Interview zur Konferenz Lernen 21
Mitarbeiter sind motiviert, wenn Arbeitgeber in ihre Entwicklung investieren
Wie hat sich der Einsatz einer Technologie wie Virtual Reality (VR) über die letzten Jahre hinweg im Talent-Development-Bereich entwickelt?
Jonathan Sierck: VR verändert komplette Mitarbeiterschulungen, besonders wie trainiert, gelernt und Verbesserungen gemessen werden. Zahlreiche Studien belegen - auch von renommierten Hochschulen weltweit - warum immersive Technologien (wie VR) so wertvoll im Trainingsbereich sind. Ursprünglich wurde das Medium dafür eingesetzt, gefährliche SkillsSkills zu üben. Alles zu Skills auf CIO.de
In den letzten Jahren hat in der betrieblichen Weiterbildung vor allem der Bereich Learning & Development von VR profitiert. Dadurch, dass Virtual Reality einen zusätzlichen, effizienten Weg ermöglicht, wie man Mitarbeiter auf ihre täglichen Verantwortlichkeiten vorbereiten und sie in unterschiedlichste Szenarien versetzen kann, lernen Mitarbeiter schneller und kommen direkt in die Umsetzung. Gleichzeitig ist das unmittelbare Feedback für das Lernen ein unschätzbarer Vorteil.
Wie wirkt sich VR auf die Employee Experience, also die Mitarbeitererfahrung, aus?
Jonathan Sierck: Hier merken wir bei unseren Kunden den wohl größten Unterschied. Mitarbeiter verspüren eine große Wertschätzung, wenn in ihre Entwicklung und ihre Arbeitszufriedenheit investiert wird. Wir haben hierfür zum Beispiel mit einem Münchner Konzern eine komplette "Employee Journey" gestaltet. Der Mitarbeiter wird noch sozusagen vor seinem ersten Arbeitstag abgeholt und lernt die Welt, die Vision und die Werte des Unternehmens kennen.
Damit kann er das Unternehmen selbst erkunden, Fragen stellen, Kollegen treffen und sein Start ins neue Abenteuer erleben. Unsere Umfragen hierzu zeigen, dass dieses Erlebnis durchaus ein Entscheidungskriterium für einen Arbeitgeber sein kann. Sobald an Board, kann der Mitarbeiter ganze Trainings in VR absolvieren, was auf große Resonanz, Neugierde und Motivation beim Lernen stößt.
Wie können Personaler diese Technologie einsetzen, um den Weg vom Recruiting bis hin zum großen Thema Upskilling für Mitarbeiter zu verbessern?
Jonathan Sierck: Mit einer emotionalen und ansprechenden Einführung in die Unternehmenswelt durch VR ist hier oft schon einiges gewonnen. Wir haben in unserem Projekt mit dem Luxusunternehmen Richemont erleben dürfen, dass eine solche Anwendung eine tolle Resonanz auf Messen erzeugt und der Außendarstellung gut nutzt. Mit so einer Anwendung und dem Lernen mit immersiven Technologien wird dem Arbeitergeber der Druck genommen, sich zwischen einem skalierbaren und einem effektiven Lernansatz entscheiden zu müssen.
Das Einarbeiten der Mitarbeiter lässt sich deutlich beschleunigen und die beständige Weiterbildung, also das lebenslange Lernen, beginnt zu greifen, da unterschiedlichste Szenarien und Fähigkeiten immer wieder erlebt und trainiert werden können. Anwendungen variieren dabei etwa von klassischen Sales-, über Management-Trainings, bis zu reinem Customer Service.
Welche Elemente eines VR-Trainings sind für den ROI entscheidend?
Jonathan Sierck: Spontan fallen mir hier Effektivität, Skalierung, Freude am Lernen und Entwicklungskosten ein. Längst ist bekannt, dass learning by doing fast ausnahmslos Verhalten effektiver ändert und Lernresultate deutlich verbessert. Traditionelle Lernansätze stehen nicht selten durch reinen Informationskonsum im Widerspruch hierzu. VR schafft hier die Möglichkeit, Inhalte spielerisch und interaktiv zu vermitteln und das oft in einem Bruchteil der Zeit. Zudem werden Mitarbeiter durch VR schneller an echte Szenarien herangeführt und können ungestört im eigenen Tempo lernen.
Neurowissenschaftler und Verhaltensforscher stellen fest, dass Inhalte und Gelerntes in VR - durch starke visuelle Reize und der gleichzeitigen Interaktion - deutlich länger hängen bleiben. Unmittelbar Feedback erhalten und seinen Fortschritt messen untermauern dies. Da geht jedem Lernexperten das Herz auf, denn sinnvolles und schnelles Feedback ist für den Lernenden wichtiger Bestandteil der eigenen Leistungssteigerung. Trainings lassen sich dadurch entsprechend anpassen und optimieren. Mit Hilfe von Machine Learning werden sich Lernerfahrungen zukünftig auch in Echtzeit an die Fähigkeiten der Lernenden anpassen.
Was bedeutet das in der Praxis?
Jonathan Sierck: Die Skalierung liegt auf der Hand. Trainer und Mitarbeiter müssen nicht mehr um die Welt fliegen, um Schulungen abzuhalten oder zu besuchen, da durch VR gezielt und unabhängig von Raum und Zeit trainiert werden kann. Die Lernmotivation wird durch einen hohen Grad an Autonomie und die Selbststeuerung von Anwendungen gesteigert. Ähnlich wie bei Spielen, wird beim Lernenden die Lust geweckt, immer wieder zu üben und besser zu werden.
Welche Rolle spielen die Kosten?
Jonathan Sierck: Eine wichtige, denn nicht jeder Mitarbeiter genießt den Luxus, jährlich ein großes Budget für Weiterbildungen zu erhalten. Dennoch investieren die meisten Unternehmen durchschnittlich etwas mehr als 1.000 Euro pro Mitarbeiter in Trainings und Schulungen. Die sonstigen Kosten, die etwa dadurch entstehen, dass Mitarbeiter dafür abgestellt sind, sind hier nicht mit einberechnet. Diese Kosten können extrem hoch sein und das Training ausbremsen. In einem sogenannten immersiven Setting, das nur einmal zu entwickeln ist, kann beliebig oft und zeitgleich an verschiedenen Orten trainiert werden.
Sie sind der Meinung, dass VR Unternehmen auch dabei unterstützen kann, die steigende Mitarbeiterfluktuation in den Griff zu bekommen. Wie soll das gehen?
Jonathan Sierck: Lebenslanges Arbeiten bei nur einem Arbeitgeber ist vorbei. Rund vier Jahre beträgt heute die durchschnittliche Arbeitszeit eines Mitarbeiters in einem Unternehmen. Dabei sind gerade die ersten Monate ausschlaggebend dafür, ob man bei seinem Arbeitgeber bleibt. Das erfordert ein ansprechendes Einarbeiten, das gut durchdacht ist und nicht allzu viele Ressourcen - etwa die Zeit anderer Kollegen - erfordert. Hierfür ist VR als Unterstützung prädestiniert. Die Einarbeitung kann persönlich, spannend und vor allem auch skalierbar gestaltet werden, so dass der neue Mitarbeiter in Ruhe in alles eintauchen und sich gezielt auf die bevorstehenden Aufgaben vorbereiten kann.
Was sind aus Ihrer Erfahrung die häufigsten Herausforderungen für HR bei der Gestaltung von VR-basierten Lernanwendungen?
Jonathan Sierck: Sich damit zu befassen, was durch VR alles möglich ist und aus bestehenden Denkmustern auszubrechen, ist oft ein großes Thema. Deshalb bieten wir unseren Kunden HR-Workshops zu VR an. Bei den meisten Kunden kümmern wir uns nicht nur um die Programmierung der Anwendung, sondern unterstützen bei der gesamten Einbettung in die bestehende Lernarchitektur.
Wir planen die Distribution, helfen beim Hardware Set-Up und sind oft auch bei größeren Kundenevents oder Roll-Outs dabei, um vor allem positive Erfahrungen zu gewährleisten. Die Erfahrung und die Herangehensweise sind anders als bei üblichen Schulungen, bei denen oft mit physischen Unterlagen, Präsenz und 2D-Videos gearbeitet wird. Die Begeisterung der Nutzer hautnah mitzuerleben, ist sowohl für den Kunden als auch für uns immer wieder aufs Neue ein tolles Erlebnis, das zeigt: der Einsatz und die Hingabe bei der Entwicklung lohnen sich.
Welche Projekte begeistern Sie im Moment und welche Trends verfolgen Sie für 2020?
Jonathan Sierck: Wir arbeiten momentan an einem interessanten Projekt in den USA, wo wir alle Mitarbeiter eines Unternehmens mit Hilfe von VR schulen. Die Mannigfaltigkeit der Anwendungen und der technischen Lösungen, die wir hierfür ausprobieren und entwickeln dürfen, begeistert uns schon sehr. Hier sind wir zudem an der Quelle vieler Trends, sprechen mit zahlreichen Koryphäen auf diesem Gebiet und kriegen auch mit, wie sich die Hardware entwickelt und in welche Richtung hier gedacht wird. Besonders die Entwicklung von Machine Learning verfolgen wir sehr genau.
COMPUTERWOCHE veranstaltet Konferenz zu Lerntrends
Was müssen Unternehmen tun, was sollen Mitarbeiter können - und mit welchen modernen Lerntechnologien schaffen beide Seiten den Sprung erfolgreich ins digitale Zeitalter? Diese Fragen will die COMPUTERWOCHE-Konferenz "Lernen im 21. Jahrhundert" am 27. November im Munich Airport Business Park beantworten. Einer der Redner ist Jonathan Sierck.
Mit dabei sind noch Praktiker wie der CIO/CDO von MSC Germany Hubert Hoffmann, die Personalchefin von Nordzucker und gleichzeitig Präsidentin des Bundesverbandes der Personalmanager (BPM) Inga Dransfeld-Haase, der weltweite Learningchef von SAP Daniel Vonier und Unternehmer Volker MaibornVolker Maiborn. Die wissenschaftliche Seite - mit starkem Bezug zur Praxis - decken der Vizepräsident der Hochschule München ab, Professor Klaus Kreulich, und Dr. Philipp Ramin vom Innovationszentrum für Industrie 4.0 aus Regensburg. Profil von Volker Maiborn im CIO-Netzwerk
Und damit die Mischung komplett ist, sind auch ein paar Startups dabei, die in Workshops, Live-Demos und auf einem Jahrmarkt der Ideen, aufzeigen, wie Technologie das neue Lernen unterstützt - zum Beispiel anhand von Videos, sogenannten Lern-Nuggets, Gamification bis hin zu Virtual-Reality-Brillen, die schon in der betrieblichen Weiterbildung im Einsatz sind.
Die Veranstaltung wendet sich vor allem an Personal- und Weiterbildungsexperten, aber auch an Fach- und Führungskräfte aus den Fachbereichen, die sich darüber informieren wollen/müssen, wie sie ihre Mitarbeiter fitmachen können für das digitale Zeitalter. Erwartet werden rund 200 Teilnehmer. Die Veranstaltung findet im Business Park des Münchner Flughafens statt.
Anmeldung unter: https://lernen21.computerwoche.de
Termin: Mittwoch, 27. November 2019
Ort: Airport Business Center im Munich Airport Business Park
Regulärer Ticketpreis: 149 Euro (+MwSt) (bis 31.10., danach 199 Euro)
Weitere Infos erteilt gerne CW-Redakteur Hans Königes (hkoeniges@idg.de).
Jonathan Sierck ist CEO des Startups vonMorgen Learning Experiences, München, und entwickelt zukunftsorientierte Lern- und Employer-Branding-Anwendungen für Unternehmen in Deutschland und den USA, die bewährte didaktische Methoden mit neuen Technologien wie VR, AR und Machine Learning verbinden.