Angst vor Überlastung
Verbände fordern Stopp des EU-Lieferkettengesetzes
Mehrere Wirtschaftsverbände fordern in einem Schreiben an die Bundesregierung sowie die aktuelle belgische EU-Ratspräsidentschaft den Stopp des Lieferkettengesetzes. "Für deutsche Unternehmen würde es eine Reihe bestehender Maßgaben verschärfen und dadurch gerade mittelständische Unternehmen endgültig überlasten, ihnen teils Unmögliches abverlangen", heißt es in dem Schreiben, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Unterzeichner des Briefs sind der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen, der Arbeitgeberverband Gesamtmetall, der Mittelstandsverbund ZGV, die Stiftung Familienunternehmen, der Gesamtverband Textil+Mode, der Verband der Chemischen Industrie, der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) und der Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI). Sie sprechen nach eigenen Angaben für Unternehmen mit mehreren Millionen Beschäftigten in allen EU-Mitgliedstaaten.
Durch das EU-Lieferkettengesetz sollen große Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie etwa von Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der EU profitieren. Größere Unternehmen müssen zudem einen Plan erstellen, der sicherstellt, dass ihr Geschäftsmodell und ihre Strategie mit der Einhaltung der Pariser Klimaziele zur Begrenzung der Erderwärmung vereinbar sind. Kritisiert wurde von Unternehmen in den vergangenen Woche bereits, dass Deutschland mit seinem Gesetz einheitlichen EU-Regeln vorgegriffen hat und dass die EU noch weitergehende Regelungen plant.
Kritik der Verbände am Lieferkettengesetz
"Größere Unternehmen haben häufig Zehntausende oder gar eine sechsstellige Zahl an Zulieferern allein auf der ersten Lieferantenstufe, von denen jährlich ein beträchtlicher Anteil wechselt. Die Kosten allein zur Befolgung der Vorgaben würden je Unternehmen nicht selten in den Millionenbereich gehen", kritisieren die Verbände.
Als Folge der geplanten Regelungen könnten sich europäische Unternehmen aus bestimmten Regionen zurückziehen und würden selbst als Handelspartner unattraktiver. Die Lage in den Bezugsländern werde dadurch nicht besser und europäische Unternehmen im globalen Wettbewerb geschwächt. Unverständlich sei auch, warum die Vorschriften sogar für Lieferketten innerhalb des EU-Binnenmarktes gelten sollten.
Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten hatten sich Mitte Dezember auf einen Kompromiss zu dem Vorhaben geeinigt. Bislang gibt es aber lediglich einen politischen Deal. Ein Rechtstext wird derzeit von Beamten ausgearbeitet. Dieser könnte in den kommenden Wochen fertiggestellt werden.
Gesetz bereits 2021 beschlossen
Beraten wurde im Bundestag über das Lieferkettengesetz erstmals im April 2021. Die damalige Bundesregierung erklärte, in Handel und Produktion würden "regelmäßig grundlegende Menschenrechte verletzt und die Umwelt zerstört." Mit dem 'Gesetzentwurf über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten' wollte sie deutsche Unternehmen deshalb verpflichten, "ihrer globalen Verantwortung für die Achtung von Menschenrechten und Umweltstandards besser nachzukommen."
Verabschiedet wurde das Gesetz dann im Juni 2021. Ab 1. Januar 2023 galt es für große Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten (etwa 600 Unternehmen in Deutschland). Ab dem 1. Januar 2024 sollten dann auch Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten die Vorschriften beachten (knapp 3.000 Unternehmen in Deutschland). (dpa/rs/pma)