Financial Data Warehouse
Riesenprojekt Stride der Deutschen Bank
Nein, ein guter Prozess sieht anders aus. Anleihehändler saßen vor ihren Bildschirmen, verfolgten die Märkte, kauften und verkauften. Ihnen zur Seite standen IT-Leute, die schnellstmöglich die IT-Systeme anpassten. Die Handelsdaten flossen ins Backoffice, wo sie daraufhin geprüft wurden, ob sie den Anforderungen von Rechnungslegung und Regulierungsvorschriften genügten. Dabei geschah die Bearbeitung der Daten auch immer mal wieder manuell.
Das alles war zwar ein Prozess, nur leider bestimmt kein guter. Denn die Datenaufbereitung im Backoffice kostet viel Geld und bindet Ressourcen. Besser wäre es, alle Mitarbeiter würden auf einem gleichen System und mit einem gleichen Datenstandard operieren, damit nicht erst später die Konsistenz der Daten hergestellt werden muss. "Die Produktion von Daten darf nicht zu komplex und aufwendig sein. Die Mitarbeiter der Finanzabteilung sollen mehr Zeit für die Analyse von Daten haben, nicht nur für deren Produktion", sagt EMEA-CFO Joachim Müller von der Deutschen Bank.
So verstärkte sich in den Jahren von 2010 bis 2012 die Erkenntnis, dass Architektur und Prozesse im Finanzbereich der Bank nicht mehr den künftigen Anforderungen des Marktes genügen würden. Seit Anfang der 2000er-Jahre ging es im Investmentbanking primär darum, Marktanteile zu gewinnen und Umsätze zu steigern; dies war strategisch gewünscht, um zu den globalen Wettbewerbern aufzuschließen. Erst an zweiter Stelle spielten Prozesse, Infrastruktur sowie Automatisierung und StandardisierungStandardisierung eine Rolle. Alles zu Standardisierung auf CIO.de
So verwundert es wenig, dass die IT beim rasanten Investmentbanking-Wachstum nicht mithalten konnte und sich eine komplexe IT mit fragmentierten Prozessen entwickelte. Das soll nun zum Wettbewerbsvorteil gedreht werden, indem IT und Finance die Potenziale in der Infrastruktur heben. "Um rund 20 Prozent soll die Effizienz steigen", nennt Müller das Ziel. "Der Druck auf das Backoffice ist sehr hoch."
"Größtes Veränderungsprogramm"
Nun stellte sich also die Frage, wie man die Finanzzahlen besser organisieren, also Daten effektiver und fehlerfreier produzieren kann. "Dabei ging es um die Flexibilität, zeitliche Bereitstellung, Granularität und um den Umfang von Daten. Die Qualität war nicht mehr so, wie man es für eine Weltklasse-Finanzfunktion erwartet", erklärt Müller. Das bedeutete allerdings auch, eine riesige Komplexität zu handhaben.
Denn alle Daten aus den Millionen Transaktionen wie Aktien und Währungen handeln, strukturierte Produkte verkaufen oder Kredite vergeben sollen in einem zentralen System so abgelegt werden, dass sie allen Rechnungslegungs- und Regulierungsvorschriften entsprechen.
Dafür begannen Finance und IT damit, Infrastruktur und Prozessarchitektur für das Berichtswesen auf eine neue Basis zu stellen. Hierzu dient das Riesenprojekt Stride (Strategic Redesign of Information Delivery). "Stride ist das größte Veränderungsprogramm, das die Finanzabteilung in der Deutschen Bank jemals gesehen hat", betont Müller. Auf technischer Seite erweitern und verbessern Finance und IT das zentrale Financial Data Warehouse (FDW).
In der strategischen Plattform FDW sollen Daten aus drei bestehenden Systemen zusammenlaufen: regulatorische Informationen, Daten des Rechnungswesens und lokale Regulierungsdaten aus einzelnen Ländern. Damit reduziert sich der meistens manuelle Abstimmungsaufwand zwischen den Systemen für die Mitarbeiter.
1000 Datenströme und über 100 Transaktionssysteme
Informationen fließen aus einer großen Anzahl von Rechtseinheiten der Bank, rund 1000 Datenströmen und mehr als 100 Transaktionssystemen in das FDW ein. "Die Herausforderung bestand und besteht noch darin, die Daten aus rund 1000 Datenströmen zusammenzuführen. Dafür müssen wir Umleitungen und Daten-Adjustierungen herausnehmen sowie die Veredelung von Daten stringenter und konsistenter machen", erläutert Müller.
Der Kredit eines Kunden beispielsweise wirkt sich im Berichtswesen auf mehreren Ebenen aus: Für regulatorische Zwecke muss eine Eigenkapitalunterlegung berechnet werden, für die Beurteilung der Kreditausfallwahrscheinlichkeit muss ein Wert im Risikomanagement ermittelt und für das Rechnungswesen müssen die Zahlungsströme verbucht werden. Unterschiedliche Daten werden also in verschiedenen Bereichen genutzt. Im Idealfall werden die Daten aus einer einheitlichen Quelle bereitgestellt und in stringenten Prozessen verarbeitet, um Qualität und Konsistenz zu sichern.
Auch dazu definierte die Bank einen einheitlichen Datenstandard, wie Fachbereiche die Daten in die Systeme laden müssen. "Wichtig ist, wie gut die Daten in der Entstehung, an der Quelle sind, denn jede manuelle Nachbearbeitung kostet Geld und erhöht das Risiko für Fehler. Das ist so, als müssten Sie in einen getrübten Fluss Filter einbauen, um das Wasser zu klären, was teuer ist und die Geschwindigkeit bremst", erklärt Müller.
Regulatorische Anforderungen stiegen
Doch erstens kam es anders und zweitens als man dachte. Stride zielte zunächst darauf ab, Finanzdaten zu organisieren sowie Prozesse besser, effizienter und billiger zu machen und die gesamte Finanzarchitektur auf ein qualitativ höheres Niveau zu bringen. Doch mit der Zeit nahmen von außen herangetragene neue regulatorische Anforderungen merklich zu. Jetzt musste die Bank zum Beispiel auch Daten liefern, die sie entweder bisher nicht erhoben hatte oder die es noch gar nicht gab.
Zudem forderten Regulierungsbehörden die Daten immer schneller und in kürzeren Intervallen an. "Der Umfang hat sich so massiv entwickelt, dass sich die Regulatorik kritisch auf die Planung der Meilensteine des Projekts ausgewirkt hat", stellt Müller fest.
"Noch Luft nach oben"
Doch nicht nur deswegen trieb die Bank das Projekt zunächst nicht ganz so zielstrebig voran, wie der Projektname Stride verhieß (englisch: zielstrebig auf etwas zugehen). So kam es zu einer stärkeren Fokussierung im Oktober 2013. "Wir hatten viel Energie in die Konzeption gesteckt, aber in der Umsetzung und Implementierung gab es noch Luft nach oben", berichtet Stefan Sutter, der als Managing Director auf der IT-Seite das Projekt begleitet. "Man kann vieles auf Powerpoint malen, aber letztlich kommt es auf die Umsetzung an."