Deutsche Umwelthilfe findet neues Feindbild
Prospekte nur noch für die, die wollen?
"Stopp - Keine Werbung!", "Bitte keine Werbung" oder "Reklame verboten!" - wer keine Prospekte im Briefkasten will, muss das über einen Aufkleber deutlich machen. Umweltschützern ist das ein Dorn im Auge. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) will das Prinzip am Briefkasten deshalb umkehren: Werbeprospekte sollen nur noch bei Menschen landen, die sie auch wirklich haben wollen. Auf dem Aufkleber müsste dann stehen: "Bitte Werbung".
So eine Opt-in-Lösung sei gut für alle, sagte Barbara Metz, die Vize-Bundesgeschäftsführerin der DUH, der Deutschen Presse-Agentur. "Wer weiterhin Werbung will, muss nur einen Aufkleber anbringen und bekommt sie. Der sinnlose umweltschädliche Großteil aber wird eingespart." Nicht adressierte Werbung sorge in Deutschland für "riesige Abfallberge, vermüllte Hausflure sowie eine immense Ressourcen-Verschwendung und Klimabelastung". Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) müsse jetzt handeln. Mit einer Petition will der Verein Druck auf die Bundesregierung machen.
Pressefreiheit in Gefahr
Im Justizministerium gibt es bisher keine solchen Pläne, wie eine Sprecherin sagte. Wenn Verbraucher ausdrücklich ihr Einverständnis äußern müssten, würde das "voraussichtlich nur eine geringe Zahl" von ihnen tun. Das hätte zwar den Vorteil, dass Abfälle vermieden werden könnten - andererseits würde es "die unternehmerische Freiheit beschränken", erklärte sie. Vor allem für Unternehmen aus der Umgebung sei diese Art der Werbung wichtig. "Hinzu kommt das hohe Gut der PressefreiheitPressefreiheit, wenn lokale Anzeigenblätter auch einen redaktionellen Teil enthalten." Verbraucher, die keine Werbung wünschen, könnten das "ohne größeren Aufwand" kundtun. Top-Firmen der Branche Medien
Allerdings werden auch die "Keine Werbung"-Aufkleber nicht immer beachtet. Die Verbraucherzentralen sammeln Verstöße und werden tätig, wenn sich ein Muster abzeichnet. Sie weisen aber auch darauf hin, dass kostenlose Anzeigenblätter, die auch einen redaktionellen Teil enthalten, trotz des Aufklebers eingeworfen werden dürfen.
Das Umweltbundesamt (UBA) rechnet vor, dass auf rund 41,3 Millionen Haushalte in Deutschland pro Woche 500 bis 700 Gramm unverlangte Werbung und kostenlose Zeitungen kämen, was wiederum aufs Jahr hochgerechnet 1,1 bis 1,5 Millionen Tonnen Papier seien - wovon man aber die Haushalte mit "Bitte keine Werbung"-Aufkleber abziehen müsse, und deren Zahl sei unbekannt, heißt es bei der Behörde.
Kostenlose Zeitungen oft aus 100 Prozent Altpapier
"Papier soll wegen der Umweltbelastungen bei Herstellung und Vertrieb grundsätzlich möglichst sparsam verwendet werden", sagte UBA-Expertin Almut Reichart. Kostenlose Zeitungen bestünden in den meisten Fällen aus 100 Prozent Altpapier, aber auch beim Papierrecycling entstünden Belastungen für die Umwelt. Auch sie verwies allerdings darauf, dass Anzeigenblätter oft auch andere Informationen enthalten. "Die Abgrenzung zwischen unerwünschter Werbung und erwünschter Kunden- und Bürgerinformation und dem damit zusammenhängenden Recht auf freie Meinungsäußerung, ist aus unserer Sicht schwierig."
Die Umwelthilfe hat dazu eine Umfrage beim Institut Kantar in Auftrag gegeben, die Daten stammen vom Mai. Demnach schätzen 78 Prozent der Menschen ab 14 Jahre in Deutschland die Umweltbelastungen von gedruckten Postwurfsendungen und Werbeprospekten als "sehr hoch" oder "eher hoch" ein, 61 Prozent finden, dass ungefragt in den Briefkasten eingeworfene Werbeprospekte verboten werden sollten. Andererseits bereiten sich 69 Prozent demnach zumindest gelegentlich aufs Einkaufen vor, und davon nutzen 60 Prozent Postwurfsendungen.
Dem Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft zufolge klebt auf nur rund 27 Prozent der Briefkästen ein "Keine Werbung"-Hinweis. Briefkastenwerbung sei für die lokale Wirtschaft, aber auch etwa für Sport- oder Kulturvereine unverzichtbar. "Sie ist für den lokalen Markt der wichtigste Kanal für den Kontakt zu Bestands- wie Neukunden", teilte der Verband mit.
Bevormundung weiter Teile der Bevölkerung
Einschränkungen wären eine "substanzielle Benachteiligung" im Wettbewerb mit dem Onlinehandel. Zudem sei die Umweltbelastung geringer als oft angenommen, etwa weil Altpapier genutzt werde. Nicht zuletzt bedeute eine Umstellung auf ein Zustimmungsmodell eine "nicht zu rechtfertigende Bevormundung weiter Teile der Bevölkerung."
Ganz anders sieht das wiederum ein Verein, der sich ausdrücklich den Kampf gegen die nicht bestellte Werbung auf die Fahnen geschrieben hat: "Letzte Werbung" heißt er, Vorstand Sebastian Sielmann hat die nun gestartete Petition der DUH mitinitiiert. "Im Internet muss für die Zusendung von Werbung ein Einverständnis gegeben werden", sagte er - bei gedruckter Werbung sei das anders. "Das ist nicht nachvollziehbar." (dpa/rs)