Public IT


7-Länder-Vergleich

Vodafone-Institut zerlegt deutsches E-Government

Johannes Klostermeier ist freier Journalist aus Berlin. Zu seinen Spezialgebieten zählen unter anderem die Bereiche Public IT, Telekommunikation und Social Media.
Digitale Behördengänge sind in Deutschland trotz hoher IT-Ausgaben immer noch unattraktiv. Eine Studie zeigt Schwächen und Erfolgsfaktoren.

Ein aktueller Bericht des "Vodafone-Instituts für Gesellschaft und Kommunikation" zeigt die Erfolgsbedingungen für die digitale Kommunikation zwischen Bürgern und Staat auf. Insbesondere der europäische Vorreiter Estland zeigt laut der Analyse "E-Government-Dienste in Europa - ein Vergleich von sieben Ländern" (PDF), wie Digitalisierung gelingen kann.

Wichtige Erfolgskriterien seien demnach vor allem: Transparenz, Datenkontrolle, der Aufbau einer flexiblen digitalen Infrastruktur, Zeitersparnis und Nutzerfreundlichkeit für den Bürger.

100 Verwaltungsdienstleistungen sollen ins Internet

Auch in Deutschland haben sich nicht erst die heutigen Regierungsparteien zum Ziel gesetzt, E-Government voranzutreiben. Im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD verpflichtete man sich aber explizit dazu, innerhalb der nächsten vier Jahre die hundert wichtigsten und am häufigsten genutzten Verwaltungsleistungen im Internet anzubieten.

Welche E-Government-Dienste gibt es schon wo in Europa? Viel Rot für Deutschland.
Welche E-Government-Dienste gibt es schon wo in Europa? Viel Rot für Deutschland.
Foto: Vodafone

"Vor dem Hintergrund des globalen Überwachungsskandals stellt sich die Frage, wie dies gelingen kann", meinen die Autoren der Studie. Diese wurde vom Zentrum für sichere Informationstechnologie Austria (A-SIT) für das Vodafone Institut für Gesellschaft und Kommunikation erstellt. Das darin enthaltene Länder-Ranking zeigt, dass Deutschland bei der Digitalisierung von Behördengängen im europäischen Vergleich großen Nachholbedarf hat.

Die Studie zeigt anhand verschiedener Beispiele die Angebote digitaler Verwaltungsgebote in sieben europäischen Ländern. Dabei rangiert Deutschland hinter anderen europäischen Ländern wie Österreich, Spanien oder Estland.

So sind etwa Bürgerdienste rund um die Themen Wohnsitz, Umzug oder die Gründung von Unternehmen im Gegensatz zu den europäischen Nachbarn in Deutschland bisher nicht online verfügbar. Vorreiter bei der Digitalisierung öffentlicher Services ist Estland.

In dem gesonderten Bericht "Auf dem Weg zum digitalen Staat"(PDF), nennt das Vodafone Institut die Erfolgsfaktoren in den anderen Staaten und diskutiert deren Übertragbarkeit auf andere Länder.

"Das Angebot in Deutschland ist enttäuschend"

"In Anbetracht der jährlichen IT-Ausgaben in Höhe von 18 Milliarden Euro, das entspricht in etwa sechs Prozent des Bundeshaushalts, ist das Angebot digitaler Services in Deutschland enttäuschend", sage David Deißner, Leiter Strategie und Programme beim Vodafone Institut.

Zusammen mit der Diskussion um Datensicherheit und Privatheit gewinne die Gestaltung und öffentliche Akzeptanz von E-Government an Brisanz. "Der vorliegende Bericht will einen Beitrag zu der Debatte leisten, wie die Digitalisierung des öffentlichen Sektors transparent, benutzerfreundlich, europaweit anschlussfähig und damit im Interesse der Bürgerinnen und Bürger gestaltet werden kann."

Auf Grundlage von Experten-Interviews mit E-Government-Fachleuten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft und den Machern von "E-Estonia" zeigt die Studie Maßnahmen auf, die auch in Deutschland zum Erfolg von E-Government führen können.

4 Maßnahmen, mit denen Deutschland beginnen sollte

• Online-Bonus gewähren: Um die Nutzung digitaler Dienste zu fördern, sollten Anreize gesetzt und Belohnungen vergeben werden, etwa eine schnelle Bearbeitung von behördlichen Vorgängen, wenn diese online abgewickelt werden. Zudem sollten verschiedene, einfach bedienbare Authentifizierungssysteme, auch über mobile Endgeräte, bereitgestellt werden, um den Zugang zu Bürgerportalen zu erleichtern. Zusätzliche Kosten für den Bürger sollten vermieden werden.

• Mehr Datenkontrolle und Open Government: Die Akzeptanz von staatlichen Online Angeboten steigt, wenn nachvollziehbar ist, wann und aus welchen Gründen Behörden die eigenen Daten eingesehen und verarbeitet haben. So können Bürger in Estland beispielsweise online prüfen, wann - etwa im Rahmen einer Routinekontrolle - die Polizei über das KFZ-Kennzeichen eigene Daten abgefragt hat.

Im Vorbild-Land Estland beginnt das E-Government schon bei der Geburt eines Kindes und seiner Anmeldung beim Standesamt.
Im Vorbild-Land Estland beginnt das E-Government schon bei der Geburt eines Kindes und seiner Anmeldung beim Standesamt.
Foto: Ruth Black – Fotolia.com

Auch Bearbeitungsstände können online eingesehen werden. Im Gegensatz zu papierbasierter Verwaltung gibt es zudem neue Möglichkeiten, unerlaubte Zugriffe auf persönliche Daten nachzuvollziehen und zu ahnden.

• Digitale Infrastruktur ausbauen: Eine zentrale Voraussetzung für einen effektiven und kontrollierten Informationsaustausch zwischen Bürgern und Verwaltungseinheiten ist der Aufbau einer digitalen Infrastruktur. Das Beispiel Estland zeigt, dass die Bereitstellung digitaler Services auch dezentral über eine Datenstraße möglich ist - also ohne den zusätzlichen Aufbau großer staatlicher Datenbanken.

Dies ermöglicht etwa das teilweise automatische Ausfüllen der Steuererklärung oder die zeitsparende Beantragung von Elterngeld. Eine weitere Voraussetzung für die unkomplizierte Behördenkommunikation ist die bedienerfreundliche digitale Unterschrift, die auch über das mobile Endgerät möglich ist (Mobile-ID).

• Attraktivität der Angebote erhöhen: Online-Services müssen so gestaltet sein, dass sie dem Bürger einen klar erkennbaren Mehrwert bieten. E-Government-Angebote sollten daher nicht nur vorhandene Verwaltungsprozesse in die digitale Welt übertragen (Dokumente online stellen), sondern Prozesse verschlanken und bündeln. Der offensichtliche Vorteil liegt im Zeitgewinn für den Bürger: Zusammengerechnet ermöglicht etwa die digitale Unterschrift in Estland Zeitersparnisse im Wert von zwei Prozent des jährlichen Bruttoinlandsprodukts.

Der Bericht unterstreicht laut Vodafone zudem die hohe Relevanz einer grenzübergreifend anschlussfähigen digitalen Infrastruktur in Europa. Die digitale Unterschrift und die Nutzung bestimmter Behördengänge über Landesgrenzen hinweg reduzieren angesichts der wachsenden Mobilität den Bürokratieaufwand und die Kosten für die Unternehmen und die Bürger. Zudem sinke der Arbeitsaufwand auf Seiten der nationalen Behörden.

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