Train2Republica

Mit elf Minuten Verspätung in die Zukunft



Simon Lohmann ist Freier Autor bei macwelt.de.
Werden wir in Zukunft überhaupt noch ein privates Auto besitzen? Oder werden wir mit CarSharing-Angeboten und autonomen Fahrzeugen auf den Straßen fahren? Einen Tag vor der "re:publica" suchten Experten auf dem Weg von München nach Berlin im ICE-Wagon "Train2Republica" Antworten auf genau diese Fragen und diskutierten über Mobilität 4.0 – mit interessanten Erkenntnissen.

Eigentlich sollte der ICE 800 um 09:55 Uhr den Münchner Hauptbahnhof pünktlich verlassen, um über Nürnberg und Erfurt das Ziel Berlin anzusteuern. Los ging es jedoch erst um 10:06 Uhr. Der Grund für die Verzögerung: eine technische Störung. Dass ausgerechnet der Zug, der seine Fahrgäste zur Europas größten Digitalkonferenz chauffieren soll, wegen eines technischen Problems aufgehalten wird, ist fast schon ironisch.

Trotz leichter Verspätung konnte der ICE sein Ziel Berlin pünktlich erreichen.
Trotz leichter Verspätung konnte der ICE sein Ziel Berlin pünktlich erreichen.
Foto: re:publica / Matthias Balk

In der Bundeshauptstadt fand auch in diesem Jahr vom 02. bis zum 04. Mai die "re:publica" statt. Seit 2007 wird die Konferenz in Berlin ausgetragen, dieses Jahr unter dem Motto "POP" - The Power of People. Wie sich die Macht jedes Einzelnen theoretisch auf die digitale Welt auswirken kann, zeigte unter anderem eine Umfrage, welche an Bord eines Spezialwagons des "Train2Republica"-ICEs durchgeführt wurde.

Verschwindet das private Auto?

Noch vor dem offiziellen Start der "re:publica" fand eine erste Diskussionsrunde zum Thema Mobilität 4.0 im Zug statt. Wie sieht allgemein die Zukunft der Mobilität aus? Wird es in Zukunft überhaupt noch eigene Autos für den privaten Gebrauch geben? Mögliche Antworten auf diese Fragen und erste Denkanstöße sollten die Diskussionspanels der an Bord anwesenden Experten liefern.

So fand Bruno Ginnuth, Geschäftsführer von CleverShuttle: Ja, die DigitalisierungDigitalisierung werde das Ende des Privatautos bringen. Alles zu Digitalisierung auf CIO.de

Bruno Ginnuth von CleverShuttle stellt seine These für die Zukunft rund um Mobilität 4.0 vor. Der CarSharing-Dienst setzt auf E- oder Wasserstofffahrzeuge und günstige Fahrpreise. Diese entstehen dadurch, dass CleverShuttle seine Fahrgäste mit ähnlichen Routen bündelt.
Bruno Ginnuth von CleverShuttle stellt seine These für die Zukunft rund um Mobilität 4.0 vor. Der CarSharing-Dienst setzt auf E- oder Wasserstofffahrzeuge und günstige Fahrpreise. Diese entstehen dadurch, dass CleverShuttle seine Fahrgäste mit ähnlichen Routen bündelt.
Foto: re:publica / Matthias Balk

"Warum? Weil der Deutsche an sich bequem ist", erklärte Ginnuth den Zuhörern im Zug. "Der Deutsche ist aber auch geizig." Spätestens dann, wenn die Menschen attraktivere Angebote nutzen können (egal, ob sie mit Sharing-, On Demand-Modellen oder autonom von A nach B kommen), sei das Ende des Privatautos in Sicht. "In den nächsten fünf bis sieben Jahren werden immer mehr Fahrzeuge verschwinden", ist sich der Manager sicher.

"Die Reisekette muss funktionieren"

Dem stimmt auch Prof. Wolfgang Gruel vom Institute for Mobility and Digital InnovationInnovation an der HDM Stuttgart zu. Die Angebote müssten für die Nutzer letztendlich derart attraktiv und finanziell erschwinglich sein, dass das private Auto überflüssig werde. Das attraktivere Angebot könne sich beispielsweise in einem vernünftigen Preisversprechen und einer sicheren Verlässlichkeit äußern. Alles zu Innovation auf CIO.de

Prof. Dr. Wolfgang Gruel stellte auf dem Weg von München bis nach Berlin den Zuggästen des "Train2Republica" Fragen zu ihrem eigenen Mobilitätsverhalten.
Prof. Dr. Wolfgang Gruel stellte auf dem Weg von München bis nach Berlin den Zuggästen des "Train2Republica" Fragen zu ihrem eigenen Mobilitätsverhalten.
Foto: re:publica / Matthias Balk

"Für mich ist Mobilität 4.0 eine Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche", meint Gruel. Lediglich das Bestehen eines ökonomisch attraktiven Verkehrsnetzes bewirke allein noch keine Veränderung. Der Nutzer muss an die gesamte Thematik bewusst herangeführt werden. Da sei am Ende auch das Mitwirken des Staates gefragt, "zum Beispiel mit Fast Lanes, die verhindern, dass jeder mit seinem kleinen Wagen in die Stadt fahren will", warf Gruel in den Raum. Man würde sich wundern, wie solche Maßnahmen dabei helfen können, mobile Angebote deutlich attraktiver zu gestalten. "Am Ende muss die Reisekette funktionieren", so Gruel.

Tötet das Smartphone den privaten PKW?

Seit mehr als 130 Jahren steht das Auto für Freiheit. Es ist ein Statussymbol, ein Luxusgut. Dass wir uns nach noch nicht einmal eineinhalb Jahrhunderten seit der Erfindung des ersten Automobils mit der Frage beschäftigen, ob das Ende des privaten Autos, so wie wir es heute kennen, in Sicht ist, ist laut Gruel auf das Smartphone zurückzuführen.

Mit ihm einhergehend habe sich unser Verständnis von Informationen und Transaktionen grundlegend verändert, die Dutzenden Mobilitäts-Applikationen in den App Stores seien der Beweis dafür. Carsharing-Angebote, wie etwa Car2Go, Uber und Co. sowie Taxi-Apps machen Taxizentralen mittlerweile überflüssig.

Ein großes Mobilitätsangebot ist jedoch noch lange kein Garant für den Erfolg von Mobilität 4.0. "Nur eine bessere Vernetzung ermöglicht eine bessere Mobilität", meint Gruel. Diese These unterstützt auch Marina Knauer von CCUnirent: "Die Digitalisierung ist entscheidend für die Verkehrswende".

Wie oft haben Sie CarSharing bereits genutzt? Würden Sie autonome Fahrangebote nutzen? Diese und weitere Fragen sollten die Fahrgäste mithilfe bestimmter Code-Karten beantworten, welche Assistentinnen mit ihrem Smartphone abscannten - selbstverständlich alles ganz anonym.
Wie oft haben Sie CarSharing bereits genutzt? Würden Sie autonome Fahrangebote nutzen? Diese und weitere Fragen sollten die Fahrgäste mithilfe bestimmter Code-Karten beantworten, welche Assistentinnen mit ihrem Smartphone abscannten - selbstverständlich alles ganz anonym.
Foto: re:publica / Matthias Balk

Natürlich war auch das autonome Fahren ein Gesprächspunkt im Zug nach Berlin. Was heute noch nach Zukunftsmusik klingt, könnte schon schneller Realität werden, als wir denken. Im Rahmen einer Umfrage wurde deutlich, dass bei einer Verfügbarkeit autonomer Fahrzeuge rund 92 Prozent der "Train2Repubica"-Fahrgäste diese anstelle von öffentlichen Verkehrsmitteln nutzen würden.

Das Ergebnis der Expertendiskussion im Train2Republica lautete am Ende des Tages: Mobilität ohne ein eigenes Auto ist definitiv möglich, aber noch nicht überall.

"Die Deutsche Bahn ist ein Start Up"

Ob die Bahn in Zeiten von Mobilität 4.0 überhaupt noch eine Chance haben wird, lautete eine Frage am ersten Tag der re:publica, in der die Ergebnisse der Diskussionspanels vom Vortag einer größeren Zuhörerschaft präsentiert wurden. "Auf jeden Fall", meint Prof. Sabina Jeschke, die im November 2017 den Vorstand für Digitalisierung und Technik bei der Deutschen Bahn übernommen hat.

Auf der re:publica Messe wurden nicht nur die Ergebnisse der Diskussionsrunde vom Vortag vorgestellt. Im Meet-Up-Room stellte sich Prof. Dr. Sabina Jeschke von der Deutsche Bahn den Fragen der Besucher.
Auf der re:publica Messe wurden nicht nur die Ergebnisse der Diskussionsrunde vom Vortag vorgestellt. Im Meet-Up-Room stellte sich Prof. Dr. Sabina Jeschke von der Deutsche Bahn den Fragen der Besucher.
Foto: Twitter / DB_Presse

"Die Straßen werden beim zunehmenden Mobilitätswandel nicht ausreichen", so Jeschke. Außerdem werden vor allem kleinere Städte und der ländliche Raum in den nächsten Jahrzehnten nicht von Sharing-Modellen oder vom autonomen Fahren erreicht. Eine Erkenntnis, die auch von den Experten im Zug geteilt wurde.

Deutschland habe in den letzten fünfzehn Jahren trotz der neuen digitalen Vernetzung der Menschen einen enormen Zuwachs an Mobilität verzeichnet. Dieser Trend hält ungebrochen an, weshalb die Deutsche Bahn große Herausforderungen und zugleich enorme Potentiale sehe: "Wir sind das Start Up der ersten industriellen Revolution", meint die Professorin. "Jetzt stehen wir vor der vierten industriellen Revolution und dabei kann die Bahn wieder eine tragende Rolle spielen. Die Aufgabe wird genauso groß, aber auch genauso spannend."

Neue Komfort-Check-In-Funktion

Wie die Deutsche Bahn in Zukunft ein digital stärker ausgeprägtes Fahrerlebnis schaffen will, können manche Fahrgäste bereits seit ein paar Tagen erleben. Auf ausgewählten Zugstrecken können die Nutzer sich nun selbst einchecken.

Voraussetzung für die Komfort Check-In ist die DB-Navigator-App und vorerst noch eine Sitzplatzreservierung. In Zukunft sollen diese Kriterien gelockert werden - für noch mehr Reisekomfort.
Voraussetzung für die Komfort Check-In ist die DB-Navigator-App und vorerst noch eine Sitzplatzreservierung. In Zukunft sollen diese Kriterien gelockert werden - für noch mehr Reisekomfort.
Foto: Deutsche Bahn

Der Check-In erfolgt nun über den Fahrgast selbst. Im Juni soll die DB-Navigator-App einem neuen Design unterzogen werden, dann soll die neue Check-In-Funktion planmäßig auch auf allen Strecken einsetzbereit sein. Diese entlastet nicht nur das Zugpersonal, sondern soll gleichzeitig dem Fahrgast ein unterbrechungsfreies Reisen ermöglichen - vorausgesetzt, dass keine unerwartete technische Störung für Verzögerungen im Reiseplan sorgt.

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