Selbstbewusst ins Machtduell

So gehen Frauen mit Machtspielchen um

08.03.2022
Karen Funk ist freie IT-Fachjournalistin und Autorin. Bis Mai 2024 war sie Redakteurin beim CIO-Magazin und der COMPUTERWOCHE (von Foundry/IDG). Zudem leitete sie 17 Jahre lang den renommierten IT-Wettbewerb CIO des Jahres. Funk setzt sich seit vielen Jahren für mehr Frauen in der IT und für digitale Bildung ein. 2024 erschien ihr Buch "Hack the world a better place: So gestalten Unternehmen die Zukunft", das sie mit Julia Freudenberg, Geschäftsführerin der Hacker School, zum Thema Corporate Volunteering geschrieben hat.
Tipps und Tricks zum Thema Macht und wie frau sie positiv nutzen kann, das erzählt Karin Gräslund, Wirtschaftsinformatikprofessorin und DSAG-Vorständin.
Karin Gräslund ist Professorin für Wirtschafts- und Finanzinformatik an der Wiesbaden Business School und Mitglied im DSAG-Fachvorstand. Als Sprecherin der Initiative Women@DSAG macht sie sich für mehr Frauen in der IT stark.
Karin Gräslund ist Professorin für Wirtschafts- und Finanzinformatik an der Wiesbaden Business School und Mitglied im DSAG-Fachvorstand. Als Sprecherin der Initiative Women@DSAG macht sie sich für mehr Frauen in der IT stark.
Foto: DSAG

Frau Gräslund, die DSAG hat unlängst eine Umfrage zum Thema "Spiele mit der Macht" unter Frauen aus der IT-Branche durchgeführt. Was ist dabei herausgekommen?

Karin Gräslund: Wir haben unglaubliches Feedback bekommen, und das größtenteils leider nicht positiv. Wie erwartet, gab es einige Frauen, die zufrieden sind und Macht als etwas Gutes wahrnehmen, mit der verantwortungsvoll umgegangen wird. Das waren aber gerade einmal knapp 27 Prozent. Sprich, eine deutliche Mehrheit an Frauen - die alle erfolgreich, engagiert und mit viel Erfahrung in ihrem Job unterwegs sind, manche schon seit Jahrzehnten - berichtete uns von diskriminierendem und wenig wertschätzendem Verhalten.

An der DSAG-Umfrage von 2021 zum Thema "Spiele mit der Macht" nahmen 130 Frauen aus der IT-Branche und dem SAP-Umfeld teil, die in der Initiative Women@DSAG aktiv sind.
An der DSAG-Umfrage von 2021 zum Thema "Spiele mit der Macht" nahmen 130 Frauen aus der IT-Branche und dem SAP-Umfeld teil, die in der Initiative Women@DSAG aktiv sind.
Foto: DSAG

Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Gräslund: Ich persönlich bin immer noch überzeugt davon, dass wir es hier mit einem strukturellen Problem zu tun haben. Und bevor wir das nicht knacken und diese Verzerrung mit bedenken, wird uns keine Veränderung gelingen.

Macht-Spielregeln beherrschen lernen

Was hat Sie bei der Umfrage erstaunt oder überrascht?

Gräslund: Ich bin seit so langer Zeit in der Branche unterwegs, irgendwann denkt man ja, man hätte alles gesehen. Als ich aber das Feedback unserer Women@DSAG gelesen habe, wurde ich eines Besseren belehrt und war über das Ausmaß an Diskriminierung doch erschrocken. Überrascht bin ich auch, wie wenig Handwerkzeug uns Frauen zum "Lesen und Handhaben" des hierarchischen, Männer-dominierten Machtsystems im Gros bekannt ist. Wir müssen dringend lernen, dessen Spielregeln zu beherrschen - vor allem, um sie langfristig auch zum Guten verändern zu können. Obwohl immer mehr Frauen in Spitzenpositionen kommen, lässt das Wort Quotenfrau nie lange auf sich warten. Hier braucht der weibliche Nachwuchs ein dickes Fell, um das gut gelaunt zu überstehen!

Waren Sie persönlich schon in Situationen, in denen Sie in die Mühlen (männlicher) Machtspielchen geraten sind?

Gräslund: Ja natürlich, schon einige und manche davon auch sehr unangenehm. Und nicht immer habe ich sie sofort gut meistern können. Aber wenn ich sie im Nachgang sportlich als "Training" betrachte, wird frau natürlich immer besser. Gutes Rüstzeug gab mir persönlich ein frauenspezifisches Management-Training zum Erkennen typischer Körpersignale, beispielsweise dass die eigentlich freundschaftliche Geste "Hand auf den Arm/die Schulter" auch die Überlegenheit des Kollegen darstellen kann, die frau am besten mit einer gleichwertigen Geste retourniert. Und ich habe auch meine Rechte als Mitarbeitende erkannt, etwa bei Berührungen unerwünschter Art: Hier gelten zehn Sekunden Reaktionszeit für die Retour-Ohrfeige.

Dann gibt es aber natürlich auch verbale Entgleisungen …

Gräslund: In der Tat. Erduldet habe ich auch schon Herren, die mit herabwürdigenden Gesten und Bemerkungen absichtlich unterhalb der Gürtellinie agierten, um mich emotional zu erschüttern. Für frau ist es wichtig, dies sachlich und ruhig zu analysieren, denn viele Männer und leider auch manche Frauen reagieren so, wenn sie fachlich kein Gegenargument mehr finden, einfach nur um zu siegen.

Schlagfertig sein und Macht annehmen

Wie haben Sie reagiert?

Gräslund: Auch hier macht Vorbereitung und Übung die Meisterin im Machtduell: Je häufiger ich darauf mit schlagfertigen Erwiderungen reagiere, je cooler ich in solchen Angriffsmomenten bleibe, wenn mein Gegenüber unsachlich wird, weil ihm oder ihr gerade die Argumente ausgehen, und ich nicht sprachlos als verletztes Reh dastehe, desto besser.

Welchen Rat geben Sie Frauen in Führungspositionen, mit Machtspielen dieser Art umzugehen?

Gräslund: Die aktuell unangenehm hierarchische Führungssituation zu einer partnerschaftlichen zu verändern, geht nur gemeinsam! Unsere Branche ist zwar nach wie vor sehr stark von Männern geprägt, aber: Es gibt glücklicherweise zum einen immer mehr mächtige und faire Frauen in hohen Positionen, und zum anderen auch immer mehr gute und moderne Männer, die unser Know-how, unsere Kompetenz wertschätzen und sich nicht eine Sekunde lang darum scheren, dass wir Frauen und eventuell sogar Mütter sind! Und hier gebe ich folgenden Rat: Macht nicht nur als "böses und verachtetes" Dominanzmittel anzusehen, sondern positiv wahrzunehmen und für eigene Zwecke zu nutzen.

Warum fällt das vielen Frauen schwer?

Gräslund: Noch sind wir Frauen viel zu sehr geprägt durch die Strukturen, in die wir hineingepresst wurden und uns immer noch pressen lassen, sei es bewusst oder unbewusst. Das bedeutet, wir reproduzieren negatives Verhalten manchmal auch selbst. Deshalb sollten wir alle darauf achten, Macht anzunehmen, dann aber auch verantwortungsvoll und fair zu leben. Sich mal an die eigene Nase fassen und eigenes Verhalten hinterfragen, hat weder Männern noch Frauen jemals geschadet. Und ich kann immer nur wieder betonen: Baut euch ein großes und mächtiges Netzwerk auf - es wird euch eure gesamte berufliche Laufbahn über begleiten und von unglaublichem Nutzen sein!

Über Women@DSAG

Die Initiative Women@DSAG will die Position und Rolle von Frauen innerhalb der DSAG sowie im SAP- und im IT-Umfeld stärken. Sie vernetzt weibliche Mitglieder und unterstützt sie bei der persönlichen Weiter- und Kompetenzentwicklung. Frauen sollen ein aktiver Teil innerhalb der DSAG und in allen besetzbaren Funktionen vertreten und sichtbar sein.

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