Führungskräfte erleben ihr Scheitern - Gravierende Überforderung

"Paralysiert aus Angst vor dem Absturz"

01.12.2008
Von Nils-Viktor Sorge

Als Manager sich jetzt und in besonderem Maß verantwortlich zu fühlen, würde im Fall Ackermann heißen: Wir dürfen die Hände nicht in den Schoß legen. Jeder ist jetzt besonders gefordert. Und wir wollen unseren Beitrag dazu leisten und uns nicht auf jemanden anderes verlassen wie beispielsweise den Staat. Das ist vor dem Hintergrund des Schameffekts enorm wichtig.

Viele Führungskräfte versuchen also geradezu krampfhaft, ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Wie finden sie aus der persönlichen Krise?

Manager haben brutal durch die Realität mitgeteilt bekommen: Das was ihr gemacht habt, geht nicht auf, ihr seid gegen die Wand gefahren. Euer Wissen hat nicht dazu geführt, dass es allen gut geht. Mit diesen Scherben der Rollenzerstörung klarzukommen, ist ganz schwierig.

Jetzt besteht aber die Chance, dass dem Manager klar wird: Ich muss mir und anderen eingestehen, dass ich nicht auf alles eine Antwort habe. Ich muss mich meinen blinden Flecken stellen. Das unbewusste Nichtwissen muss an die Oberfläche. In den Unternehmen ist es aber ein Tabu gewesen, sich dieser Frage zu stellen. Da galt einfach höher, schneller, weiter.

Wenn ich mir meine Hilflosigkeit aber nicht eingestehe, nicht über sie trauern kann, führt alles was ich tue, in die falsche Richtung. Wenn ein Manager vor eine völlig neue Situation gestellt wird, und das passiert tagtäglich, muss er wie ein Kind wieder staunen lernen, um dann die Situation zu erforschen, zu ergründen. Das ist Lernen, wenn der Manger sich wieder selbst zu hinterfragen beginnt. Die eigenen Grenzen kennenzulernen, bereitet Schmerzen und Zweifel, ist aber zwingend notwendig. Dann können sie sich wieder trauen, sich im Spiegel anzuschauen und müssen nicht mehr das Gefühl haben, die eigenen Kinder müssen sich auf dem Weg in die Schule ihres Vaters schämen.

Was heißt das konkret?

Lehman Brothers hat meines Wissens 50 Psychologen nach der Insolvenz angestellt. Vorstände müssen sich als Gesamtvorstand mit dem Erleben von Scham und Scheitern befassen. Und die Mitarbeiter sollten wissen, dass auch ihre Chefs sich mit solchen Fragen befassen. Dann können Manager wieder glaubwürdig werden. Dann können Menschen wieder Vertrauen in die Manager gewinnen. Gerade dies kann ein wichtiger, überzeugender Baustein des gegenseitigen Vertrauens werden.

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