Actyx-Plattform

Per Local Twin günstiger zur digitalen Fabrik?

Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Keine Server, keine Daten in der Cloud, keine komplexen Plattformen und dennoch in kürzester Zeit zur digitalen Fabrik? Nicht weniger als das verspricht das Münchner Startup Actyx mit seiner Fabriksoftware.
Local First, also ohne Cloud oder Server - mit diesem Konzept will Actyx die Digitalisierung der Produktion revolutionieren.
Local First, also ohne Cloud oder Server - mit diesem Konzept will Actyx die Digitalisierung der Produktion revolutionieren.
Foto: PopTika - shutterstock.com

Eine Fabrik oder Produktionslinie automatisieren, ohne dass Server oder Cloud-Instanzen die Infrastruktur orchestrieren und kontrollieren? Dabei alle Berechnungen direkt auf den Maschinen - also am Edge - ausführen lassen, wobei die Maschinen mit ihren direkten Nachbarn ohne Zwischenschritte kommunizieren? Manchen alten IT-Haudegen mag das fatal an die Peer-to-Peer-Netzwerke der 1990er Jahre erinnern, denen im Vergleich zu klassischen Server-Architekturen die Zuverlässigkeit sowie die Möglichkeit zu zentralen Backups fehlten.

Actyx - Local first

Eventuelle Nachteile, die die drei Gründer von Actyx, Oliver Stollmann, Roland Kuhn und Maximilian Fischer so nicht sehen, denn im Gegensatz zu klassischen Server-Hierarchien, gebe es in ihrer Lösung keinen Single Point of Failure. So betonen sie, mit der Actyx-Plattform ein neues Modell zur Programmierung von Prozessen realisiert zu haben. Dem zugrunde liegt das Paradigma des Local First Cooperative Computing. Dies erlaube eine schnellere Entwicklung und habe durch den Verzicht auf Server und Datenbanken keinen IT-Overhead - bei gleichzeitiger Skalierbarkeit und hundertprozentiger Verfügbarkeit.

Seine Feuertaufe in der Praxis scheint das 2016 gegründete Unternehmen bereits gemeistert zu haben. Mit Klöckner & Co, SKF oder PERI konnten die Münchner bereits namhafte Referenzkunden gewinnen. Unisono betonen diese eine schnelle Entwicklungszeit sowie eine kurze Installationsphase: Für die Entwicklung benötigten die Unternehmen im Schnitt zwischen drei bis acht Wochen, die Implementierung dauerte dann ein bis zwei Wochen. Bei Klöckner & Co konnte man innerhalb kurzer Zeit eine Produktivitätssteigerung von zehn Prozent messen. Für 2021 rechnet man sogar mit 20 bis 30 Prozent.

Die Actyx-Plattform

Das Prinzip der Actyx-Plattform basiert auf vier Säulen:

  • den lokalen Twins,

  • dem lokalen Computing,

  • der lokalen Kooperation und

  • der automatischen Synchronisierung der lokalen Twins.

Im Gegensatz zum klassischen Digital Twin, der ein Produkt oder einen Prozess (etwa Produktionslinie) in seiner Gänze digital abbilden will, verfolgt das Twin-Programmiermodell von Actyx einen anderen Ansatz. Hier programmiert man das Verhalten jeder Komponente eines Prozesses als lokalen Twin. Jeder Twin wird dabei in Form von Domain-Ereignissen und -Reaktionen definiert. Gleichzeitig erhält jedes physische Objekt mit Hilfe eines Edge-Devices eine lokale Computerumgebung. In dieser Umgebung läuft der digitale Zwilling lokal.

Da die Twins lokal untereinander kooperieren können, so heißt es bei Actyx, werde die räumliche Verteilung komplett abstrahiert. Oder anders formuliert, die Twins laufen per se direkt auf der lokalen Computerumgebung der jeweiligen Maschine.

Die Actyx-Plattform setzt auf lokale Zwillinge der Maschinen, die sich automatisch synchronisieren.
Die Actyx-Plattform setzt auf lokale Zwillinge der Maschinen, die sich automatisch synchronisieren.
Foto: Actyx

Um nun mehrere Maschinen und ihre lokalen Twins etwa zu einer Produktionsstraße zusammenfassen zu können, wird diese ebenfalls als ein lokaler Zwilling programmiert. Dabei wird das Verhalten aller lokaler Twins kontinuierlich untereinander synchronisiert. Auf diese Weise entsteht, so die Münchner, aus der lokalen Kooperation eine reale, verteilte Kooperation.

Das Actyx-Betriebssystem

Die entsprechenden Apps, zur Abbildung der Business-Prozese und der Logik auf den lokalen Zwillingen, können die Anwender selbst programmieren. Als Laufzeitumgebung für die Apps dient das Betriebssystem ActyxOS, das fünf Core Services bereitstellt:

  • Webview Runtime: für Single-Page-Applikationen

  • Docker Runtime: für Docker-Apps in Containern

  • Event Service: steuert die Kommunikation zwischen den Nodes

  • Blob Service: erlaubt die Speicherung und den Austausch von Binary Large Objects (Blob) wie etwa Bilder von Kameras zur Überwachung der Produktion

  • Console Service: dient zur Generierung von Logs durch die App für Monitoring- und Debugging-Zwecke.

Zudem stellt das Betriebssystem APIs als Schnittstellen zu den MES der Maschinen, Roboter etc. bereit. Die APIs können dabei selbst entwickelt oder über Partner bezogen werden.

Bei der Programmierung der Apps setzt Actyx auf einen Low-Code-Ansatz. Dabei kommt TypeScript als Programmiersprache zum Einsatz. Künftig, so heißt es in München, sollen Apps aber auch in einem C-Dialekt geschrieben werden. Mit Actyx Pond ist zudem ein optionales Framework erhältlich, das mit einem Tool-Satz die Entwicklung verteilter Apps vereinfachen soll.

Die Architektur des Betriebssystems ActyxOS mit seinen fünf Core Services.
Die Architektur des Betriebssystems ActyxOS mit seinen fünf Core Services.
Foto: Actyx
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