wie ist es mit den individuellen Wünschen der Führungskräfte? Wie kann ein CIO dafür sorgen, dass es in seinen Augen wieder funkelt?
Anja Förster: Auch in Managementpositionen begegne ich immer wieder Menschen, die bezogen auf ihre Karriere wirklich alles richtig gemacht haben, aber deren Augen trotzdem schon lange nicht mehr funkeln. Die Lösung liegt nicht darin, alles hinzuschmeißen und auszusteigen, sondern im Job hier und jetzt Dinge zu verändern. Zum Beispiel, indem derjenige seine Aufgaben als IT-Verantwortlicher so gewichtet, dass er seine herausragenden Stärken und Talente stärker einbringen kann. Es geht um zwei entscheidende Dinge: Erstens, erkenne deine Talente und Deine Passion und zweitens finde ein Spielfeld, wo genau das auch gewünscht und gewollt ist. Viele Menschen haben bei der Arbeit kein Funkeln in den Augen und werden es auch nie bekommen, weil sie sich bei der Wahl ihres Spielfelds vertan haben.
Wie überzeugt man seinen Chef, dass man ab sofort seine Aufgaben anders gewichtet?
Anja Förster:: Die meisten Angestellten haben viel mehr Freiräume, als sie sich selbst eingestehen. Besonders CIOs sind keine machtlosen Erfüllungsgehilfen, sondern befinden sich in einer Machtposition, die ihnen die Möglichkeit für Umgestaltungen bietet. Es geht ja nicht darum, dass jeder ab sofort nur noch das macht, worauf er Lust hat, sondern darum, die Freiräume zu nutzen, die jenseits der reinen Pflichterfüllung vorhanden sind. Dabei überzeugt man CEOs am besten mit Taten, denn auch für sie sind funkelnde Augen ein gutes Zeichen, denn nicht nur die Mitarbeiter gewinnen, sondern auch das Unternehmen.
Was können CIOs tun, damit ihre Mitarbeiter selbstbestimmter arbeiten?
Anja Förster: Im Prinzip gelten hier die gleichen Dinge wie für die CIOs selbst. Auch im Umgang mit den Mitarbeitern geht es darum, die Talente und Stärken zu erkennen und die Aufgaben ein Stück weit in diese Richtung zu ändern. Natürlich muss man bestimmte Pflichtaufgaben erledigen, aber das nervt nicht mehr, wenn man die anderen Dinge dafür leidenschaftlich gern tut.
Das klingt so einfach. Gibt es bei der Umstellung denn gar keine Probleme?
Anja Förster: Die gibt es sicherlich. Die größte Herausforderung besteht darin, dass die meisten Menschen anders sozialisiert sind. Die Struktur der Arbeit ist in ihrem Kern immer noch im Fabrikzeitalter verhaftet: koordiniert, normiert, durchgetaktet und fremdbestimmt. Da muss man als Führungskraft beim sogenannten Entlernen unterstützen und den Mitarbeitern zeigen, warum diese neue Arbeitsweise einen Unterschied macht. Manager, die das bereits erfolgreich umgesetzt haben, haben uns begeistert berichtet, wie ihre Mitarbeiter anschließend aufgeblüht sind.
Anja Förster ist gefragte Beraterin, Referentin und erfolgreiche Buchautorin. Zu ihren Kunden zählen die Führungsetagen von SAP, BMW, Siemens und vielen anderen. "Alles, außer gewöhnlich" wurde 2007 Wirtschaftsbuch des Jahres. Ihr aktueller SPIEGEL-Bestseller "Hört auf zu arbeiten!" ist im März 2013 im Pantheon Verlag erschienen.
Dieses Interview erschien zuerst in unserer Schwesterpublikation Cio.de