Einsame Spitze
Mit wem sich Top-Manager austauschen
Sich frei über Probleme austauschen können, sein Verhalten reflektieren, den Horizont erweitern: Das fällt Führungskräften oft schwer. Je höher Entscheider in der Hierarchie aufsteigen, desto weniger Feedback bekommen sie. Mit wem sollten sich beispielsweise CIOs darüber unterhalten? Mit dem Chef fällt es schwer, die Mitarbeiter kann und will der IT-Leiter manchmal nicht belasten. Außerhalb des Unternehmens fehlt es entweder an Kompetenz oder der Entscheider läuft Gefahr, einem Konkurrenten in die Hände zu spielen. Dem CIO fehlt ein Sparringspartner.
Einsam an der Spitze
CIO Peter Meyerhans von Drees & Sommer ist aus diesem Grund vor einigen Jahren in den Initiativkreis "CIO Circle" gewechselt, der jetzt in den Nachfolgerverband "Voice" übergegangen ist. Kontakte zu anderen CIOs sind ihm sehr wichtig. Meyerhans sagt aber dezidiert: "Es ist oft sehr schwierig, sich mit anderen CIOs auszutauschen." In jedem Unternehmen sei die Rolle des CIO unterschiedlich definiert und an anderen Orten aufgehängt. "Sehr viele CIOs sind eher IT-Manager. Mit ihnen kann ich mich sehr gut über IT-Themen, weniger über das Business unterhalten", sagt er. Meyerhans selbst ist häufig mit Finanzthemen beschäftigt und ist, anders als viele Kollegen, nicht dem CFO unterstellt. "Da beginnen die Probleme schon, denn der Fokus und die Sichtweisen unterscheiden sich in diesen Konstellationen sehr stark."
Neben Business Enabling und Finanzthemen befasst sich Meyerhans mit Rechtsangelegenheiten, PersonalführungPersonalführung und "ein wenig IT". Einen gedanklichen Austausch mit Entscheidern zu pflegen, die nicht CIOs sind, hält der CIO jedoch für problematisch: "Es ist schwierig, sich mit anderen Führungskräften im Top-Management auszutauschen. Kaum ein Aufgabengebiet eines C-Level-Kollegen ist so breit gefächert wie das des CIO." Die Probleme eines CIO sind selten klar zu lokalisieren, zu vielfältig ist der Aufgabenbereich. "Mit dem CEO kann ich mich über Grundsätzliches unterhalten, aber nicht über die IT. Und mit dem CFO über monetäre Themen, aber wenig darüber, wie ich mein neues Projekt verkaufe - also etwa Marketing", bedauert er. Alles zu Personalführung auf CIO.de
Probleme nur in Einzelteilen besprechen
Der CIO des Ingenieurdienstleistungs- und Beratungsunternehmens mit Hauptsitz in Stuttgart hat eigene Wege gefunden, sich auszutauschen. "Ich zerlege die Probleme und habe mir für jedes einen Ansprechpartner gesucht", sagt er. Hat er rechtliche Bedenken, tauscht er sich mit einem Anwalt aus. "Habe ich organisatorische Restrukturierungen vor, spreche ich mit einem internen Kollegen. Er ist darin sehr qualifiziert", sagt Meyerhans. "Da habe ich großes Glück, denn mit ihm habe ich ein freundschaftliches Verhältnis und kann solche Sachen sehr gut besprechen." Sein Kollege könne ihm gut den Spiegel vorhalten. "Für die Mitarbeiterführung ziehe ich einen Coach zu Rate", sagt er. Der sei schon lange gut im Unternehmen integriert, kenne die Mitarbeiter und könne gut helfen.
Aber das große Ganze bleibt auf der Strecke. "Die Position macht einen schon irgendwo einsam in den Entscheidungen. Aber das ist wenig erstaunlich, schließlich marschiert man in dieser Rolle immer vorneweg", sagt Meyerhans. Die große Reflektion über das eigene Handeln, ob er Fehler gemacht hat oder welche Alternativen er wählt, muss er selbst betreiben. "Mit wem sollte ich das reflektieren? Im Grunde müsste ich mir da einen Coach holen", sagt der CIO. Andererseits: "Ich sehe ja die Ergebnisse und alles, was fertig umgesetzt ist." Das sei ihm Reflektion genug.
Jüngeren Kollegen rät er: "Netzwerken, netzwerken, netzwerken." Das sei innerhalb des Unternehmens wichtig, um sich dort Akzeptanz zu erarbeiten. Meyerhans macht sich keine Sorgen, dass die CIO-Kollegen anderer Firmen die Konkurrenz ausnützen könnten, wenn er sich mit ihnen trifft. "Im Gegenteil, es hat keinen Sinn, uns gegenseitig zu behindern", sagt er über seine Gespräche mit CIOs vergleichbarer Firmen. "Jeder profitiert mal vom anderen. Über einen langen Zeitraum ist jeder Geber und Nehmer."
Nur fachlicher Austausch
Dass Entscheider oft Probleme haben, sich gründlich auszutauschen, haben inzwischen einige Unternehmen erkannt. Sie steuern mit einem Pionier-Projekt für das Coaching unter Kollegen dagegen. Ziel ist es, die Top-Entscheider aus der gerne als Haifischbecken betitelten Management-Welt zu holen.
Ganz so schlimm stehe nicht um Deutschlands Führungskräfte, differenziert Ulrich Schaefer. "Ich tausche mich sehr viel mit meinem Kollegen und Mitarbeitern aus, im Normalfall funktioniert das gut", sagt der Head of IT-Region EMEA bei Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH (BSH) diplomatisch. Zudem begegne er auf Konferenzen anderen Top-Managern. "Aber der Austausch ist dort rein fachlich", schränkt Schaefer ein. Nicht jeder will oder kann mit firmenexternen Fremden über wichtige persönliche Entscheidungen sprechen.
Unternehmen steuern gegen
Schaefer nahm an einer neuen Maßnahme für Führungskräfte teil, der "External Peer Reflection". Am Programm beteiligen sich jedes Jahr die BSH, Münchner Rück, BMW, Giesecke & Devrient und die Andreas Stihl GmbH. Jeweils fünf Topmanager pro Firma tauschen sich ein Jahr lang mit ihren Peers aus. In einer Auftaktveranstaltung lernen die Führungskräfte die Methode der kollegialen Beratung. "Es soll kein Kaffeeklatsch draus werden, sondern echtes gegenseitiges Coaching", sagt Andrea Mehde, Personalleiterin Executives und Expatriates bei BSH. Sie hat das Programm entwickelt, das es seit 2008 gibt.
"Irgendwann haben Führungskräfte in Seminaren alles schon gehört", sagt Mehde. Eine neue Maßnahme musste her. Auf ihren Vorschlag des Cross-Firmen-Mentoring reagierten einige Chefs erst mal skeptisch: Die Befürchtungen reichten von der Gefahr der Abwerbung bis hin zum Ausplaudern von Firmeninterna. "Deshalb haben sich Firmen zusammengetan, die fachlich wenig miteinander zu tun haben und nicht in Konkurrenz zueinander stehen", erklärt Mehde. Außerdem habe man ein "Anti-Abwerbeabkommen" unterschrieben. In Kleingruppen von vier bis fünf Mitgliedern beraten sich die Top-Manager über die Probleme, die man hat, wenn die Luft an der Karriereleiter dünn wird.
Ansprechpartner fehlen
Nicht der Fortschritt eines Projekts liegt den Entscheidern in diesen Gesprächen am Herzen: Es geht vielmehr um fundamentale Angelegenheiten, die ein Marktkonkurrent ausnutzen könnte und die man deshalb lieber mit Neutralen bespricht. "Manche Dinge möchte man erst kommunizieren, wenn es so weit ist", sagt Schaefer. "Wenn ich über alternative Maßnahmen etwa in der Organisationsentwicklung nachdenke, die meine Mitarbeiter betreffen, möchte ich sie ungern in einem frühen Stadium mit ihnen besprechen." Verständlich, aber: "Da fehlt manchmal ein Ansprechpartner." Und Angelegenheiten immer nur mit sich selbst auszumachen, ist nachteilig und einsam.
Schaefer ist begeistert vom Programm, bei dem er sich Rat von einem Kollegen holt. "Das ist nicht mein Chef, aber er ist auch nicht fachfremd", sagt der IT-Leiter. "Ich tausche mich mit Leuten aus, die einen ähnlichen, aber anderen Erfahrungshorizont haben." Die beteiligten Unternehmen sind alle ähnlich groß, die Manager haben ähnliche Personalverantwortung und ähnliche, aber nicht dieselben Erfahrungen gemacht. "Es ist schon ein großer Vorteil, dass die Unternehmen ähnlich groß sind", sagt Schaefer. "Man lernt sehr spezifische Sachen und ein Manager auf vergleichbarer Position in einem Mittelstand macht ganz andere Erfahrungen."
Raus aus der Denkschleife
Der gedankliche Austausch hilft den C-Level-Entscheidern von morgen: "Manchmal sitzt man in einer Denkschleife fest und kommt nicht raus", sagt Schaefer. Eine andere Perspektive aus einer Firma mit anderer Unternehmenskultur kann Wunder wirken. "Es ist schön, den Horizont zu erweitern", sagt Schaefer. So könne er sehen, wie andere Unternehmen gewisse Dinge handhaben. Aufgrund des Anti-Abwerbeabkommens können sich die Teilnehmer auch offen über eigene Karrierepläne austauschen - ein Thema, das alle umtreibt. "Wenn ich mir überlege, was der nächste berufliche Schritt sein könnte oder wo ich mich hin entwickeln könnte, spreche ich mit den Kollegen. Andere haben da einen ähnlichen Hintergrund", sagt Schaefer.
Den Managern fällt es generell leichter, mit Gleichgesinnten zu sprechen, etwa über Politik: "Jede Führungskraft war schon mal in einer Situation, wo er es keinem Recht machen konnte", sagt Personalleiterin Mehde. Mit Unternehmensfremden könne der Manager sich austauschen, was sie in dieser Situation machen würden.
Zwar mag manchen das Coaching von Führungskräften lieber sein, aber "so ein Coach ist nicht selbst in einer Organisation verhaftet", sagt Personalerin Mehde. "Ihm fehlt die fachliche Kenntnis, die ein Top-Manager selbst mitbringt." Schaefer hat immer noch mit seinen Sparringspartnern aus dem Programm Kontakt. Zwei bis drei Mal im Jahr würden sie miteinander sprechen, sagt er. "Sie geben mir gute Unterstützung bei den Entscheidungen. Das ist sehr hilfreich." Er ruft sie an, wenn er Rat braucht. Auch ein CIO will nicht immer einsam sein.