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Studie kritisiert Digitalisierung scharf

Werner Kurzlechner lebt als freier Journalist in Berlin und beschäftigt sich mit Rechtsurteilen, die Einfluss auf die tägliche Arbeit von Finanzentscheidern nehmen. Als Wirtschaftshistoriker ist er auch für Fachmagazine und Tageszeitungen jenseits der IT-Welt tätig.
Digitale Transformation ist für viele Unternehmen vor allem eine Frage von Tools und Technologien. Prozesse, Organisation und Kundendenken bleiben dagegen außen vor. BearingPoint fordert von Firmen mehr Mut zum kulturellen Wandel ein.
  • An Budget und Ressourcen für Digitalisierung mangelt es nicht
  • Groß ist die Sehnsucht nach Visionen von außerhalb der Unternehmen
  • Mittelständler tun sich oft leichter als Großunternehmen
  • Die Mehrheit der Firmen will einen Mix aus Agilität und Tradition
  • Die Berater geben fünf Tipps zum Start des digitalen Abenteuers
Für 42 Prozent der Anwender ist die Digitalisierung bisher mehr Theorie als Praxis.
Für 42 Prozent der Anwender ist die Digitalisierung bisher mehr Theorie als Praxis.
Foto: BearingPoint

Liest man von einer "Illusion der digitalen Transformation", merkt man unweigerlich auf. Die Formulierung klingt deftig, aber sie wirft doch Fragen auf. Vor allem jene, worin denn eigentlich die "Illusion" besteht? Findet die digitale Transformation am Ende gar nicht statt? Wird den Anwendern mit dem Thema gar etwas vorgegaukelt?

Digitalisierungsmonitor

Nun, das haben die Berater von BearingPoint nicht im Sinn, die ihren aktuellen Digitalisierungsmonitor tatsächlich mit "Die Illusion der digitalen Transformation" überschrieben haben. Die Studienautoren Alexander Broj und Carsten Schulz zielen eher darauf ab, dass sich die digitale Transformation in deutschen Firmen bislang als Oberflächenphänomen ohne Tiefgang entpuppt.

Nicht gegen Disruptionen gewappnet

"Natürlich ist es richtig und wichtig, Produktionsmaschinen mit Sensoren auszurüsten, einen Webshop anzubieten oder Kundendaten auszuwerten", schreibt das Berater-Duo. "Doch solche Maßnahmen sind inkrementell, sie werden den Wettbewerb nicht entscheiden oder ein Unternehmen gegen Disruptionen wappnen."

Broj und Schulz bemängeln, dass der entscheidende Faktor häufig ausbleibe: ein Kulturwandel mit Fokus auf den Kunden und ihren Bedürfnissen, der mit einer gänzlichen Neuausrichtung des Unternehmens einhergeht. Stattdessen sei die DigitalisierungDigitalisierung häufig nur ein "Wassermelonen-Projekt", so BearingPoint. "Außen leuchtet sie beruhigend grün, doch innen herrscht Alarmrot." Alles zu Digitalisierung auf CIO.de

Gut 280 deutsche Unternehmen haben die Berater für die Studie befragt, 16 davon noch einmal in Tiefeninterviews. Speziell an dieser Umfrage ist, dass sowohl Top-Manager als auch Vertreter des mittleren Managements und einfache Mitarbeiter geantwortet haben. Alles in allem lässt sich sagen, dass sich im Grunde alle Firmen als betroffen durch die Digitalisierung sehen - nur eine Minderheit aber in dem umfassenden Sinne, wie BearingPoint es für richtig empfindet.

Die Kernaussagen

Die Berater selbst fassen die Kernaussagen der Studie selbst in drei kurzen Thesen zusammen:

  • 1. Ist-Zustand: Die Technologie ist neu, aber sonst ändert sich wenig.

  • 2. Treiber und Bremser: Der Veränderungsdruck kommt von außen. Doch die Organisation bremst.

  • 3. Handlungsmuster: Die Bereitschaft zu grundlegenden Neuerungen ist gering. Richten soll es ein digitaler Heilsbringer.

16 Prozent der Befragten geben an, die Bedeutung der Digitalisierung voll zu verstehen und bereits konkrete Dinge umzusetzen. 29 Prozent sagen, Handlungsfelder und Maßnahmen seien klar. Mit 42 Prozent ist jedoch der Anteil am größten, für den das Thema noch nicht wirklich Praxis ist. Die Firmen sagen, die Theorie sitze und Erkenntnisse seien da.

Zum Missfallen der Berater dominiert bei den Anwendern bei der Digitalisierung die technologische Perspektive.
Zum Missfallen der Berater dominiert bei den Anwendern bei der Digitalisierung die technologische Perspektive.
Foto: BearingPoint

Die Kritik der Berater setzt vor allem dort an, dass zwei Fünftel der Befragten die digitale Transformation aus der Perspektive der Technologien, Tools, Features und Daten angehen. Angesichts dieses Technologie-Augenmerks bleibt laut BearingPoint die Veränderung von Organisation, Prozessen und Strukturen zu weit außen vor. Ein Drittel der Unternehmen hat bei der Digitalisierung vor allem Transformation, Geschäftsmodelle und KPIs im Blick, für 21 Prozent geht es vor allem um Automatisierung, Virtualisierung und Agilität.

Mittelstand oft weiter als Großunternehmen

Schritte von einer rein angebotsorientierten Ausrichtung hin zur Orientierung am Kundenwunsch haben laut Studie zwar viele Firmen schon gemacht, aber in der Regel stehen sie irgendwo in der Mitte zwischen diesen Polen. Der Mittelstand sei hier oft weiter als viele Großunternehmen, betonen die Studienautoren.

Zu einem "Umparken im Kopf" habe die Digitalisierung bisher lediglich 10 Prozent der Mittelständler und sogar nur 5 Prozent der Großunternehmen veranlasst, moniert BearingPoint. Die deutschen Firmen agieren aus Sicht der Berater zu konservativ. Sie seien zwar empfänglich für neue Technologien und Geschäftsmodelle, ansonsten aber nicht zu umfassendem Wandel bereit. Nur jedes Zehnte der befragten Unternehmen wähnt sich an der Spitze der digitalen Transformation, das Gros von 49 Prozent sieht sich "mittendrin und gut dabei".

Als interne Herausforderung nennen 58 Prozent die Kultur, 51 Prozent die Struktur, 44 Prozent die Innovationsfähigkeit, 38 Prozent das Prozessdesign, 37 Prozent die Tools, 29 Prozent die Technologie und 24 Prozent die Kompetenzen.

Das Problem ist die Unternehmenskultur

Klar ersichtlich ist, dass zu wenig Geld respektive ausbleibende Investitionen in IT-Technologie nicht die entscheidende Bremse sind. "Budget und Ressourcen stimmen in der große Mehrheit der Fälle bislang", konstatieren die Berater. Das Problem sei stattdessen die Unternehmenskultur, die vielerorts durch Risikovermeidung statt Experimentierlust geprägt sei. "Traditionell, hierarchisch, vertikal, funktional statt agil, horizontal und prozessorientiert", schreiben die Autoren. "Hier haben insbesondere die Großunternehmen Nachholbedarf."

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